München – Im Kampf gegen den GAU im Gehirn schlagen Spezialisten jetzt gleich doppelt Alarm – wegen Corona! Der Grund: Bei einem akuten Schlaganfall zählt jede Minute. Wenn der Patient nicht schnell in die Klinik kommt, droht eine bleibende Behinderung oder gar der Tod. Doch aus Angst vor dem Coronavirus meiden noch immer viele Menschen Krankenhäuser. Auch Grunderkrankungen bleiben nach wie vor oft unentdeckt. Dazu zählt Vorhofflimmern. An dieser Herzrhythmusstö-rung leiden 1,8 Millionen Bundesbürger. „Unbemerktes Vorhofflimmern kann zum Schlaganfall führen“, warnt Prof. Thomas Voigtländer (Foto),Vize-Chef der renommierten Deutschen Herzstiftung. Warum dieses Störfeuer aus dem Herzen so tückisch ist und wie man bei einem Schlaganfall schnell und richtig handelt, erklären hier die Experten.
Herz und Hirn: Der Zusammenhang
In Deutschland erleiden jedes Jahr etwa 270 000 Menschen einen Schlaganfall. Jeder vierte geht auf Vorhofflimmern zurück, die häufigste Herzrhythmusstörung. Dabei gibt das Herz eine chaotische Herzschlagfolge ab – ausgelöst von einer gestörten Reizleitung in den Lungenvenenund Herzvorhöfen. Die Folge: Die Vorhöfe schlagen zwar mit einer Frequenz von bis zu 400 Schlägen pro Minute, nehmen aber nicht mehr an der Pumparbeit des Herzmuskels teil. Dadurch können sich in den Vorhöfen Blutgerinnsel bilden, die vom Blutstrom mitgeschleppt werden und ins Gehirn gelangen. Dort können diese Blutgerinnsel (Thromben) Hirngefäße verschließen und von der Sauerstoffversorgung abschneiden. „Der Schlaganfall ist die größte Gefahr, die vom Vorhofflimmern ausgeht“, warnt Privatdozent Dr. Gerian Grönefeld von der Deutschen Herzstiftung.
Das Tückische dabei ist jedoch: Nur bei jedem Zweiten macht sich Vorhofflimmern durch Symptome bemerkbar. Dazu zählen Herzstolpern, ein gefühlter Herzschlag bis zum Hals, Druckgefühl im Brustkorb, auch Leistungsschwäche, Schwindel, Luftnot und Angst. In manchen Fällen rast das Herz mit einem Puls von bis zu 160 Schlägen pro Minute.
Bluthochdruck verstärkt die Gefahr
Auslöser für Vorhofflimmern kann u. a. Bluthochdruck sein. 60 Prozent der Patienten leiden auch an Hypertonie. „Sie sind zweifach belastet: Zum einen erhöht der Bluthochdruck aufgrund der Gefäßbelastung selbst das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko, zum anderen besteht durch das Vorhofflimmern die Gefahr, dass sich Blutgerinnsel bilden, die wiederum einen Schlaganfall auslösen können“, betont Grönefeld. Die Senkung des oberen Blutdruckwerts um nur 10 mm HG senke das Schlaganfall-Risiko um 40 Prozent.
Die Patienten mit dem größten Risiko
Das Risiko für Vorhofflim-mern steigt mit dem Alter. Während es bei den unter 50-Jährigen unter einem Prozent liegt, sind in der Altersgruppe 60-plus vier bis sechs Prozent betroffen und bei den über 80-Jährigen neun bis 16 Prozent.
Der wichtigste Tipp für die Vorsorge
Der wichtigste Vorsorge- Tipp: Messen Sie regelmäßig Ihren Puls .„Ist der Puls unregelmäßig oder liegt er in Ruhe über 100 Schläge pro Minute, sollte man umgehend einen Arzt aufsuchen, um klären zu lassen, ob Vorhofflimmern der Grund dafür sein könnte“, so Privatdozent Grönefeld.
Gerinnungshemmer sind Pflicht
Patienten mit Vorhofflim-mern müssen in der Regel Gerinnungshemmer einnehmen, um sich vor einem Schlaganfall zu schützen. Die weitere Therapie sollte von einem Kardiologen festgelegt werden.
Schlaganfall: Die Alarmzeichen
Bei diesen Symptomen sollten Sie sofort die mittlerweile in der ganzen EU geltende Notruf-Nummer 112 wählen: Lähmungserscheinungen einer Körperhälfte, herabhängende Mundwinkel, Schwierigkeiten beim Lächeln oder Sprechen, Wortfindungstörungen, plötzlicher heftiger Kopfschmerz, Sehstörungen und Schwindel.
Verwechslungsgefahr mit Kammerflimmern
Vorhofflimmern und Kammerflimmern – die beiden Begriffe aus der Kardiologie klingen ähnlich und sorgendaher bei Patienten mitunter für Verunsicherung. Aber: „Vorhofflimmern ist nicht zu verwechseln mit Kammerflimmern, der bösartigsten und gefährlichsten Herzrhythmusstörung“, betont die Herzstiftung.
Bei Kammerflimmern nämlich wird der Patient plötzlich bewusstlos. Er atmet nicht mehr und erleidet innerhalb weniger Sekunden einen Herzstillstand. Nach circa zehn Minuten dann tritt der Tod ein, wenn Außenstehende nicht sofort den Rettungsdienst (Rufnummer 112) anrufen und mit der Herzdruckmassage beginnen. Diese akute Lebensgefahr besteht bei Vorhofflimmern nicht!