Gelenk-Operation ja oder nein?

von Redaktion

VON ANDREAS BEEZ

München – In der modernen Spitzenmedizin spielt Spezialisierung eine Schlüsselrolle. So sollte man sich – bei planbaren Eingriffen – von einem Mediziner operieren lassen, der nachweislich über viel Erfahrung mit der jeweiligen OP verfügt und sie zudem regelmäßig durchführt. Und zwar in einer Klinik, die ebenfalls auf diesen Eingriff spezialisiert ist. So zeigen beispielsweise Studien zum Thema Gelenkersatz, dass eine Klinik mit mehr als 50 Prothesen und einem Operateur, der mehr als 50 Prothesen im Jahr einsetzt, eine geringere Komplikationsrate hat.

Solche Fallzahlen werden auch in der OCM Orthopädische Chirurgie München erreicht und oftmals übertroffen, da deren Ärzte jährlich jeweils hunderte Eingriffe an Gelenken vornehmen. Heuer ist in der OCM der 400 000. Patient behandelt worden. Trotzdem raten die Experten längst nicht immer sofort zur OP. „Entscheidend ist, dass die Indikation stimmt – das bedeutet, dass sich das Problem nicht durch eine konservative Therapie beheben lässt oder dass durch eine OP ein besseres Behandlungsergebnis erreicht werden kann“, erklärt Prof. Martin Jung, Ärztlicher Direktor der OCM. Gemeinsam mit einigen Kollegen beantwortet er häufige Patientenfragen.

Muss ich einen Kreuz- bandriss unbedingt operieren lassen?

Dr. Köhne: „Das lässt sich pauschal schwer beantworten, es gibt allerdings oft gute Gründe, die für eine OP sprechen. So sollten jüngere Patienten mit einem höheren sportlichen Anspruch und einem Gefühl der Instabilität im Knie eher operiert werden. Auch bei schweren Begleitverletzungen wie Meniskusschäden oder Knorpelverletzungen ist eine Operation sinnvoll. Aber zunächst sollte man sich nicht unter Zeitdruck setzen lassen. Es gibt nur ganz wenige Notfälle am Knie wie einen Knochenbruch, ein abgelöstes Knochenfragment oder einen eingeklemmten Meniskus, die innerhalb weniger Tage operiert werden müssen. In den meisten Fällen kommt es auf die eine oder andere Woche Warten nicht an – im Gegenteil: Bei Kreuzbandverletzungen ist in 70 Prozent der Fälle eine sofortige OP nicht nötig. Sie kann in manchen Fällen sogar eher schaden.“

Was sollte ich tun, wenn mein Knie immer mal wieder blockiert?

Prof. Mirco Herbort: „Wiederkehrende Schmerzen, die durch bestimmte Bewegungen ausgelöst werden, können auf einen Meniskusriss hinweisen. Wenn das Knie immer wieder blockiert und man es nicht vollständig beugen oder strecken kann, sollte man einen Spezialisten aufsuchen und eine MRT erstellen lassen. Manche Meniskusrisse heilen von allein, aber je nach Form und Ausmaß kann eine OP sinnvoll sein, um größere Schäden im Kniegelenk abzuwenden. “

Mein Meniskusriss scheint verschleißbedingt zu sein. Was raten Sie mir?

Prof. Philipp Niemeyer: Degenerative, also verschleißbedingte Risse ohne echtes Unfallereignis kommen sehr häufig vor und können zu ganz unterschiedlichen Beschwerden führen. Hier kann man in der Regel abwarten und sich zunächst mit Physiotherapie behandeln lassen. Ist diese nicht erfolgreich, sollte man aber eine Operation ins Auge fassen. Ausschlaggebend sind immer die individuellen Beschwerden.“

Bei mir wurde ein Knorpelschaden am Knie festgestellt: Muss ich sofort mit einer Therapie beginnen?

Prof. Niemeyer: „Knorpelschäden führen häufig zu belastungsabhängigen Beschwerden und Gelenkschwellungen. Wenn sie voranschreiten, kann dies die Entwicklung einer Arthrose begünstigen. In frühen Stadien können wir Knorpelschäden heute mit modernen Methoden sehr gut behandeln. Dabei steht dann nicht nur die Behandlung des Defekts, sondern vor allem auch eine Ursachenanalyse im Vordergrund. Da eine erfolgreiche Behandlung bei fortgeschrittenen Schäden kaum noch möglich ist, sollte man sich frühzeitig beraten lassen.“

Ich leide unter Hüftarthrose, und mein Orthopäde hat mir ein künstliches Hüftgelenk empfohlen. Kann ich mit der Operation warten?

