München – Die Augen jucken, die Nase läuft, manche fühlen sich schlapp und aus dem Off kommt eine Niesattacke nach der anderen. Aber erkältet ist man nicht und auch der Corona-Test ist immer negativ. Was also ist da los? Der Münchner Hautarzt Dr. Christoph Liebich hat da einen Verdacht: „Die ersten Pollen der Frühblüher, also Hasel und Erle, sind schon unterwegs. Die machen genau solche Symptome, die sich zumindest Neu-Allergiker erst mal gar nicht erklären können.“ Denn schließlich ist ja auch noch Winter. Doch ein Blick in den Pollenflugkalender verrät: Die Natur steht am Ende dieses bislang eher milden Winters längst in den Startlöchern für den nahen Frühling.
Pollenflugkalender zeigt Stufe orange
Die aktuellen Pollenflugkalender (z. B. wetteronline.de) zeigten bereits in der letzten Woche in Südbayern einen schwachen Pollenflug (Warnstufe gelb) an. Im Allgäu und am Bodensee registrierten Messstationen in der letzten Woche bereits einen mäßigen Pollenflug (orange). Und ab morgen ist ganz Südbayern wieder orange – die letzte Stufe vor dem starken Pollenflug (Warnstufe rot).
Baumpollen haben lange vor den Gräsern Saison. Hasel- und Erlenpollen fliegen oft schon im Dezember und Januar. Noch im Februar folgen Pappel, Weide und Ulme. Im März gesellen sich Birken- und Eschenpollen dazu. Und im April sind zusätzlich Buche, Eiche, Ulme und die ersten Gräser mit von der Partie. Spätestens dann beginnt für viele Heuschnupfen-Opfer die Zeit des Niesens und der juckenden Augen.
Der Pricktest beim Arzt schafft Klarheit
Im Internet gibt es eine Reihe von Allergie-Selbstchecks (z.B. allergieratgeber.de), die einen ersten Eindruck vermitteln, ob man von einer Pollenallergie betroffen sein könnte. Diese können jedoch niemals den Gang zum Hautarzt und Allergologen ersetzen, der sich mithilfe eines Hauttests (Pricktest) auf die Suche nach Allergieauslösern machen wird. „Dabei wird die obere Hautschicht am Unterarm ganz leicht angeritzt und mit 15 bis 20 Tropflösungen mit verschiedenen Allergieauslösern wie Pollen, Hausstaubmilben, Pilzsporen und Nahrungsmitteln beträufelt“, erklärt der Allergie-Experte Dr. Liebich von der Praxis Dermazent an der Hackenstraße. „Entsteht dabei eine Quaddel oder eine Rötung, ist dies ein starker Hinweis auf eine allergische Reaktion.“ Der Durchmesser der Reaktion lässt zudem den Schluss auf die Stärke der allergischen Reaktion zu.
Einmal allergisch, immer allergisch
Das Problem dabei ist: „Wer von einer Pollenallergie betroffen ist, wird sie nie mehr ganz los“, so Dr. Liebich. In vielen Fällen lassen sich die meist jahreszeitlich begrenzten Beschwerden aber mildern. Seine Tipps: „Lüften Sie in der Stadt zwischen 6 und 8 Uhr, auf dem Land zwischen 18 und 24 Uhr. Auch Pollengitter am Fenster helfen.“ Pollen im Bett machen richtig Probleme. Darum sollte man abends duschen, sich die Haare waschen und getragene Kleidung nie im Schlafzimmer ausziehen oder liegen lassen: „Das alles macht natürlich nur dann Sinn, wenn der Partner mitmacht.“ Werden die Beschwerden stärker, sollte man zum Arzt gehen: „Je nach Schwere der Symptome gibt es Antihistaminika als Tabletten, Augentropfen oder Nasensprays, um die Entzündungssymptome zu beseitigen. In hartnäckigen Fällen hilft ein verschreibungspflichtiges Cortison-Spray.“
Dann macht eine Immun-Therapie Sinn
Ab welchem Punkt macht eine Immun-Therapie – auch Hyposensibilisierung oder Desensibilisierung genannt –einen Sinn? „Immer“, erklärt Dr. Liebich. „Denn die verhindert den gefürchteten Etagenwechsel, wenn nämlich die Entzündungen der Nase auf die Lunge übergreifen. So kann allergisches Asthma entstehen. Bei der Hyposensibilisierung wird das Immunsystem mit Spritzen, Tropfen oder Tabletten langsam an die Allergene gewöhnt. Eine Behandlung, die mindestens drei Jahre lang dauert. „Ganz auflösen werden Pollengeplagte ihre Allergie damit nicht. Zumindest aber können wir auf diese Weise die Symptome lindern und Betroffenen helfen, besser durchs Jahr kommen.“
Interessante Fakten zum Thema
Diese Tatsachen zum Thema Pollenallergie kennen Sie vielleicht noch gar nicht:
. Heuschnupfen hat nichts mit dem Heu zu tun. Der Name basiert auf Beobachtungen aus den frühen Jahren des 19. Jahrhunderts, das Menschen in der Nähe der Heuhaufen oft niesen mussten. Das Heu selbst ist unschuldig, nicht jedoch die Pollen des Grases darin.
