Smartwatches für Herzpatienten

von Redaktion

VON THOMAS MEINERTZ

Frankfurt – Eine Smartwatch ist eine besondere Form eines sogenannten Wearable – quasi ein elektronischer Mess-Allrounder für das Handgelenk. Seit die ersten Smartwatches vor rund zehn Jahren auf den Markt kamen, hat sich viel getan. Längst bieten sie viel mehr als nur eine erweiterte Zeitanzeige: Man kann mit ihnen telefonieren, E-Mails und den Wetterbericht empfangen. Sie können rechnen und Terminplaner sind sie auch. Je nach Hersteller erfassen sie Gesundheitsdaten bzw. medizinische Messwerte wie Schrittmessung, Kalorienverbrauch und Schlafprofil-Erstellung. Zudem erfassen sie Puls- und Blutsauerstoffmessung bis hin zum Erstellen eines einfachen EKG inklusive Warnfunktion für Vorhofflimmern. Einige können sogar den Blutdruck messen und womöglich bald sogar den Blutzucker – ganz ohne Blutstropfen.

In Deutschland wurden allein in den Jahren 2018 bis 2020 rund 8,3 Millionen der elektronischen Hilfsmittel fürs Handgelenk verkauft. Gerade Herzpatienten verknüpfen mit dem Kauf einer solchen digitalen schlauen Uhr den Wunsch, dass sich anhand der Messungen kritische Herzsituationen, vor allem Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern, frühzeitig erkennen lassen.

Sichere Warnung vor Vorhofflimmern?

Smartwatches entwickeln sich tatsächlich zunehmend in Richtung kleiner medizinischer Diagnosegeräte. Einige wurden als Medizinprodukt zertifiziert. Sie können einen Arztbesuch und die bisherigen Verfahren zu Diagnose und Therapiekontrolle bei Herzerkrankungen nicht ersetzen, aber meiner Einschätzung nach durchaus ergänzen.

So funktioniert die Herzüberwachung

Eine Smartwatch, die den Puls bzw. die Herzrate kontrolliert, nutzt dazu meist die sogenannte Photoplethysmographie (PPG). Bei diesem Verfahren zur optischen Messung wird die Blutmenge, die am Handgelenk vorbeifließt, anhand der Reflexion von ausgesendeten Infrarotstrahlen gemessen. Denn das Hämoglobin, das für die rote Farbe unseres Blutes sorgt, absorbiert besonders gut einen Teil des Infrarotlichtspektrums.

Nimmt z. B. die Blutmenge während der Systole zu, wird die Absorption des Infrarotlichts größer und die Reflexion nimmt ab. Das gemessene reflektierte Licht wird rechnerisch in eine Pulswelle umgewandelt. Über die Pulswellenanalyse lassen sich Herzfrequenz und eine eventuelle Rhythmusstörung ermitteln sowie der zentrale Blutdruck berechnen.

So funktionieren die Messsensoren

Die notwendigen Messsensoren sitzen an der Unterseite der Smartwatch. Das Gerät errechnet aus den Messdaten, wie oft das Herz schlägt und ob Unregelmäßigkeiten vorliegen. Die Zuverlässigkeit der Handgelenkgeräte für diese Messungen wird mit über 90 Prozent angegeben und entspricht damit der Messgenauigkeit wie bei der Messung mit einem Brustgurt. Wichtig bei einer Handgelenkmessung ist, dass das Handgelenk und die Sensoren sauber sind und die Uhr ausreichend dicht an der Haut anliegt. Für das Erstellen eines EKG per Smartwatch wird wiederum der elektrische Impuls genutzt, der jeden Herzschlag auslöst. Für die Messung tragen Anwender die Uhr am Handgelenk und berühren mit einem beliebigen Finger der anderen Hand einen dafür vorgesehenen Sensor (meist am Uhrenrand). Der Messvorgang dauert ca. 30 Sekunden und sollte am besten in Ruhe durchgeführt werden. Es entsteht so ein 1-Kanal-EKG, das Herzrhythmusstörungen zumindest deutlicher als bei einer reinen Pulskontrolle feststellen kann.