Prof. Michael Dienst: „Der richtige Zeitpunkt für eine Operation richtet sich vor allem nach den Beschwerden und den Einschränkungen im Alltag. Wenn Patienten mit einer OP noch abwarten möchten, sollten sie die Muskulatur rund um die Hüfte täglich dehnen. So legen sie die Grundlage dafür, dass ein späteres Kunstgelenk gut funktioniert. Wenn die Beweglichkeit des Hüftgelenks immer weiter abnimmt oder Folgeprobleme an der Lendenwirbelsäule auftreten, sollte man mit dem Gelenkersatz nicht mehr zu lange warten.“

Bei mir wurde ein Engpass-Syndrom in der Hüfte diagnostiziert, das in der Fachsprache femoroazetabuläres Impingement (FAI) genannt wird. Ich habe aber nur wenig Beschwerden. Muss ich mich wirklich operieren lassen?

Prof. Dienst: „Wer sportlich sehr aktiv ist, muss bei einem FAI auf lange Sicht mit einer Hüftarthrose rechnen. Wenn das FAI zufällig festgestellt wurde und keine Schmerzen bestehen, empfehle ich abzuwarten. Allerdings sollte man Kontaktsport vermeiden und in zwei Jahren eine MRT-Kontrolle durchführen lassen. Wenn sich hier zunehmende Schäden zeigen, ist eine OP sinnvoll – auch wenn keine Beschwerden bestehen. Bei Schmerzen und falls sich eine Gelenkschädigung abzeichnet, empfehle ich in jedem Fall eine OP. Erfahrene Operateure können diese häufig arthroskopisch durchführen. Das hängt aber auch von Faktoren wie Typ und Schweregrad des Impingements ab. Bei schweren Formen stößt die Arthroskopie an ihre Grenzen. Hier wenden wir offene Operationsverfahren an wie die chirurgische Luxation oder die Umstellungsoperation.“

Wie schnell werde ich denn nach dem Einsatz eines künstlichen Hüftgelenks wieder fit?

Prof. Thomas Kalteis: „Es gibt inzwischen sogenannte Fast-Track-Behandlungskonzepte, die nachweislich die Qualität der Patientenversorgung verbessern und die Genesung nach dem Gelenkersatz beschleunigen. Dazu gehören eine optimierte Schmerztherapie, schonende Narkose- und Operationsverfahren, ein Verzicht auf Wunddrainagen oder auf einen Blasenkatheter, die Frühmobilisation der Patienten noch am Operationstag und eine intensivierte aktive Physiotherapie. Zahlreiche Studien belegen eine frühere Selbstständigkeit der Patienten nach einer Gelenkersatzoperation, geringere Komplikationsraten, bessere funktionelle Ergebnisse und eine höhere Patientenzufriedenheit.“

Ist bei einem Gelenkersatz am Knie eine Teilprothese sinnvoll oder gleich ein kompletter Ersatz?

Prof. Kalteis: „Wenn eine Kniearthrose fortgeschritten ist und mehrere Gelenkabschnitte betroffen sind, die Gelenkfunktion stark beeinträchtigt ist oder eine deutliche Achsfehlstellung vorliegt, ist ein Teilersatz meistens nicht mehr sinnvoll. Dann sollte die komplette Oberfläche des Kniegelenks ersetzt werden, um mit der Operation Schmerzfreiheit und eine normale Gelenkfunktion zu erreichen. Betrifft der Gelenkschaden allerdings nur umschriebene Bereiche des Kniegelenks, ist ein Teilersatz möglich. Die Vorteile sind eine natürlichere Mechanik, ein geringeres Fremdkörpergefühl, ein geringeres Operationstrauma und somit ein meist schnellerer Heilungsverlauf.“

Wie würden Sie meine Arthrose am Daumensattelgelenk behandeln?

Prof. Martin Jung: „Zunächst würde ich eine konservative Therapie mit Injektionen, Daumenbandagen und Handtherapie empfehlen. Wenn die Beschwerden im Alltag zu stark werden, sollte man eine Operation in Betracht ziehen. Dabei wird das große Vieleckbein entfernt, was meist zu dauerhaft guten Ergebnissen führt, aber eine mehrmonatige Nachsorge erfordert. Alternativ kann das Daumensattelgelenk durch eine Prothese ersetzt werden. Der Heilungsverlauf ist schneller, dafür bleibt aber ein gewisses Risiko, dass sich die Prothese im Laufe der Jahre lockert.“

Ich habe Arthrose-bedingte Schmerzen in der Schulter. Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Prof. Patric Raiss: „Am Anfang der Behandlung versuchen wir, mit schmerzlindernden und bewegungserhaltenden Maßnahmen wie Physiotherapie oder Medikamenten eine Verbesserung zu erreichen. Wenn das nicht fruchtet und der Verschleiß voranschreitet, kann ein Gelenkersatz erforderlich werden. Die Ergebnisse beim Einsetzen künstlicher Schultergelenke sind mittlerweile sehr gut. Allein in Deutschland werden jedes Jahr etwa 25 000 Schulterprothesen implantiert.

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