München – Im Kampf gegen den Krebs gilt eine goldene Regel: Je früher er entdeckt wird, desto besser sind die Behandlungschancen. Dies bekommen insbesondere auch Patienten eingeschärft, die bereits an einem Tumor erkrankt waren. Denn sie haben selbst nach erfolgreicher Behandlung gerade in den ersten Jahren ein erhöhtes Risiko für einen wiederkehrenden Tumor, in der Fachsprache Rezidiv genannt.
Um einen solchen Krebsrückfall frühzeitig zu erkennen, müssen die Patienten zu regelmäßigen Kontrolluntersuchungen gehen – in der Regel nach einem speziellen Zeitschema im Abstand weniger Wochen oder Monate. Dabei setzen die Mediziner beispielsweise Ultraschalluntersuchungen, Computer- und Magnetresonanztomografien (CT/MRT) oder auch Biopsien ein. Bei Biopsien werden Gewebeproben entnommen und im Labor analysiert.
Tumor-DNA wird im Blut nachgewiesen
Nun arbeiten Wissenschaftler des LMU Klinikums gemeinsam mit englischen Kollegen aus Cambridge an einem neuen Frühwarnsystem, das wesentlich schneller Alarm schlagen soll als die herkömmlichen Verfahren. „Vereinfacht erklärt handelt es sich um einen speziellen DNA-Test, der das Erbgut des Tumors im Blut des Patienten erkennt – und zwar in vielen Fällen schon lange bevor das Rezidiv wieder etwa auf CT- oder MRT-Bildern sichtbar wird“, berichtet der Großhaderner HNO-Klinikdirektor Professor Martin Canis und erklärt den Hintergrund: „Wenn Tumorzellen zerfallen, geben sie Fragmente ihres Erbguts ins Blut ab. Kennt man den Tumor des Patienten bzw. dessen DNA, dann kann man in der Nachsorge gezielt nach solchen DNA-Resten suchen. Werden welche gefunden, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sich irgendwo ein verstecktes Rezidiv befindet.“
Die Genauigkeit des neuen Bluttests ist sehr hoch. Das hat sich bei einer Studie herauskristallisiert. Dabei analysierten die HNO-Spezialisten bei über 30 Patienten mit fortgeschrittenen Karzinomen im Bereich von Kopf und Hals (siehe Kasten) vor der OP das Blut. „Wir konnten in allen Fällen Fragmente der Tumor-DNA nachweisen und später in der Nachsorge gezielt danach suchen“, erläutert der Münchner Studienleiter und geschäftsführende Oberarzt Professor Philipp Baumeister.
In allen fünf Fällen mit einem positiven Testergebnis fand sich später tatsächlich wieder ein Tumor, in allen anderen Fällen wurden weder Tumor-DNA noch ein Rezidiv nachgewiesen.
Ergebnisse zeigen: Test sehr zuverlässig
Diese 100-prozentige Sensitivität löste bei den Wissenschaftlern Canis und Baumeister geradezu Begeisterung aus: „Die Studienergebnisse sind extrem vielversprechend. Der neue DNA-Test könnte zu einem echten Gamechanger werden.“ Das bedeutet: Er hat das Potenzial, die Krebsnachsorge zu revolutionieren und die Behandlungschancen für die Patienten massiv zu verbessern. So könnten beispielsweise schon viel früher als bislang Chemo- oder Immuntherapien eingesetzt werden, um den Krebs wieder zurückzudrängen. „In vielen Fällen lassen sich die dann noch kleineren Tumoren sanfter operativ entfernen bzw. Kollateralschäden am umliegenden Gewebe besser vermeiden“, erklärt Baumeister.
Hoffnung auch für andere Tumorarten
Auf der Basis der beeindruckenden Zwischenergebnisse, die bereits im renommierten Fachmagazin „British Journal of Cancer“ veröffentlicht worden sind, haben die LMU-Spezialisten die Studie ausgeweitet. „Noch können wir das Verfahren nicht in der regulären Patientenversorgung, sondern nur bei Studienteilnehmern einsetzen. Wenn sich das neue Verfahren weiterhin so bewährt, könnte es allerdings schon in einigen Jahren zum festen Bestandteil der Krebsnachsorge werden“, hofft Canis. Möglicherweise könnten ähnliche Bluttests auch bei anderen Krebsarten als hocheffektives Frühwarnsystem dienen.