Was sind die häufigsten und gefährlichsten Reiseerkrankungen?
Dr. Benjamin Schleenvoigt: Am häufigsten ist mit Abstand der Reisedurchfall. Gefolgt von Atemwegsinfektionen, Malaria und Hepatitis A. Seltener sind Tierbisse mit Tollwutrisiko und Typhus oder Meningokokken-Erkrankungen. Und dann gibt es noch sexuell erworbene Reiseerkrankungen wie Tripper, HIV und Hepatitis B. Reisedurchfall ist meist nur lästig. Malaria, Typhus, Meningokokken-Erkrankungen und Tollwut sind hingegen gefährlich. Wenn Malaria und Typhus rechtzeitig erkannt werden, besteht die Option auf Heilung. Tollwut verläuft hingegen zumeist tödlich, wenn nicht frühzeitig an die Impfung gedacht wird. Auch eine Infektion mit Meningokokken kann bei einer fehlenden Impfung schwerwiegende Folgen haben: Meningokokken-Infektionen sind unvorhersehbar, können jeden treffen und verlaufen rasant. Eine entsprechende Infektion kann zu einer Hirnhautentzündung und/oder „Blutvergiftung“ führen – oft gibt es Spätfolgen oder die Erkrankung endet sogar tödlich.
Kann es passieren, dass man so eine Krankheit nicht erkennt?
Die Hepatitis A verläuft häufig mit Fieber und Gelbsucht. Fieber ist neben Durchfall und Hautausschlag häufig ein Symptom von Infektionen durch Reisen. Das Tollwutrisiko nach Tierbissen ist den meisten nicht bewusst. Falls Tollwut übertragen wird und keine rechtzeitige Behandlung mit Impfung und Antikörpern durchgeführt wird, dann ist diese Virusinfektion immer tödlich – das kann auch noch nach Wochen oder sogar Monaten der Fall sein, wenn der Tierkontakt längst vergessen ist. Ähnlich wie Tollwut-Infektionen sind auch Meningokokken-Erkrankungen vergleichsweise selten, sie gehen aber ebenfalls oft mit einem schweren oder tödlichen Verlauf einher. Bei einer Meningokokken-Erkrankung können die Symptome nach einer Infektion zunächst unspezifisch beginnen und dann schnell einen fulminanten Verlauf nehmen. Ein typisches Symptom ist Nackensteifigkeit – insbesondere bei Kleinkindern kann dieses Anzeichen jedoch fehlen. Selbst bei adäquater Behandlung stirbt bis zu jeder 5. Patient, etwa ein Drittel leidet nach überstandener Erkrankung an Folgeschäden wie Taubheit, Lernschwierigkeiten oder Behinderungen. Bei einem begründeten Verdacht sollte schnell eine Antibiotikatherapie begonnen werden.
Gegen was sollten Reisende geimpft sein?
Es gibt nicht für alle Erkrankungen, die auf Reisen erworben werden können, auch Impfungen. Gegen Malaria z. B. oder gegen HIV kann man nicht impfen. Aber es gibt häufige Infektionen, gegen die man impfen kann – wie etwa Grippe, COVID-19, Hepatitis A, Masern und Gürtelrose. Und es gibt seltene Infektionen, die sehr gefährlich sind, vor denen man sich mit einer Impfung schützen kann. Die sind beispielsweise Gelbfieber, Meningokokken-Infektionen und Kinderlähmung. Die durch Zeckenbisse übertragbare Frühsommer-Meningoenzephalitis, kurz FSME, gibt es vor allem in Süddeutschland, Skandinavien und Osteuropa, gegen diese sollte man geimpft sein.
Wann ist der richtige Zeitpunkt für eine Reiseschutzimpfung?
Guter Impfschutz braucht Zeit und eine gute Planung. Deswegen wäre es gut, schon etwa sechs bis acht Wochen vor der Reise daran zu denken. Häufig sind für eine komplette Impfung mehrere Gaben zu verschiedenen Zeitpunkten nötig. Impfungen wirken immer dann am besten, wenn die Impfabstände lang sind. Zudem braucht es nach der Impfung zehn bis vierzehn Tage Zeit, um den Antikörperschutz aufzubauen. Aber es ist sinnvoll, auch vor einer Last-Minute- Reise wenigstens noch die erste Impfdosis zu verabreichen. Das ist besser als kein Impfschutz. Dann kann gegebenenfalls im gleichen Zuge auch noch an die wichtige Malaria-Prophylaxe gedacht werden. Wer für die Reiseimpfungen nur wenig Vorlaufzeit hat, sollte sich darauf einstellen, dass mehrere Impfungen innerhalb kurzer Zeit durchgeführt werden.
Was muss ich bei Reisen mit Kindern beachten?
Kleinkinder sollten nicht in Gebiete reisen, in denen es Malaria gibt. Abgesehen davon hat Reisedurchfall bei Kindern eine andere Dynamik als bei Erwachsenen, weil es bei ihnen schneller zu einem gefährlichen Flüssigkeitsmangel kommen kann. Deswegen muss ärztliche Hilfe immer erreichbar bleiben. Bei den erforderlichen Impfungen muss auf das Mindestalter geachtet werden. Da Kinder unerschrocken auf Tiere zugehen, sollten Kinder großzügiger gegen Tollwut geimpft werden. Zusätzlich brauchen Kinder guten Sonnenschutz und Versicherungsschutz durch eine Auslandskranken- und Reise-rückholversicherung.
Was sollte ich beachten, wenn bei mir eine Grunderkrankung besteht?
Diese Patienten sollten umso mehr auf den nötigen Impfschutz insbesondere vor Atemwegsinfekten (Grippe und Pneumokokken) achten. Auch die Kombinationsimpfung gegen Meningokokken der Gruppen A, C, W, Y und die Meningokokken B-Impfung sind bei Immundefizienz oder Immunsuppression empfohlen. Bei der Malariaprophylaxe muss auf mögliche Wechselwirkungen mit den Medikamenten geachtet werden. Zudem bedarf es eines ausreichenden Medikamentenvorrats und eines aktuellen Arztbriefes.
Mehr Informationen
Einen Impfkalender finden Sie beim Centrum für Reisemedizin unter www.crm.de/globus