Zu den Herstellern, die Pulsmessung und EKG-Funktion inklusive einer Herzrhythmusprognose per Smartwatch anbieten, gehören neben Apple (Apple Watch ab Series 4) und Samsung (z.B. Galaxy Watch) u.a. auch die französische Firma Withings (ScanWatch) und das US-Unternehmen Fitbit (Fitbit Sense). Daneben gibt es auch Anbieter, die ein Daumen-/Finger-EKG ableiten und auf eine App übertragen.

Blutdruckmessung als neue Funktion

Seit dem letzten Sommer wartet Samsung auch mit einer Blutdruckmess-Funktion seiner Smartwatch (Galaxy 3) auf. Voraussetzung ist allerdings – ebenso wie für die EKG-Funktion –, dass der Nutzer ein Samsung Smartphone mit einem Betriebssystem ab Android 7 besitzt und eine entsprechende App (Health Monitor) installiert, die Handy und Smartwatch miteinander verbindet. Für das Einrichten der Apple Watch ist ein iPhone ab Generation 6s nötig.

Die Stiftung Warentest bestätigt der Uhr eine exakte Messung – allerdings nur, wenn der Anwender sich genau an die Vorgaben hält. Kaffeekonsum oder Sport vor dem Messen können die Werte verfälschen.

Bereits zuvor hat der taiwanesische Hersteller ASUS seinen Fitnesstracker VivoWatch BP entwickelt, der außer der Blutdruckmessfunktion auch mit Sensoren zur Herzfrequenzbestimmung aufwartet. Mit einer klinisch validierten Blutdruckmessung in Form einer Armbanduhr wirbt zudem das japanische Unternehmen Omron. Der Fitnesstracker HeartGuide soll ebenfalls unregelmäßige Herzschläge erkennen können.

Grenzen der Messung per Smartwatch

Viele Herzrhythmusstörungen verlaufen asymptomatisch. Das gilt vor allem für das Vorhofflimmern. Gerade die frühe und korrekte Aufzeichnung – und damit auch Diagnose – dieser kardialen Arrhythmie ist jedoch wichtig, um die geeigneten therapeutischen Maßnahmen zu ergreifen und Folgeschäden wie einen Schlaganfall zu vermeiden. Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologe hat daher in einem Positionspapier vor Kurzem Stellung zum Nutzen von Wearables bei Arrhythmien genommen. Darin wird auch auf die in Studien ermittelte hohe Treffsicherheit einer Vorhofflimmerepisode verwiesen: „Wearables sind potenziell in der Lage, die diagnostische Lücke zu schließen, die das konventionelle EKG-basierte Screening hinterlässt.“ Und: „Die aktuelle Datenlage zeigt, dass Wearables prinzipiell zum Vorhofflimmerscreening eingesetzt werden können.“ Aber ebenso heißt es: „Eine definitive Vorhofflimmerdiagnostik mittels PPG (optischen Sensoren) ist derzeit nicht möglich. Heißt: Eine Bestätigung per EKG wird als erforderlich angesehen. Im Fall einer EKG-basierten Dokumentation einer Rhythmusstörung per Smartwatch sehen Experten immerhin eine Möglichkeit, diese zur weiterführenden Diagnostik und Therapie einzusetzen. Generell wird jedoch betont, dass der Nutzen über die Diagnose hinaus noch nicht gezeigt werden konnte.

Smartwatch auch als Kassenleistung

Wie sich die Funktionen der Smartwatches weiter entwickeln, bleibt abzuwarten. In den nächsten Jahren ist sicherlich mit vielen Neuerungen und weiteren Untersuchungsfunktionen zu rechnen. Am 1. Januar 2020 ist das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) in Kraft getreten. Es sieht vor, dass künftig auch Gesundheits-Apps eine Leistung der Krankenkassen werden können. Bis März 2021 ist allerdings noch keine dieser Apps zur Arrhythmiediagnostik in das Verzeichnis aufgenommen worden. Bislang sind die Smartwatches daher noch nicht Teil der Regelleistungen. Patienten, die die beliebten Wearables nutzen möchten, müssen die Kosten von mehreren hundert Euro vorerst also noch aus eigener Tasche bezahlen.

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