„Was für ein Lauch.“ Würde ein Jugendlicher diesen Satz sagen, wäre es eine Beleidigung. Nicht umsonst stand der Lauch 2018 auf der Liste für das Jugendwort des Jahres. Es wird von den Heranwachsenden in der Regel für Menschen verwendet, die wenig zu sagen haben, ein Synonym quasi für Trottel oder Idiot. Wer aber in der Küche von Rico Birndt steht und sagt: „Was für ein Lauch!“ meint das wortwörtlich, beinahe ehrfürchtig. Denn so hat man das Gemüse hierzulande wahrlich noch nicht gegessen.
Vor dem jungen Küchenchef liegen Lauchstangen, Hefewürfel und Kamillentee. Da braucht es zunächst viel Vorstellungsvermögen, dass Rico Birndt aus diesen simplen Zutaten ein besonderes Gericht zaubern will. Doch Skeptiker werden garantiert schon nach dem ersten Bissen überzeugt sein.
Ein Gericht, das perfekt in den Monat Januar passt. Seit Jahren gibt es den Trend, sich nach der Völlerei der vergangenen Monate zu Jahresbeginn bewusst und vegetarisch zu ernähren.
Rico Birndt (29) steht in der Küche des Bambule! und kocht. „Nur Dinge, worauf er wirklich Lust hat. Das ist wichtig“, sagt er mit einem breiten Grinsen im Gesicht – „weil man Leidenschaft schmeckt“. Rico Birndt stammt ursprünglich aus der Nähe von Traunstein – doch mit seinen knapp 30 Jahren ist es jetzt das erste Mal, dass er überhaupt in Bayern kocht, wie er selbst mit einem Schmunzeln feststellt. Zuletzt hat Rico Birndt als Sous-Chef in Neuseeland gekocht, bis ein Headhunter ihn nach München holte.
Eigentlich hätte der junge Koch im Sommer des vergangenen Jahres das Farmhouse mit seiner über 1000 Quadratmeter großen Dachterrasse in Obersendling miteröffnen wollen. Es gab aber Verzögerungen beim Bau, so dass Brindt und sein Team vorerst in der Bar Bambule! an der Landwehrstraße in München arbeiten. Die Bambule-Bar gehört wie das Farmhouse zum Restaurant Mural, das mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet ist.
Dass Rico Birndt heute als Newcomer in der Münchner Gastroszene gehandelt wird, ist eher einem Zufall zu verdanken: „Meine Mutter musste in den Ferien arbeiten und so nahm ich an einem Ferienprogramm teil.“ Thema: Kochen. „Ich hatte keine besonderen Ambitionen in diese Richtung. Es war halt das Einzige, was angeboten wurde.“ Dem 13-Jährigen gefiel aber das Hantieren am Herd dermaßen, dass er sich für den Beruf des Kochs entschied. Davor hätte es auch genauso gut eine Tischler-Lehre sein können. „Ich wollte schon immer unbedingt etwas mit den Händen machen.“
Er lernte in Salzburg, ging dann nach Hamburg ins Gourmet-Restaurant Lakeside. In Kopenhagen stand der Jungkoch im Kadeau am Herd, bevor er im Pasture in Neuseeland gekocht hat. Der Oberbayer war gerade dabei, den Vertrag in Auklands bestem Restaurant zu verlängern, als der Ruf nach München kam. Der Lauch-Gang war dort sein Gericht.
Jetzt also München. Rico Birndt gehört zu der Generation Küchenchefs, die „die Berufe in der Gastronomie wieder sexy machen wollen“. Klar, in der Küche und im Service müsse man viel arbeiten, aber aus Skandinavien hat er auch moderne Ideen mitgebracht: So gehört dort eine Vier-Tage-Woche auch in der Gastronomie zum Alltag. Aber auch, dass Edelfische wie Steinbutt für das Personalessen die Wertschätzung der Angestellten unterstreichen.
Noch bespielt der ambitionierte Küchenchef in spe die Bar Bambule! im Münchner Bahnhofsviertel. Im Frühsommer, so hofft er, kann er das Farmhouse dann endlich übernehmen. Personal und Lieferanten hat er bereits für die Wirkungsstätte an der Gmunder Straße rekrutiert.
Dann soll ein Dachgarten für Gourmets im bis dahin kulinarischen Niemandsland Münchens eröffnen. Mit „unverbautem Blick in die Alpen und in die Innenstadt“, wie Rico Birndt von seiner neuen Wirkungsstätte schwärmt. Es wird zwei Fine-Dining-Restaurants geben, eins mit Menü-Karte, eins Á la carte.
„Es wird Zeit, dort endlich loszulegen“, sagt der gebürtige Traunsteiner. Dafür ist er ja eigentlich zurück nach Deutschland gekommen. Corona und seine Auswirkungen haben ihm bis dato einen gewaltigen Strich durch die Rechnung gemacht. Doch, so hört man, die ersten Gemüse auf dem Dachgarten wachsen schon. Johannes Schwarz, der viele Spitzenköche beliefert, kümmert sich darum und Rico Birndt wird daraus nicht nur aus Lauch spannende Gerichte zaubern.