München – Auf unseren Schultern lastet buchstäblich das ganze Leben. Das komplexeste Gelenk des menschlichen Körpers kann sich mit vielen Problemen arrangieren – bis verborgene Läsionen oft schlagartig und schmerzhaft zutage treten. Das ist das Fachgebiet von Professor Peter Diehl, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie im Orthopädiezentrum München Ost (OZMO). Seine Schwerpunkte sind die minimalinvasive Schulter- und Kniegelenkschirurgie. Die gute Nachricht: Längst nicht immer ist eine OP notwendig. „Selbst bei gerissenen Sehnen ist unter Umständen eine konservative Therapie möglich“, so der Spezialist, der hier vier weit verbreitete Schulterprobleme und Behandlungen ohne OP vorstellt. Voraussetzung dafür ist die Mitarbeit des Patienten. Patient Gerhard Günther (78) litt in beiden Schultern unter Engpässen und Kalkablagerungen. Die Folge: Mehrere aufgescheuerte Sehnen, eine riss ganz. Mit einer speziellen Behandlung und einem strikten Übungsprogramm fühlt er sich nun ohne Operation wieder fit.
Rotatorenmanschette
Patienten klagen über Schmerzen bei Drehbewegungen und Belastungen, können nicht auf der Schulter schlafen und den Arm nicht mehr über die Schulter heben. Das sind typische Symptome für Risse in der Rotatorenmanschette – ein sehr häufiger Schaden, mit dem speziell ältere Patienten in Professor Diehls Praxis kommen. Die Rotatorenmanschette besteht aus den Sehnen-Enden von vier Muskeln, die den Oberarmkopf wie eine Manschette umschließen. Das gibt der Schulter Stabilität und Beweglichkeit. Durch einen Unfall, aber weitaus häufiger durch Verschleiß, kann es zum Ein- oder Durchriss einer oder mehrerer Sehnen der Rotatorenmanschette kommen. Prof. Diehl: „Gerade bei älteren Patienten besteht eine gute Chance, sie mit entzündungshemmenden Medikamenten, Physiotherapie und ggf. Eigenbluttherapie dauerhaft und ohne Operation zu stabilisieren.“
Nackenschmerzen
Nackenschmerzen können viele Ursachen haben. Eine wird leicht übersehen: „Die Schmerzen können von der Schulter kommen“, erklärt Prof. Diehl. Infrage kommen sämtliche Schäden der Schulter, die zu Entzündungen führen. Oft handelt es sich dabei um schon länger schlummernde Probleme, die sich dann schmerzhaft bemerkbar machen. Zum Beispiel durch falsche Sitzpositionen – „ein Problem, das durchs Homeoffice in den letzten eineinhalb Jahren drastisch zugenommen hat.“ Die Patienten weichen dem Entzündungsschmerz aus, indem sie die Schulter über Schulterblatt und Nackenmuskulatur anheben. „Aus dieser Schonhaltung, die die Patienten dann ausüben, resultieren dann die Nackenschmerzen“, erklärt der Professor.
Frozen Shoulder
Die Frozen Shoulder ist eine entzündliche Erkrankung der gesamten Schultergelenkkapsel, die jede Beweglichkeit tatsächlich einfriert. Die primäre Form baut sich langsam auf. Das dünne, elastische Kapselgewebe wird durch die Entzündung zunehmend dick, hart, narbig und zieht sich zusammen. Diabetes und Schilddrüsenstörungen gelten als Risikofaktoren. Die sekundäre Form zeigt sich nach Verletzungen, Verschleiß oder Operationen. Betroffene brauchen Geduld – und einen erfahrenen Arzt, der den Schwelbrand in der Kapsel entschlossen angreift: „Diese Entzündung muss man aggressiv therapeutisch stoppen, um den chronischen Verlauf aufzuhalten.“ Prof. Diehl setzt in der akuten Entzündungsphase konsequent Cortison als Injektion oder auch in Tablettenform ein. Später dann – oder auch als Alternative für Patienten, die kein Cortison vertragen –, spritzt Prof. Diehl Eigenblut und Hyaluron. Erst wenn die Entzündung abgeklungen ist, kann die Physiotherapie beginnen. Die gute Nachricht: Die Schulter taut von alleine wieder auf, oft ohne Folgen. Aber: „Das kann ein Jahr dauern.“
Omarthrose
Die Omarthrose (Schultergelenksarthrose) beginnt wie alle Arthroseformen schleichend. Betroffen sind meist ältere Patienten, die lange nichts merken, da erste Probleme beim seitlichen Anheben des Armes über Schulterblatt und Nacken kompensiert werden. Erstes Warnzeichen: Ein reibendes Geräusch, das nicht wehtut.
Abnutzungsprozesse führen zum Verschleiß und Verlust des Gelenkknorpels, bis die Knochenflächen schmerzhaft aufeinander reiben. Auslöser sind ältere Verletzungen (ausgekugelte Schulter, OP, Gelenkbrüche), angeborene Fehlstellungen der Pfanne, aber auch Berufe und Hobbys, bei denen der Arm häufig auf Schulterhöhe gehalten wird.
Professor Diehl: „Gelenkerhaltende Therapien wie Injektionen mit Entzündungshemmern, Eigenblut, Hyaluron und Krankengymnastik helfen gut, wenn sie rechtzeitig beginnen.“ Im frühen Stadium kann man mit einer minimalinvasiven Schlüsselloch-Operation den Knorpel glätten.