München – Schon als junger Bursche hat Hermann Pletzenauer seine Liebe zum Klettern entdeckt, ein Leben lang tankte der 73-Jährige Münchner dabei Kraft und positive Energie. In seinem Tourenbuch stehen Klassiker wie der Biancograt zum Piz Bernina oder die Fleischbank im Wilden Kaiser. Auch heute noch meistert er in der Kletterhalle Routen im siebten Schwierigkeitsgrad. Doch das ist nicht selbstverständlich: Nach einer schweren Gelenkinfektion drohten ihm bleibende Schäden. Doch Spezialisten des Uniklinikums rechts der Isar gelang es, sein Bein zu retten. Dank einer neuen Hüfte klettert Pletzenauer wieder so gut wie vor der Erkrankung. Davon konnte sich sein Operateur Prof. Rüdiger von Eisenhart-Rothe (50) persönlich überzeugen – bei einer Privatführung im Kletterzentrum in Thalkirchen: „Die Geschichte von Herrn Pletzenauer zeigt, dass die moderne Endoprothetik auch in schwierigen Fällen oftmals sehr viel Lebensqualität zurückbringen kann.“ In unserer Zeitung erzählen der Arzt und sein Patient, wie es mit künstlichen Gelenken wieder bergauf geht.
Spezielle Behandlung nach Protheseninfekt
In der senkrechten Wand sitzt jeder Handgriff, seine Bewegungen wirken sicher, wie aus einem Guss. „Ich habe durch meine Hüfte keinerlei Einschränkungen mehr“, erzählt Hermann Pletzenauer, während er seinen heutigen Kletterpartner Rüdiger von Eisenhart-Rothe anseilt. Als sich die beiden Männer zum ersten Mal trafen, waren solche Kraxeleien für den Patienten gefühlt weiter weg als der Olympiaberg vom Mount Everest. Damals saß Pletzenauer mit einem schweren Protheseninfekt in von Eisenhart-Rothes Sprechstunde. An seinem künstlichen Hüftgelenk hatten sich Bakterien angesiedelt – eine seltene, aber ernste Komplikation. Die Spezialisten des Endoprothesenzentrums im Uniklinikum rechts der Isar sind auf die Behandlung solcher Infekte spezialisiert. Wenn die Patienten frühzeitig kommen, versuchen die Endoprothetiker erst mal, den Infekt mit einem vergleichsweise sanften Eingriff zu behandeln. Dazu tauschen sie in einer OP nur die beweglichen Teile der Prothese aus, im Falle des Hüftgelenks den Kugelkopf des Oberschenkelimplantats und das Inlay (Gleitlager) der Hüftpfanne. Zudem wird das gesamte Gelenk gesäubert und mit einer antibakteriellen Flüssigkeit gespült. „Diese Strategie zeigt bei einem akuten Infekt in Kombination mit der Verabreichung von Antibiotika in etwa 70 Prozent der Fälle Wirkung“, berichtet von Eisenhart-Rothe. Die Crux dabei: Nur in den ersten zwei bis drei Wochen nach Beginn der Symptome besteht eine realistische Chance, den Infekt mit einer einzigen OP in den Griff zu bekommen. Doch Pletzenauer, der bereits 2012 und 2016 in anderen Kliniken zwei neue Hüftgelenke erhalten hatte, scheute zunächst eine dritte Hüft-OP. „Im Nachhinein war das ein Riesenfehler“, resümiert der ehemalige Lehrer am St.-Anna-Gynasium im Lehel. Später bekam er nämlich Fieberschübe, die Schmerzen wurden immer schlimmer. So landete Pletzenauer am Ende gleich zweimal unterm Messer. In einem ersten Eingriff wurde das infizierte Kunstgelenk ausgebaut und ein Spacer eingesetzt. Das ist eine Art Platzhalter, der so lange in der Hüfte verbleibt, bis auch alle Bakterien beseitigt sind. „In meinem Fall war der Eingriff besonders heikel, weil bereits Gewebe im Oberschenkel bis zum Knie stark angegriffen war, es hatten sich mehrere Abszesse gebildet.“ Doch dank der Entfernung der Prothese und einer Intensivbehandlung mit Medikamenten heilten die Entzündungen ab. Nach einigen Wochen konnte von Eisenhart-Rothe in einer schwierigen zweiten OP ein neues Kunstgelenk einsetzen.
Der erfolgreiche Weg zurück ins „alte Leben“
Dann begann Pletzenauers langer Weg zurück in sein früheres Leben. Er machte eine stationäre Reha, danach viel Physiotherapie. „Ich musste erst wieder laufen lernen, bin über Wochen jeden Tag mit Walking-Stöcken trainieren gegangen. Anfangs war ich verunsichert und befürchtete, dass ich vielleicht nie mehr richtig laufen kann.“ Doch mit jedem Schritt ging es jeden Tag dann ein kleines bisschen besser. Außerdem strampelte Pletzenauer 3500 Kilometer auf dem Radel, um seine Muskulatur wieder in Schuss zu bringen.
Seine Disziplin zahlte sich aus. Nach etwa einem halben Jahr wagte sich der gebürtige Chiemgauer erstmals wieder in die Kletterhalle. Einige Monate später schickte er seinem Arzt Fotos mit der dankbaren Nachricht, dass beim Klettern alles wieder prima klappt. „Fast ein bisschen zu gut“, kommentiert von Eisenhart-Rothe bei ihrer gemeinsamen Tour schmunzelnd. „So fit wäre ich auch gerne, ich komme ihm ja kaum hinterher …“