Der Check für die Schilddrüse

von Redaktion

So erkennen Sie Knoten, Hormonprobleme und Funktionsstörungen der Leitzentrale des Körpers

VON SUSANNE SASSE

München/Starnberg – Sie frieren oft, leiden unter Antriebslosigkeit, haben stark zugenommen oder Schlafstörungen? Die Ursache kann die Schilddrüse sein, die ja die Hormone in unserem Körper reguliert und ausschüttet. Wenn hierbei etwas falsch läuft, dann leiden die Betroffenen oft unter verschiedenen Beschwerden – und häufig wird eben nicht zuerst an die Schilddrüse gedacht. Dabei kann diese tatsächlich die Ursache sein, erklärt Prof. Dr. Arnold Trupka, Chefarzt der Chirurgischen Klinik und Ärztlicher Direktor am Klinikum Starnberg.

„Etwa ein Drittel der Bevölkerung hat Probleme mit der Schilddrüse. Lassen auch Sie sich untersuchen, vom Hausarzt oder von einem Endokrinologen“, rät Prof. Trupka, der das zertifizierte Referenzzentrum für Schild- und Nebenschilddrüsenchirurgie in Starnberg, das einzige in Bayern, leitet. Eine Überfunktion oder auch eine Unterfunktion kommen häufig vor, zudem hat jeder Zweite über 50 Jahre Knoten in der Schilddrüse. Selbst wenn sich in einem Knoten ein bösartiger Tumor verbirgt, sind die Heilungschancen sehr gut: „Die allermeisten Patienten mit Schilddrüsenkrebs können heute geheilt werden“, sagt Prof. Trupka. Auch die Autoimmunerkrankung Hashimoto, an der zehn Prozent der Bevölkerung in Deutschland leiden, ist gut in Griff zu bekommen. Die wichtigsten Fakten zur Schilddrüse:

Jodmangel als Risiko für Schilddrüsenknoten

Der Körper braucht Jod, damit die Schilddrüse richtig arbeitet. Um Erkrankungen vorzubeugen, sollten Erwachsene zwischen 100 und 200 Mikrogramm (µg) Jod täglich zu sich nehmen, Schwangere und Stillende zwischen 230 und 260 µg pro Tag. Jodmangel ist der wichtigste Risikofaktor für Schilddrüsenwachstum und Knotenentstehung. Neben Jodsalz ist Jod auch in Brot enthalten, zudem in Milch, Milchprodukten sowie Seefisch und Meeresfrüchten. Übrigens: Rauchen schadet der Schilddrüse – der Rauch enthält Zyanid, das die Jodaufnahme in der Schilddrüse blockiert.

Vorsorge vor allem bei familiärer Veranlagung

„Besonders die, in deren Familie bereits Schilddrüsenknoten vorgekommen sind, sollten sich untersuchen lassen“, sagt Prof. Trupka. Übrigens: Die Knotenbildung nimmt mit dem Alter zu. Bei über 50-Jährigen können in bis zu 50 Prozent der Fälle Schilddrüsenknoten nachgewiesen werden. Frauen sind öfter betroffen, drei von vier Patienten sind weiblich, sagt Prof. Trupka. Vorsorge ist für jedermann wichtig: „Ab dem 40. Lebensjahr sollte man sich alle ein bis zwei Jahre untersuchen lassen, und auch schon Kinder und Jugendliche in Familien mit Schilddrüsenerkrankungen sollten sich ihre Schilddrüse im Rahmen einer Vorsorge anschauen lassen“, sagt Prof. Trupka.

Zahl der Operationen drastisch gesunken

Je besser die Jodversorgung, desto weniger Operationen. Während zu Beginn des Jahrtausendwechsels in Deutschland an der Schilddrüse noch über 120 000 Operationen pro Jahr durchgeführt wurden, sank die Anzahl bis zum Jahre 2019 auf nur noch 63 000 Operationen pro Jahr. Heute wird nur operiert, wenn es wirklich geboten ist – und das ist nur bei einem Bruchteil der Schilddrüsenknoten notwendig.

So machen sich Knoten eventuell bemerkbar

Die meisten Knoten bereitenkeine Beschwerden und sind klein, sie werden oft als Zufallsbefunde entdeckt, etwa bei Ultraschalluntersuchung des Halses, Ultraschalluntersuchung der Halsschlagader und Ähnlichem. Größere Knoten können sichtbar und tastbar werden. Bei großen Knoten oder multiplen Knoten in der Schilddrüse kann es zu lokalen Beschwerden, wie Druck am Hals, Engegefühl, Abneigung gegen Rollkragenpullover und Krawatten, Luftnot, Schluckstörungen und Heiserkeit kommen.

Diese Knoten sind gefährlich

Es gibt grob gesagt zwei Arten von Knoten: Warme und kalte. Warme Knoten, auch autonome Knoten genannt, können zur Entwicklung einer Schilddrüsenüberfunktion führen. Die typischen Anzeichen hierfür sind innere Unruhe, Zittern, schwitzige Hände, Herzrasen, Haarausfall, Gewichtsabnahme trotz Heißhunger und so weiter.

