München – So viele Wochen und Monate hatte Alena Alimova (46) auf genau diesen Moment gewartet. Hatte die Strapazen der Flucht aus der Ukraine auf sich genommen. Die Angst um ihren zurückgebliebenen Ehemann Valeriy Alimov (52), die Heimat, die Freunde und ihr Zuhause für sich behalten. Und all ihre Kraft darauf verwendet, sich und ihre Söhne Jegor (11) und Gleb (13) in Sicherheit zu bringen. Mithilfe des Direktoriums und der Ärzte der Augenklinik in der Universitätsklinik rechts der Isar ging der größte Wunsch der Eltern in Erfüllung: Kurz vor Ostern erhielt Sohn Jegor dort seine dringend notwendige, komplizierte Augen-OP (siehe Bericht oben).
Als Jegor am 13. April kurz vor 12 Uhr mittags in den OP geschoben wurde, brachen bei Alena alle Dämme. Als ob in diesem Moment eine viel zu schwere Last von ihr abgefallen wäre. Später dann saß sie im Klinik-Café, blinzelte mit feuchten Augen in die Frühlingssonne und sprach – schon wieder lächelnd – ihren ersten deutschen Satz: „Alles wird gut.“
Genau einen Monat zuvor – am 13. März – waren die Mutter und ihre Söhne aus der Zentralukraine mit dem Zug über Polen und Berlin nach München geflohen. Am 16. März kamen sie hier an: „Es war der Wunsch meines Mannes gewesen. Er wollte uns in Sicherheit wissen.“ Er betreut seit Beginn des Krieges in einem Hotel obdachlos gewordene Flüchtlinge, die sich aus den bombardierten Städten und Dörfern im Osten gerettet haben.
Dnipro ist die Heimatstadt der Familie – eine Finanz- und Industriemetropole und noch dazu Armeestandort, in der es ebenfalls Raketenangriffe gab und immer wieder gibt. In seiner Not schrieb Vater Valeriy Alimov einen Hilferuf an unsere Zeitung, in dem er um medizinische Hilfe für seinen „Jegorka“, wie er seinen Jüngsten zärtlich nennt, bat. Die Redaktion leitete seinen Brief weiter an die Augenklinik im rechts der Isar. So rollte – völlig unbürokratisch – die große Welle der Hilfsbereitschaft für die Familie an. Ein besonders schönes Beispiel – stellvertretend für viele spontane Hilfsaktionen von Privat- und Geschäftsleuten und auch Ärzten, die in dieser unruhigen Zeit ihre Herzen und Türen weit öffnen für Menschen in Not. Viele Leser unserer Zeitung boten den Alimovs nach dem ersten Bericht vom 6. April Obdach und Hilfe an. Unter ihnen auch eine Münchner Familie – Ehepaar mit zwei Söhnen, fast im gleichen Alter wie Jegor und Gleb.
Mittlerweile hat sich die Familie mithilfe ihrer Gastfamilie schon eingelebt. Ämtergänge, Schnelltests, Klinikbesuche, Tram- und U-Bahn fahren, einkaufen, sich ständig neu orientieren – schwierig für viele Ukrainer, die das kyrillische Schriftbild verwenden. Mittlerweile fahren Jegor und Gleb täglich mit dem Bus zum Schulunterricht nach Fürstenried. Und auch Alena – von Beruf Schneiderin – hat schon ihren Integrationskurs gebucht: „Ich möchte schnell Deutsch lernen, arbeiten und eventuell die Altenpflege erlernen.“
Nahezu täglich telefonieren Mutter und Söhne mit Vater Valeriy Alimov, der daheim die Stellung hält. Ihr Wiedersehen steht in den Sternen. Alena: „Wir beten, dass unser Haus stehen bleibt, damit wir einen Ort haben, an den wir eines Tages zurückkehren können.“ Immerhin: Die Kraniche sind schon zurückgekehrt in die Wiesen um Dnipro: „Ein Zeichen der Hoffnung, auch für uns.“ DORITA PLANGE