„Wer ab 40 schlank bleiben will, sollte Krafttraining machen“

von Redaktion

Nürnberg/München – Abnehmen ist immer schwierig – besonders aber in den Wechseljahren. Statistiken zeigen, dass von zehn Menschen, die eine Reduktionsdiät beginnen, neun innerhalb eines Jahres ihr Ausgangsgewicht wieder erreicht oder sogar überschritten haben. Das heißt, wir haben es bei den Reduktionsdiäten mit einer Therapieversagerrate von 90 Prozent zu tun. Anders ausgedrückt: Krebs lässt sich inzwischen erfolgreicher behandeln als Übergewicht. In den Wechseljahren scheint dass noch mal besonders schwierig zu sein. Der Nürnberger Frauenarzt Dr. Bernd Kleine-Gunk erklärt, wie Frauen in und nach den Wechseljahren schlank bleiben.

Warum nimmt fast jede Frau in dieser Zeit zu?

Das hat gar nicht so viel mit den Geschlechtshormonen zu tun, wie man gemeinhin denkt. In den Wechseljahren sinken die Östrogene ja deutlich ab. Das wird häufig mit einer Gewichtszunahme in Zusammenhang gebracht. Werden dann aber im Rahmen einer Hormonersatztherapie die fehlenden Hormone wieder ersetzt, klagen auch viele Patienten über Übergewicht und schreiben dies nun gerade dem Hormonersatz zu. In Wirklichkeit hat es gar nicht so viel mit den Geschlechtshormonen selbst zu tun, sondern eher mit der Tatsache, dass sich im Alter die Körperzusammensetzung ändert. Die Muskelmasse wird weniger, damit sinkt der Grundumsatz und dadurch nimmt man auch leichter zu.

Wann genau fährt unser Stoffwechsel herunter?

Das ist in der Tat nicht etwas, das erst mit den Wechseljahren beginnt, sondern eigentlich schon mit dem 30. Lebensjahr. Um den Kalorienverbrauch einzuschätzen, gibt es eine einfache Rechnung: Ein Kilogramm Muskelmasse verbraucht in Ruhe rund 100 Kilokalorien (kcal) in 24 Stunden. Im Schnitt geht man davon aus, dass etwa ein Prozent Muskelmasse pro Jahr verloren geht. Da kann man sich dann ausrechnen, wie sehr der Grundumsatz absinkt.

Spielen noch andere Hormone als die Geschlechtshormone eine Rolle?

Für Frauen ist es wichtig, auch auf die Schilddrüsenhormone zu achten. Gerade bei Frauen ist eine latente Schilddrüsenunterfunktion weitverbreitet. Liegt die vor, ist das Abnehmen noch einmal schwieriger.

Haben wenig Schlafstörungen und Hitzewallungen eigentlich auch Auswirkungen auf unseren Kalorienverbrauch?

Ja: schlechter Schlaf führt zu Übergewicht. Nicht zuletzt auch deshalb, weil man dann auch häufig aufsteht und an den Kühlschrank geht. Normalerweise ist es dann auch nicht unbedingt ein Feldsalat, der morgens um zwei verzehrt wird.

Was kann man tun?

Eigentlich nur eines: Sport machen. Und zwar nicht nur Ausdauersport, sondern auch gezielt Muskeltraining.

Welche Diät hilft? Oder lieber Ernährungsumstellung?

Wir sprechen inzwischen tatsächlich lieber von Ernährungsumstellung. Dem Begriff Diät haftet ein wenig der Ruf an, dass man, wie bei einer Crash-Diät, schnell abnimmt, aber dann auch entsprechend wieder schnell zunimmt. Für eine langfristige Gewichtsreduktion ist von daher auch eine langfristige Ernährungsumstellung wichtig. Zum Beispiel ist Scheinfasten ein guter Einstieg in eine Gewichtsreduktion. Dieser fünftägige Prozess macht ja Fasten sehr viel einfacher. Wenn es der Einstieg in eine langfristige Gewichtsreduktion sein soll, muss dem allerdings auch eine entsprechende Ernährungsumstellung folgen. Ansonsten ist Scheinfasten vor allem ein Programm, das auch ausgeprägte Anti-Aging Effekte hat.

Stichwort Jo-Jo-Effekt: Gibt es einen Trick, um den Stoffwechsel zu pushen?

Da wird zwar immer alles Mögliche gehandelt. Im Prinzip bleiben aber zwei Dinge übrig, die tatsächlich helfen: weniger essen und mehr Sport treiben. Das ist vielleicht eine etwas ernüchternde Nachricht. Aber sie stimmt.

Helfen eigentlich Vitamine oder Nahrungsergänzungsmittel?

Nur sehr bedingt. Es gibt zwar einige Nahrungssupplemente, zum Beispiel L-Carnitin, denen zugeschrieben wird, dass sie beim Abnehmen helfen. Das tun sie aber tatsächlich nur im sehr geringen Maße. Es bleibt dabei, dass die Kalorienzufuhr reduziert werden muss. Nahrungsergänzungsmittel können dabei allenfalls eine minimal zusätzliche Wirkung entfalten.

Was ist eigentlich mit diesen „Abnehmtabletten“, die die Fettaufnahme verhindern sollen?

Die gibt es schon seit mehr als 20 Jahren. Die Euphorie ist inzwischen ziemlich verflogen. Vor allen auch deshalb, weil die Fettaufnahme gar nicht mehr – wie früher – als hauptsächlicher Grund für die Gewichtszunahme angenommen wird. Hier spielen die Kohlenhydrate die sehr viel größere Rolle.

Wie viel bringt Sport?

Sport ist eine wichtige und sinnvolle Maßnahme, um eine Gewichtsreduktion zu unterstützen. Allerdings sollte man die Effekte auch nicht zu hoch bewerten. Ein Beispiel: Eine Stunde Tennis verbrennt etwa 350 kcal. In einem Kilogramm Fettgewebe sind aber 7000 kcal gespeichert. Das bedeutet, dass ich gut 20 Stunden Tennis spielen muss, um ein Kilogramm reines Fett zu reduzieren. Das spricht nicht gegen das Tennis. Es zeigt aber, dass der wesentliche Aspekt bei der Gewichtsreduktion tatsächlich die Ernährungsumstellung ist. Sport stabilisiert eher die Gewichtsreduktion.

Was kann man noch tun gegen die bösen Pölsterchen?

Hier gibt es in der Tat eine Methode, die recht sinnvoll ist, und zwar die sogenannte Kryolipolyse. Das ist nicht primär eine Methode, um generell Gewicht abzunehmen. Bei Problemzonen, also Speckröllchen an definierten Stellen, kann die Kryolipolyse aber sehr hilfreich sein. Der Effekt besteht darin, dass man durch Kälte das Fettgewebe zum Absterben bringt.

Hat es die Natur so eingerichtet, weil Pölsterchen im Altern Sinn machen?

Es gibt in der Tat einige neuere Studien, die zeigen, dass im Alter ein mäßiges Übergewicht mit einem Body-Mass-Index von 25 bis 27 mit gewissen gesundheitlichen Vorteilen einhergeht. Allerdings betrifft das wirklich nur leichtes Übergewicht. Starkes Übergewicht, also ein BMI von 30+, ist immer etwas, das für unsere Gesundheit schädlich ist.

Das Gespräch führte Yvonne Walbrun

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