Auf das Heer von Möpsen, die keine Luft bekommen, ebenso kurzatmigen französischen Bulldoggen und Mini-Rassen wie Pomeranian-Spitzen folgt nun ein neuer fataler Trend: Immer mehr Tierfreunde legen sich einen Jagdhund zu – selbst in Städten. Nach den Beweggründen gefragt, sagen die stolzen Neubesitzer gerne: „Wir wollten einen richtigen Hund, kein Accessoire für die Handtasche.“ Nun ja, jeder Hund ist ein Hund und damit ein Rudeltier, das klare Hierarchien kennt, das zudem ein Rudeljäger ist. Ein Tier, das laufen kann und will. Hunde wurden aber über die Jahrhunderte vom Menschen für bestimmte Aufgaben gezüchtet und Jagdhunde – wie der Name sagt – für die Jagd.
Aber dann werden sie Modehund. „Die Tiere kommen teils aus dem Ausland und anderen dubiosen Quellen, aber es gibt auch Züchter in Deutschland, die züchten, was der Markt verlangt. Keine gute Entwicklung: In den 1960er-Jahren waren es Cockerspaniel – eigentlich reine Stöberhunde –, die wegen Größe und Aussehen plötzlich „in“ waren. Es entwickelten sich reine Schönheitszuchten, die mit ihrem langen seidigen Haar auf Ausstellungen brillierten, denen man aber die jagdlichen Anlagen weggezüchtet hatte. Der Drahthaarfoxterrier erlitt das gleiche Schicksal. Erst später wurden diese Rassen nach und nach wieder auf jagdliche Brauchbarkeit gezüchtet. „Ebenso gibt es Weimaraner-Züchter, die nur Wert auf Schönheit legen“, sagt Egbert Urbach vom Bayerischen Jagdverband. Tessy Lödermann vom Tierheim Garmisch sagt, dass einige Jagdhunde, wie der Retriever oder der Jack-Russel-Terrier seit Langem „Familienhunde“ seien. „Aber bei Vizslas und Weimaranern wurde der Jagd- und Suchtrieb über viele Generationen angezüchtet und ist bei keinem dieser Hunde völlig ausgelöscht. Diese Hunde sind sehr bewegungsfreudig und wollen lernen und arbeiten. Deshalb ist es wichtig, dass diese Tiere zum einen ihre Lauffreude ausleben können, zum anderen aber auch geistig ausgelastet werden. Wenn nicht, kommt es zu Stress und unerwünschtem Verhalten wie Ausbüxen, Jagen und die Zerstörung der Wohnung.“
Das Thema Jagdhunde beschäftigt Merkur-Tierexpertin Sandra Mendler von der Hundeschule Allgäu schon lange. Bei Volkshochschulkursen zur Vorbereitung für angehende Hundehalter nimmt sie immer ihre Hunde, einen Griffon de Bleu und einen Basset Griffon Petit, mit zur Veranschaulichung. „Sie sind wahrlich nichts für Anfänger. Auch nicht für Gehorsamsfans oder Kontrollfreaks. Diese Hunde sind nur für Menschen geeignet, die sie zur Arbeit jagdlich verwenden oder über das nötige Wissen und Können verfügen, ein Rudel zu führen. Denn Jagdhunde sind eigenständige und friedliche Meutetiere, die auf ein echtes Verständnis und klare, passive Führung angewiesen sind. Sonst erfüllen sie schnell das Klischee des sturen, eigensinnigen und unerziehbaren Jägers, der nicht von der Leine gelassen werden kann.“
Trotz der Beratung kaufen sich die Leute dann Jagdhunde und reden sich das Thema schön, sie seien ja sportlich. „Sportlich bedeutet bei den Tieren täglich sechs Stunden durch Berg und Tal zu streifen. Sportlich für Menschen bedeutet: Ich sitze nicht nur auf der Couch und gehe schon ab und zu in die Berge und ich jogge zwei Mal die Woche.“ Klare Worte, weil Mendler in ihrer täglichen Arbeit sieht, wie missverstanden diese Hunde sind – auch wenn sie aus einer reinen Schönheitszucht stammen.
„Es ist ein trauriger Trend, dass Menschen aufgrund des eigenen Prestiges dem Hund die Freiheit nehmen, denn genau diese Freiheit macht ja die Schönheit und Besonderheit aus. Ein Jagdhund muss streifen, laufen und frei sein können. Sonst ist er eine gefangene Seele. Wer einmal einen Vizsla in Ungarn über die Puszta laufen gesehen hat, der bringt es kaum mehr fertig, diesen Hund als Wohnzimmerhund zu halten.
Schnell haben die Hunde dann ihren Ruf weg, enorm stur zu sein. Dabei bedeutet sein Verhalten nur, unverstanden zu sein. Und gelten sie als unerziehbar, heißt das nur, dass der Halter nicht in der Lage ist, verständlich aufzutreten. Eigensinnig bedeutet auch nur, dass diese Rassen zur selbstständigen Arbeit gezüchtet sind.“ Sie denken mit, die müssen blitzschnell entscheiden.
An die Züchter von Jagdhunderassen, die auch im Jagdgebrauchshundeverein organisiert sind, werden hohe Anforderungen gestellt. Und Züchter aus Clubs geben die Hunde auch nur an Jäger ab. Natürlich stimmen die Beschreibungen, dass diese Rassen auch familienfreundlich, gutmütig und zufrieden im Haus sind. „Familienfreundlich sind übrigens alle Hunde, die ursprünglich in Meuten gehalten wurden. Der Käufer pickt sich die für ihn passenden Rosinen aus der Beschreibung heraus, aber er ignoriert die Teile, denen er nicht gerecht werden kann: Jagdhunde wollen geführt werden, jeden Tag arbeiten und in Gesellschaft jagen. Leider wird viel schöngeredet mit modernen Beschäftigungsmethoden wie Mantrail, Therapiehund und Agility. Doch all das ersetzt eben nicht die Freiheit. Wer sich einen Hund anschafft, wird sich zu 100 Prozent als Tierfreund bezeichnen. Dazu gehört aber auch, eine Rasse zu wählen, die perfekt zum eigenen Lebensumfeld passt!