In seltenen Fällen liegt in einem sogenannten Kalten Knoten ein Schilddüsenkarzinom vor. Die Zahl der Neuerkrankungen liegt in Deutschland pro Jahr bei 6000. „Insofern sollte man Schilddrüsenknoten in jedem Fall abklären lassen, um so die wenigen Karzinome zu finden und operieren zu können“, sagt Prof. Trupka.

So wird untersucht und diagnostiziert

Jeder kann selbst Hand anlegen und den Hals abtasten oder ihn durch einen Arzt abtasten lassen. Weitere Untersuchungsmethoden sind:

.  Mit Hilfe der Ultraschalluntersuchung können mit modernen hochauflösenden Geräten, etwa einem Zehn-Megaherz-Schallkopf, Schilddrüsenknoten sehr gut beurteilt werden. Ein erfahrener Arzt kann anhand von Kriterien wie Unregelmäßigkeit des Knotens, Echoverhalten, Vorhandensein von Mikrokalk und Elastizität des Knotens das Risiko einer Krebsgefahr, auch Malignität genannt, einschätzen.

. Mit der Szintigraphie kann zwischen sogenannten Kalten und Warmen Knoten unterschieden werden. Während Warme Knoten fast ausnahmslos gutartig sind, verbergen sich die Karzinome in der Vielzahl der Kalten Knoten.

. Punktion des Knotens: Bei sonographisch verdächtigen Kalten Knoten sollte zur weiteren Abklärung eine Feinnadelpunktion des Knotens und mikroskopische Untersuchung der gewonnenen Zellen erfolgen. Bei verdächtigen Zellen erfolgt dann die Operation (z.B. Nachweis von Karzinomzellen oder Nachweis verdächtiger Zellen, wie z. B. follikuläre Neoplasie).

Operation von Schilddrüsenknoten

In diesen Fällen sollten Schilddrüsenknoten operiert werden:

. Wenn der Verdacht eines bösartigen Tumors besteht, etwa auch bei erhöhtem Tumormarker Calcitonin.

. Wenn der Knoten schnell wächst oder zu Beschwerden führt.

. Wenn gleichzeitig Kalte und Warme Knoten gefunden werden.

. Bei multiplen Knoten mit lokalen Beschwerden am Hals (Engegefühl, Luftnot, Schluckstörungen, Heiserkeit etc.).

. Bei Ausdehnung der Knoten hinter das Brustbein, weil dann eine Kontrolle per Ultraschall nicht ausreichend gut möglich ist

. Bei Überfunktionszuständen der Schilddrüse kann neben der Operation auch eine Radiotherapie durchgeführt werden. „In so einem Fall bespricht der Arzt mit dem Patienten die Vor- und Nachteile beider Methoden, um so die geeignete Therapie zu finden“, erklärt Prof. Trupka.

Schutz der Stimmnerven

In erfahrenen Schilddrüsenzentren kann die Entfernung der Schilddrüsenknoten bzw. einer Schilddrüsenhälfte oder auch der gesamten Schilddrüse heute im Rahmen eines kurzen stationären Aufenthaltes von zwei bis drei Tagen mit sehr hoher Sicherheit und kosmetisch hervorragendem Ergebnis durchgeführt werden. Während der Operation wird mit Hilfe von Lupenbrille und interoperativem Neuromonitoring der Stimmbandnerv identifiziert und besonders geschont, um eine postoperative Heiserkeit zu vermeiden. Ebenso müssen die Nebenschilddrüsen, die für den Kalziumstoffwechsel zuständig sind, während der Operation dargestellt und gut durchblutet erhalten werden, da sonst eine postoperative Kalziumeinnahme erforderlich wird.

Im Falle eines Karzinoms ist meistens die vollständige Entfernung der Schilddrüse und gegebenenfalls auch die Entfernung der benachbarten Lymphknoten erforderlich. Die häufigsten Typen des Schilddrüsenkarzinoms erfordern dann eine postoperative Radiojodtherapie. Durch die Kombination der Operation mit der Radiojodtherapie haben diese Karzinome eine sehr gute Prognose, sagt Professor Trupka: „Die Heilung gelingt in mehr als 90 Prozent der Fälle.“

Hashimoto als häufige Autoimmunkrankheit

Hashimoto bleibt oft lange unentdeckt. Bei der Krankheit ist die Schilddrüse chronisch entzündet, verursacht durch eine Fehlreaktion des körpereigenen Immunsystems. Häufig leiden die Betroffenen noch an anderen Autoimmunerkrankungen wie etwa Typ-1-Diabetes. Die Krankheit ist schwer zu diagnostizieren, da die Schilddrüsenhormone viele Körperfunktionen steuern.

Aufschluss geben Bluttest und Ultraschalluntersuchung. Bei der Therapie werden fehlende Hormone durch L-Thyroxin ersetzt, um so die Symptome zu lindern.

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