von Redaktion

VON NICOLA FÖRG

Der Zuträger hat zu tun. Ab ins Körbchen, rein ins Abteil, wo die mit den Argusaugen sitzen. Wer jetzt nur Bahnhof versteht, muss sich nicht grämen. Das ist die ganz eigene Welt auf einer Ausstellung – einer, auf der Meerschweinchen präsentiert werden!

Der Zuträger bringt die Tiere zum Preisrichter, neben ihm sitzt der Schreiber und der notiert die Bewertungen. Dieses nette Tier bekommt für alle Kriterien ein „hv“ für hervorragend. Das ist in der Tat hervorragend, denn auf der Bewertungsskala der verbandseigenen Rassestandards gibt es „vorzüglich“, was fast nie vergeben wird, dann „hervorragend“ und dann noch „sehr gut“. Mit allen weiteren Bewertungen, die schlechter sind, hat man mit der Preisvergabe nichts mehr zu tun. Die Aussteller sind dennoch froh, wenn sie die Bewertungen der Unbestechlichen auf dem Kärtchen lesen.

„Das ist für sie Ansporn, etwas besser zu machen“, sagt Petra Gemeinhardt, Künstlerin in München und Meersau-Fan. Sie ist die erste Vorsitzende des Landesverbands Bayern der Meerschweinchenfreunde BD e.V. Der Verband vereint Züchter, Liebhaber und auch Notstationen. Wer bisher dachte, Meerschweinchen gäbe es halt in Glatthaar, Langhaar oder Rosette und die Farben seien Zufall, irrt gewaltig. Es gibt eine Züchterszene, die Wusler haben staatstragende Namen wie Tabasco v. Hacuna Matata, Farben wie Slateblue-Gold-Weiß – und die rege Züchterszene ist so stolz auf Pokale wie Hunde- oder Katzenzüchter. Oder die Kaninchenzüchter. Mit einem markanten Unterschied: Die bayerischen „Haserer“ sind mehrheitlich g’standene Mannsbilder in gesetztem Alter. Bei den Meersauen ist es „ein ziemlicher Weiberhaufen“, lacht Gemeinhardt und nennt einen weiteren Unterschied. „Der Hase steht, das Meerschwein sitzt.“

Wer jemals dem Spektakel einer Kaninchenzuchtschau beigewohnt hat, kennt es. Wenn sich der Rammler stolz aufrichtet, brüllt der Züchter entzückt: „Er zeigt sich!“ Bei der Meersau will man vor allem, dass das Tierchen „ein kurzer geblockter Typ“ ist. „Wie ein kleines Brot von oben“, sagt Gemeinhardt. Die Optik verändert sich. Vor einigen Jahren hatten Meerschweinchen eine spitze Schnauze, manchmal auch eine Taille, waren eher lang gestreckt. Heute ist eben „das Brot“ Zuchtziel; die Ohren sind schlapp, das Ärschlein rund wie die Nase, wobei die Nase aus Tierschutzgründen nicht zu kurz sein darf. „Es sollte Kondition haben, gesund sein, kein Fettsack und kein Hungerhaken.“ Wenn bei der Schau alle Rassen bewertet sind, gibt es je einen Rassesieger und aus den Tieren dann noch „Best in Show“. Wenn dann die Rede davon ist, dass diesmal die Strukturtiere die Nase vorne hatten, meint das Locken und Wirbel, die z. B. der US-Teddy hat.

Egal welches Tier, Zucht ist eine Sache von Wissen um Genetik, von Feingefühl und Vernunft. Bei Meerschweinchen sieht man Erfolge schneller, weil auch die Generationen kürzer sind. Was lange dauert, ist die Tragzeit von 68 Tagen. Nun gibt es genug Leute, die es etwas exaltiert finden, Meerschweinchen zu beurteilen: „Ist doch nur ein Meersau!“ Doch diesem Geist, dass die Tiere ja nicht viel gekostet haben und daher nicht so umsorgt werden brauchen, will eine Ausstellung entgegenwirken. Sie zeigt, wie ein gesundes, entspanntes Tier ausschauen muss. Auch eins ist klar: Man nimmt nicht eines schönen Tages sein Tier aus dem Gehege und fährt zur Ausstellung. Man liest die Ausschreibung und bereitet sein Tier vor. Nimmt es hoch, muss es lesen können. „Ein guter Züchter weiß auch, dass es Tiere gibt, die einfach nicht die psychische Stärke haben, auf eine Ausstellung zu gehen. Er sagt dann Nein“, erklärt Gemeinhardt.

Die Veterinär-Kontrollen sind streng, natürlich dürfen keine verletzten oder tragenden Tiere ausgestellt werden und auch keine Babys. Etwa drei Wochen vorher ist Meldeschluss, das Tier muss dann eine optimale Figur haben und kurz vor dem Tag X wird es nochmals gekämmt, die Krallen in Fasson gebracht. „Laufsteg“ sind Showboxen, die meisten Tiere liegen ausgestreckt drin und wirken eher gelangweilt. Es gibt den kurzen Ausflug zum Preisrichter und wenn man was gerissen hat, auf den Endtisch, wo die Besten der Besten ermittelt werden. Wo es überdies auch einen Preis nach „Liebhaber-Standard“ gibt. Den darf Gemeinhardt auch richten, sie har dafür eine Ausbildung im Bundesverband gemacht. Auch diese Tiere müssen topgesund sein, aber das sind eben solche darunter, die nicht zu 100 Prozent dem Rassestandard entsprechen. Oft sind das die lustigsten und pfiffigsten Tiere. Und auch Besucher dürfen ihre Lieblinge mitbringen. Das ist dann die offene Liebhaber Klasse oder „ein Beitrag zum Tierschutz. Die Leute bekommen wertvolle Tipps, werden drauf hingewiesen, dass ihr Willi eine Zahnfehlstellung hat oder Trixi echt mal mehr Bewegung oder Futterumstellung braucht.“ Kostet nichts, verbindet aber all jene, die den Knopfaugen aus Südamerika verfallen sind…

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