Münchner Ärzte wollen Jegors (10) Auge retten

von Redaktion

Flüchtlingskind wird im Klinikum rechts der Isar operiert – Familie sucht dringend eine Wohnung

VON DORITA PLANGE

Als die Raketeneinschläge näher kamen und die Sirenen die Familie Tag und Nacht wieder und wieder in den Keller trieben, trafen die Eltern Alena (46) und Valeriy Alimov (52) die wahrscheinlich schwerste Entscheidung ihres Lebens. Am 13. März stieg Mutter Alena Alimova mit ihren Söhnen Jegor (10) und Gleb (13) am Bahnhof von Dnipro in der Zentralukraine in einen Zug, um dem Krieg zu entkommen. Ein trauriger Abschied vom Vater. Und eine glückliche Fügung zugleich für Jegor, dem Spezialisten der Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde im Münchner Universitätsklinikum rechts der Isar in wenigen Tagen mit einer Operation das rechte Auge retten wollen.

Die Stadt Dnipro ist mit einer Million Einwohner nach Kiew, Charkiw und Odessa die viertgrößte Stadt des Landes. Ein wichtiger Finanz- und Industrie- und Armeestandort – und die Heimat der Familie Alimov. Mutter Alena ist Schneiderin, die auf Bestellung nähte. Ihr Mann arbeitet in einem Hotel, in dem zurzeit die vielen Obdachlosen versorgt werden.

Im Jahr 2017 – Jegor war damals fünf Jahre alt – traf ein Schicksalsschlag die Familie. Ein Nachbarskind spielte mit Pfeil und Bogen. Ein Pfeil durchbohrte Jegors rechtes Auge. „Unser Leben stand kopf“, erzählt Alena. Freunde, Verwandte und Nachbarn sammelten Geld, auch die Zeitung berichtete über das Unglück. Mit Spenden konnten die Eltern mehrere notwendige Operationen, darunter die komplizierte Vitrektomie (Entfernung des Glaskörpers) bezahlen. Die Sehkraft des Auges ist allerdings derzeit stark eingeschränkt.

Im März hätte Jegor erneut operiert werden sollen. Eine in der ersten Operation eingesetzte Silikontamponade, die die Netzhaut stabilisiert, muss nun ausgetauscht werden. Doch dann brach der Krieg aus: „Die Klinik nahm nur noch Verwundete auf und unser Termin wurde abgesagt.“ Auch dem großen Bruder Gleb ging es schlecht: „Er leidet unter Asthma. Während der Bombenangriffe im Keller hatte er mehrere schwere Anfälle und bekam kaum noch Luft.“

Am 13. März nahmen Mutter und Kinder unter Tränen Abschied vom Vater: „Wir fuhren in Zügen über Helm/Polen und Berlin nach München.“ Am 16. März kamen die Alimovs erschöpft am Münchner Hauptbahnhof an. „Ein Bus brachte uns ins Flüchtlingszentrum Riem.“ Dort lebt die Familie jetzt mit 2100 anderen Flüchtlingen unter einfachsten Umständen in einer riesigen Messehalle. Es ist laut dort. Aus Sicherheitsgründen brennt das Licht – zwar gedimmt – auch nachts. Leider wird auch gestohlen. Alena ist dennoch dankbar: „Wir dürfen in Frieden leben. Die Kinder sind in Sicherheit. Und wir haben neue Freunde gefunden unter unseren Landsleuten.“

Am 21. März erreichte ein Schreiben des Vaters die Redaktion unserer Zeitung, in dem er dringend um ärztliche Hilfe für Jegor bat. Er schrieb in seiner E-Mail: „Wir bitten um Hilfe, um das Auge unseres kleinen Jegor zu retten und die von ukrainischen Ärzten begonnene Behandlung abzuschließen. Die deutschen Chirurgen werden Jegor sicherlich helfen können und er wird mit seinem gut versorgten Auge nach Hause in die Ukraine zurückkehren können.“ Im Klinikum rechts der Isar reagierten die Ärzte sofort: Jegor hat die ersten Voruntersuchungen schon geschafft. Der Innendruck des rechten Auges ist bereits deutlich zu hoch und die OP zeitnah erforderlich. Der wahre Zustand des Auges wird sich erst während der OP am 13. April zeigen. Schon am 15. April soll Jegor wieder entlassen werden. Bis dahin hat Alena nur einen Wunsch: „Eine kleine Wohnung oder ein Zimmer für uns. Ich habe Angst um Jegors frisch operiertes Auge, das sich nicht entzünden darf.“ Denn nicht nur Lärm und Licht, auch die hygienischen Zustände sind angesichts des Ansturms so vieler Menschen im Flüchtlingszentrum oft schwierig.

Über ihre Handys sind Alena und ihr Mann im ständigen Kontakt. Die grauenhaften Bilder aus der zerstörten Heimat, die Angst um ihren Mann belastet Alena schwer. „Unser Haus steht noch. Ich hoffe, dass es erhalten bleibt, damit es einen Ort gibt, an den wir zurückkehren können. So schnell wie möglich.“

Artikel 3 von 7