. Viele Menschen entwickeln erst ab einem Alter von 30 oder 40 Jahren eine Pollenallergie.
. Regen allein wäscht die Luft noch längst nicht rein. Ein sanfter Sommerregen lässt Allergiker aufatmen. Starker Regen und Wind dagegen wirbeln die Pollen wieder auf.
. Alle Antihistaminika machen müde? Keine Sorge, das stimmt nicht (mehr). Die zweite Generation der Antihistaminika kommt heute mit kaum noch müde machenden Substanzen aus.
. Zu welcher Tageszeit Ihr Heuschnupfen schlimmer wird, hängt sehr stark davon ab, welche Pflanzen in Ihrer Umgebung wachsen und worauf Sie allergisch sind. Eine Analyse in Polen wies nach, dass Beifußpollen nachts weniger aktiv sind. Ambrosia dagegen – diese Pflanze wurde bereits Mitte des 19. Jahrhunderts aus Nordamerika eingeschleppt – ist tagsüber hochaktiv. Zudem stellten Forscher fest, dass die europäischen Varianten größere Samen haben, erfolgreicher keimen und Frost besser vertragen.
. Eine einzige Ambrosia-Pflanze produziert bis zu 60 000 Samen, die bis zu 40 Jahre lang keimfähig bleiben. So kann sie bis zu einer Milliarde Pollen entwickeln, die sich mit dem Wind bis zu 100 Kilometer weit verbreiten. Sie keimt schon im April und kann bis zu 1,50 Meter groß werden. Checken Sie Ihren Garten (speziell rings ums Vogelhäuschen). Tragen Sie bei der Beseitigung Handschuhe (Kontaktallergie!), Mundschutz und Schutzbrille. Kontrollieren Sie die Stelle, ob nicht doch wieder Pflänzchen nachwachsen. Und: Kaufen Sie nur noch Vogelfutter ohne Ambrosia-Samen.
. Auch die Temperatur spielt beim Pollenflug eine Rolle. Wird es draußen warm, steigen die Pollen auf. In der Nacht sinken die Pollen zwar ab. Ihre Konzentration auf dem Boden nimmt dann aber zu. Morgens leiden Menschen darum manchmal stärker unter Heuschnupfensymptomen.
. Luftreiniger können helfen, Pollen aus der Raumluft zu filtern. Achten Sie jedoch auf die Zertifizierung und studieren Sie vorab Testberichte.
. Honig gilt im Volksmund als Geheimwaffe gegen Heuschnupfensymptome. Doch leider: Diese Wirkung konnte bislang nicht wirklich nachgewiesen werden. Im Rahmen einer Studie in den USA naschten die Teilnehmer täglich einen Esslöffel Honig. Am Ende kam heraus, dass keine der drei Testsorten (pasteurisierter Honig, nicht pasteurisierten Honig und eine Placebo-Honigsorte) die Symptome nennenswert verändert hatten.