Frankfurt am Main – Mit großer Sorge beobachten Herzmediziner die hohe Zahl an Bundesbürgern, die sich aus Scheu, Skepsis oder aus anderen nicht-medizinischen Gründen nicht gegen Covid-19 impfen lassen. Dies erschwere das Unterbrechen der Infektionskette zum Schutz von Risikogruppen ohne oder mit stark vermindertem Covid-19-Impfschutz (Kinder, chronisch Kranke mit Immunschwäche). Auch verzögert sich dadurch die Eindämmung der Pandemie.
„Zu schweren oder kritischen Covid-19-Verläufen mit Intensivpflicht kommt es derzeit fast nur unter Ungeimpften. Nur eine Steigerung der Impfquote kann verhindern, dass es im Verlauf der vierten Welle zur Überlastung der Kliniken durch intensivpflichtige Covid-19-Fälle kommt“, warnt der Kardiologe und Intensivmediziner Prof. Dr. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung. Der Impf-Appell der Herzstiftung richtet sich besonders an chronisch kranke Menschen und Ältere, aber auch an gesunde Menschen. „Auch Gesunde sollten nicht das Risiko unterschätzen, an Covid-19 schwer zu erkranken oder zu sterben“, gibt Voigtländer zu bedenken.
Über Sorgen und Ängste sprechen
20 Millionen Menschen in Deutschland könnten sich gegen Covid-19 impfen lassen, haben das aber nicht getan. Knapp 74 Millionen Menschen in Deutschland gehören zur Gruppe der Impfberechtigten ab zwölf Jahren. Von denen sind laut Robert Koch-Institut (RKI) nur rund 73 Prozent vollständig geimpft (54 Millionen).
In der Altersgruppe der 18- bis 59-Jährigen liegt die Impfquote bei cirka 70 Prozent. „Wir bitten Menschen mit Sorgen und Ängsten wegen möglicher Nebenwirkungen und Impfkomplikationen, diese mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt zu besprechen. Denn sie können aufgrund ihrer medizinischen Kompetenz und Erfahrung mit Impfungen am besten bei der Nutzen-Risiko-Abwägung helfen“, appelliert Professor Voigtländer.
Impfung gegen Grippe und Pneumokokken
Patienten mit Herz- und Kreislauferkrankungen zählen zum besonders gefährdeten Personenkreis mit einem höheren Risiko für schwere Covid-19-Krankheitsverläufe. Das gilt insbesondere für Patienten mit Herzschwäche, koronarer Herzkrankheit, Bluthochdruck und Diabetes. Auch ältere Menschen ab 60 Jahren ohne Herzerkrankung sollten sich schützen, da deren Immunsystem sich schlechter gegen das Virus wehren kann. „Für sie und Herz-Kreislauf-Patienten ist die Covid-19-Impfung daher eine sehr wichtige Schutzmaßnahme“, betont Voigtländer, der als Kardiologe am Cardioangiologischen Centrum Bethanien in Frankfurt am Main tätig ist. Er rät Menschen mit einer Herz-Kreislauf-Erkrankung, sich auch gegen das Influenzavirus impfen zu lassen, ebenso gegen Pneumokokken, den Haupterregern einer Lungenentzündung. „Bei einer Infektion mit dem Influenzavirus oder Pneumokokken schwächen die Krankheitserreger das vorgeschädigte Herz und Gefäßsystem zusätzlich, entweder direkt oder indirekt über den Befall von anderen Organen wie der Lunge“, warnt Voigtländer.
Doppelimpfung ohne Probleme möglich
Wer sich gegen Covid-19 impfen lässt oder eine Booster-Impfung erhält, kann gleichzeitig gegen Grippe (Influenza), Pneumokokken und andere Erkrankungen auf Basis der sogenannten Totimpfstoffe geimpft werden. Ein zeitlicher Abstand ist dabei nicht nötig, so die aktuelle Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko). Voraussetzung für eine solche simultane Impfung sei, dass diese auch ärztlich angezeigt ist.
Für wen ist die dritte Impfung sinnvoll?
In Deutschland hat grundsätzlich jeder Anspruch auf eine Booster-Impfung. In der Regel ist das die dritte Impfung, die man frühestens ein halbes Jahr nach der zweiten Impfung erhält. Die Stiko dagegen hat sich bislang für eine dritte Impfung als „Booster“ lediglich in bestimmten Fällen ausgesprochen, weil die wissenschaftlichen Daten noch nicht ausreichen. Demnach sollten zunächst Immungeschwächte (z.B. nach Transplantation oder mit Immundefekten) eine dritte Impfdosis erhalten. Die Deutsche Herzstiftung begrüßt diesen Schritt der Stiko. So sind etwa Herz- und Lungentransplantierte, denen eine Impfung gegen Covid-19 ausdrücklich empfohlen wird, trotz Zweifachimpfung kaum durch den Corona-Impfstoff geschützt. Das hat eine von der Deutschen Herzstiftung geförderte Forschungsarbeit am Herz- und Diabeteszentrum NRW, Bad Oeynhausen, bei transplantierten Patienten mit dem mRNA-Impfstoff (Biontech/Pfizer) ergeben. Blutproben bei 50 Herz- und Lungentransplantations-Patienten ergaben, dass „drei Wochen nach der zweiten Impfung bei der überwiegenden Mehrheit der Teilnehmer weder Antikörper noch eine Aktivierung der für die Wiedererkennung des Virus und für die Zerstörung virusbefallener Zellen wichtigen Gedächtniszellen (T-Zellen) nachweisbar waren“. Umso wichtiger ist daher für solche schwer immungeschwächten Patienten mit erwartbar stark verminderter Immunantwort eine dritte Impfdosis. Erfahrungen an transplantierten Patienten in den USA und Frankreich legen nahe, dass ein Teil der Patienten unter erneuter Auffrischimpfung dann den erforderlichen Immunschutz entwickelt.
Weitere Infos unter www.herzstiftung.de/corona-impfung