Bessere Medikamente gegen Asthma

von Redaktion

Biologika geben schwer betroffenen Patienten neue Hoffnung: So läuft die Behandlung ab

Von Andreas Beez

München – Diese Volkskrankheit raubt immer mehr Patienten den Atem: Allein in Deutschland leiden etwa sechs Millionen Menschen an Asthma bronchiale – einem chronischen Lungenleiden, das immer noch unterschätzt wird. Denn Asthma kann zu dramatischen Erstickungsanfällen führen und sogar tödlich enden. Die Zahl der Asthmatiker ist im Verlauf des neuen Jahrtausends stark angestiegen.

Aber es gibt auch eine ermutigende Entwicklung im Kampf gegen die tückische Atemwegserkrankung: Die Medizinforschung hat bei der Entwicklung neuer Therapien enorme Fortschritte gemacht.

So stehen inzwischen moderne Medikamente zur Verfügung, die Patienten mit einer häufigen Form von schwerem Asthma sehr gut helfen können. „Sie gehören zur Gruppe der Biologika. Diese Präparate auf der Basis von Antikörpern haben unsere Behandlungsmöglichkeiten regelrecht revolutioniert“, berichtet Professor Jürgen Behr. Der Chef der Lungenheilkunde im LMU Klinikum (Medizinische Klinik V) erklärt, wie die Mittel wirken und wer damit behandelt werden kann. Außerdem erzählt eine Asthmatikerin, wie ihr die Biologika viel Lebensqualität und Sicherheit im Alltag zurückgegeben haben.

Patientin (71) litt unter Erstickungsanfällen

Ihre lange Leidensgeschichte begann bereits vor etwa 20 Jahren, als sie sich immer mal wieder einen vermeintlich leichten Husten einhandelte. „Anfangs habe ich ihn nur im Winter gespürt, und er ist auch meistens recht schnell wieder weggegangen“, erinnert sich Marie-Luise Reichert (71) aus Deggendorf. Aber im Laufe der Jahre kam der Husten immer häufiger und heftiger zurück. „Ich hatte plötzlich nicht mehr nur im Winter Beschwerden, sondern das ganze Jahr über.“

Schließlich stellte ein Lungenfacharzt in Deggendorf die Diagnose Asthma – genauer gesagt eosinophiles Asthma. Bei dieser Unterart des Lungenleidens produziert der Körper eine zu große Anzahl bestimmter weißer Blutkörperchen. Der Überfluss dieser Abwehrzellen mit dem zungenbrecherischen Namen eosinophile Granulozyten verursacht Entzündungen der Atemwegsschleimhaut. Durch diese Kettenreaktion verschlechtert sich die Lungenfunktion rapide, der Patient muss stark husten, spürt ein bedrohliches Engegefühl in der Brust und bekommt schlecht Luft.

Patienten mit eosinophilem Asthma können dramatische Erstickungsanfälle erleiden. Solche Asthma-Albträume hat auch Marie-Luise Reichert oft erlebt. „Ich bin teilweise ohnmächtig geworden und einmal sogar mit dem Kopf auf dem Küchenfußboden aufgeschlagen.“ Um solche hochgefährlichen Situationen zu verhindern, verordneten ihr die Ärzte hochdosiertes Kortison. „Der Einsatz dieses Medikaments war bei Patienten mit schwerem eosinophilem Asthma bis zur Entwicklung der neuen Biologika praktisch alternativlos“, erinnert sich Lungenspezialist Behr. Das große Problem dabei: „Kortison kann zwar die Entzündungsprozesse hemmen, aber auch gefürchtete Nebenwirkungen verursachen – vor allem dann, wenn es in hoher Dosierung und auf Dauer eingesetzt wird. Dazu gehören Bluthochdruck, Osteoporose bis hin zu Knochenbrüchen, erhöhte Cholesterin- und Blutzuckerwerte, Schlafstörungen, Heißhungerattacken mit Gewichtszunahme sowie eine Verdünnung der Haut.“

Durch den Tipp eines Bekannten suchte Asthma-Patientin Reichert Rat im Münchner LMU Klinikum. Dort haben Lungenspezialisten auch die Entwicklung neuer Asthma-Medikamente über Jahre mit klinischen Studien begleitet. Bei Reichert schienen sogenannte Biologika Erfolg versprechend. Das sind biotechnologisch hergestellte Arzneimittel – in diesem Fall auf Antikörper-Basis. „Vereinfacht erklärt schalten diese Eiweiße spezielle Botenstoffe des Immunsystems aus und verhindern damit, dass bestimmte weiße Blutkörperchen die folgenschweren Entzündungsprozesse im Lungengewebe auslösen können“, erklärt Behr.

Diese Therapie kommt für etwa 600 000 Patienten infrage, die an schwerem eosinophilem Asthma leiden. So wie die Deggendorferin Reichert. Sie kann sich das Medikament sogar selbst verabreichen – mit Einwegspritzen, die Heparin-Injektionen nach Operationen oder Insulin-Pins für Diabetiker ähneln. „Ich spritze mir das Medikament alle acht Wochen mit einem kleinen Pieks in den Oberschenkel“, berichtet die Seniorin. Unterstützend nimmt sie noch täglich ein niedrig dosiertes Kortisonspray und ein Mittel, das ihre Atemwege erweitert. Diese Kombi-Therapie befreite sich von den bedrohlichen Ohnmachtsanfällen: „Ich bin nahezu beschwerdefrei und kann ein ganz normales Leben führen – so wie früher, als ich noch nicht mit Asthmaanfällen zu kämpfen hatte.“ Nebenwirkungen verspürt sie nicht.

Die meisten Patienten vertragen die Antikörper mit chemischen Bezeichnungen wie Mepolizumab (Handelsname Nucala) oder Benralizumab (Handelsname Fasenra) gut, es kann allerdings – wenn auch sehr selten – zu allergischen Reaktionen oder Begleiterscheinungen wie Kopfschmerzen kommen. „Unterm Strich wurden aber keine größeren Langzeitnebenwirkungen beobachtet, obwohl diese Biologika nun bereits seit einigen Jahren im Einsatz sind“, weiß Behr. Der einzige Haken: „Sie wirken sehr gut, aber sie heilen das Asthma nicht. Das bedeutet: Man kann sie nicht weglassen, sondern muss sie dauerhaft verabreichen, sonst kommt das Asthma zurück.“

Spezialisierte Zentren bieten neue Therapien

Obwohl der Nutzen der Biologika unbestritten ist, würden aber bei Weitem noch nicht alle Patienten mit solchen und ähnlichen modernen Medikamenten behandelt, kritisiert der Lungenspezialist des LMU Klinikums, das eine der größten Ambulanzen für Menschen mit schwerem eosinophilem Asthma in Deutschland beherbergt.

Behrs Tipp: „Generell gilt bei schwerem Asthma genau wie bei vielen anderen schweren Erkrankungen: Es ist sinnvoll, das Know-how von Experten in spezialisierten Zentren zu nutzen. Dort werden häufig im Rahmen von klinischen Studien auch neue Medikamente verabreicht, die noch nicht für den Praxisalltag zugelassen sind. Sie können eine zusätzliche Chance gerade für Patienten sein, die schwer unter ihren Erkrankungen leiden.“

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