Schlimme Folgen einer Verletzung am Auge

von Redaktion

Münchner Ärzte vom Klinikum rechts der Isar helfen dem ukrainischem Buben Jegor (11)

VON DORITA PLANGE

München – Es war eine Operation der Überraschungen. Eine Situation, wie sie der Augenarzt und Chirurg Dr. Matthias Klopfer – seit über 20 Jahren Oberarzt der Kinder- und Neuroophtalmologie im Universitätsklinikum rechts der Isar – in seiner langen Karriere selten gesehen hat bei einem elfjährigen Kind. Vor fünf Jahren durchbohrte ein Pfeil Jegors rechtes Auge – ein tragischer Unfall im Spiel mit anderen Kindern.

Viele Menschen in seiner Heimatstadt Dnipro in der Zentralukraine spendeten damals, damit die Eltern die teure OP bezahlen konnten. Vitrektomie heißt dieses Verfahren, bei dem eine Tamponade aus Silikonöl die verletzte Netzhaut stabilisiert. Im Februar sollte die überfällige Folge-OP stattfinden. Der Kriegsausbruch machte alle Pläne zunichte.

Am 13. April wurde Jegor nun im Universitäts-Klinikum rechts der Isar operiert. Gleich an der Eintrittsstelle des Pfeils zeigte sich das erste Problem: Die Lederhaut war an dieser Stelle sehr dünn und vorgewölbt wie eine Blase. Die zweite schlechte Nachricht: „An der Rückseite des Auges hat der Pfeil ausgerechnet die Stelle des scharfen Sehens getroffen. Sie war vernarbt. Das schränkt die Sehleistung massiv ein. Da kann man leider nichts mehr verbessern“, so Dr. Klopfer.

Auch die bereits in der Ukraine eingesetzte Kunstlinse („Sehr gut gemacht“) wackelt ein wenig. Denn der Pfeil hatte auch Jegors Linse samt Aufhängung verletzt. Das größte Problem war jedoch das Silikonöl, das zunächst erfolgreich die Netzhaut stabilisiert hatte. Im Laufe der Zeit jedoch schäumte das Öl auf. Im OP-Bericht verzeichnete Dr. Klopfer „Myriaden von Bläschen“. Ein gefährlicher Schaum, der die natürlichen Abflusswege des sich ständig neu bildenden Kammerwassers blockierte. „Darum stieg Jegors Augendruck gefährlich an. Das schädigt auf Dauer den Sehnerv.“ Diese Erkrankung hat einen Namen, ist aber eher den Älteren ein Begriff: Glaukom, auch Grüner Star genannt.

Mit intensiven Spülungen und der nicht ganz ungefährlichen Entfernung einer störenden Membran hinter der Kunstlinse verschaffte sich der Spezialist schließlich Einblicke in den Augenhintergrund und die leicht abgelöste Netzhaut, die mit dem Laser wieder angelegt wurde. „Die Netzhaut darf sich nicht weiter ablösen. Deshalb haben wir uns entschieden, noch einmal neues Öl einzufüllen.“ Innerhalb der nächsten Monate muss das Öl zwingend wieder entfernt werden. Bis dahin wird Jegors Augendruck gut überwacht.

Ein kleiner Hoffnungsschimmer: Vor der OP sah Jegor nur Licht. Mittlerweile kann er Handbewegungen erkennen. Allzu großen Optimismus muss Dr. Klopfer dämpfen: „Wir dürfen keine größere Sehverbesserung erwarten. Jegor wird nie scharf sehen können. Aber wir wollen ihm den Augapfel erhalten. Und haben die Hoffnung, dass ihm die restliche Netzhaut ein Gesichtsfeld ermöglicht, in dem ihm immerhin eine räumliche Orientierung möglich sein wird.“ Denn: „Wir müssen bedenken, dass seinem gesunden Auge im Laufe des Lebens etwas zustoßen könnte. Ohne Orientierung wäre er dann hilflos.“

Ganz am Ende der Behandlung wird noch eine kleine, ambulante Schiel-Korrektur folgen. Und dann haben sie es alle zusammen geschafft – Jegor, seine Familie und die Ärzte und Pflegekräfte im Klinikum rechts der Isar, die den tapferen kleinen Buben aus der Ukraine mittlerweile sehr ins Herz geschlossen haben.

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