Es ist früh, sehr früh am Tag. 5.30 Uhr! Treffpunkt in Garmisch-Partenkirchen. Gitta Wünsch ist unverschämt wach und energiegeladen. Es geht ins Ammertal, auf einen Hof. Ein paar Worte mit der jungen Bäuerin, die kurz darauf wieder im Stall verschwindet. Nebel wabert, es hat zwei Grad. Kuschelig ist anderes. Wünsch platziert ihre Falle, stellt Futter hinein, rollt eine Schnur aus und kommt zurück. Das Auto steht so, dass man auf dem Sitz hockend starren kann: auf die Falle. Der Nebel wird dichter, der Bauernhof ist nur noch eine Kontur, die Falle gerade noch so zu sehen. Augen zusammengekniffen. Und dann tapst etwas Graues heran, klein und dünn. Es folgt etwas Schwarzes. Dann etwas Schwarz-Weißes. Man hält den Atem an. Eine dreifarbige Glückskatze taucht auf und mit ihr noch ein graues Junges. Gitta Wünsch zieht an der Schnur. Klack! Klappe zu! Sie eilt mit einer Decke los, die Katzenmutter faucht. Die Kleinen schauen verdutzt, jetzt schon ist klar, dass sie Katzenschnupfen haben, ein Graues hat eine abgeknickte Schwanzspitze, die eitert. „Sofort die Decke drüber, sie verletzen sich sonst vor lauter Angst“, ruft Gitta Wünsch. Die Kiste wird ins Auto gehievt. Es ist halb acht und fühlt sich doch so an, als seien Stunden vergangen.
Seit 40 Jahren fängt Gitta Wünsch herrenlose Katzen im Landkreis Garmisch-Partenkirchen ein, Jahrzehnte voller Hoffnung, Engagement, Disziplin und Diplomatie. Denn Landwirte konnte man lange Jahre nur für sich gewinnen, wenn man sich zurückhaltend verhielt. „Die junge Generation hilft mehr mit“, sagt sie. „Die Bereitschaft ist enorm gestiegen!“ Wie im vorliegenden Fall, wo die Bäuerin anrief und von einer Katzenmutter mit vier Jungen berichtete. Dann ist Mitarbeit gefragt: Die wilden Katzen müssen angefüttert werden, sich an die Stallzeit und Menschen gewöhnen – und daran, dass ein Tellerchen Milch abfällt und/oder Futter. „Man darf sie wirklich nur zu der Zeit füttern, sonst klappt das Fangen nicht.“
Nur wenn Menschen melden, dass sie irgendwo wilde Katzen gesehen haben, besteht eine Chance, ihnen zu helfen. Das Leben in Freiheit ist nämlich ganz und gar nicht schön: Hunger, Krankheiten, Parasiten, Kämpfe, Panik und Angst sind kein gutes Leben. Geschätzt zwei Millionen herrenlose Katzen sind in Deutschland auf sich selbst gestellt und führen einen harten Überlebenskampf. Durch unkontrollierte Vermehrung vervielfacht sich das Katzenelend rasend schnell, und letztlich sind all diese Katzen Nachkommen ehemaliger Hauskatzen. Und im Herbst geborene Kätzchen haben nahezu keine Chance zu überleben!
Wer jetzt noch beim Wandern oder Radeln an entlegenen Stadeln Katzen sieht, sollte diese beim Tierschutzverein oder anderen Organisationen melden. Er rettet Leben. „Katzen, die ganz abseits von Menschen leben, leiden so sehr unter Hunger, dass man sie meist sehr schnell in der Lebendfalle fängt.“ Gitta Wünsch hat eine Spezialanfertigung, wo sich keine Katze einklemmen kann und die sie händisch per Schnur schließt. „Die gebe ich nicht aus der Hand“, lacht sie.
Natürlich gibt es Fallen mit einem Klappmechanismus, bei der das Tier eine Bodenplatte berührt. Diese stellt auch mal das Tierheim zur Verfügung, aber nur wenn es sicher sein kann, dass die Anwender korrekt arbeiten. Nicht etwa am Abend hinstellen und am Morgen mal reinschauen! Das gefangene Tier kann sich bis dahin lebensgefährlich verletzt haben. „Wir haben auch Bäuerinnen, die in der Früh fangen und so nett sind, uns die Tiere zu bringen.“ Wünsch kann eine Menge Geschichten erzählen: Als sie einst im Winter eine ganz Kolonie fing, 40 Stück. Und bei der 41. Katze ging die Falle nicht zu. Wünsch warf dann einen Schneeball. „Ich treffe normal nie, aber da fiel die Klappe zu.“ Oder als sie die Falle nur so stellen konnte, dass man sie vom Lauerposten aus nicht einsehen konnte. Also musste ein Späher ein Handzeichen geben.
Es gab Zeiten, als Bauern Katzenkinder töteten, sie mitunter in der Odelgrube ertränkten. Wer das Katzenelend aufhalten will, muss die Tiere kastrieren lassen! Das Tierheim Garmisch hat heuer bisher 92 (!) herrenlose Katzen eingefangen und kastrieren lassen sowie 36 Katzenkinder im Tierheim zur Vermittlung aufgenommen. Es hat ein Vermögen allein für die Katzen ausgegeben.
Der grauen Kätzin wurde übrigens ein Teil des Schwanzes amputiert, aber sie sieht auch als Stummelkatze ganz entzückend aus und wird sich in die Herzen der Menschen schnurren…