Hodenkrebs: So wichtig ist das Abtasten

von Redaktion

VON ANDREAS BEEZ

München – Mit Borussia Dortmunds Sebastien Haller hat es bereits den dritten Fußball-Profi in kurzer Zeit erwischt (wir berichteten). Zwar ist Hodenkrebs eine seltene Tumorerkrankung, ihr Anteil an den Krebsfällen insgesamt liegt bei 1,6 Prozent. Aber trotzdem sollten gerade junge Männer im Alter zwischen 25 und 45 Jahren das Thema auf dem Radar haben. Denn sie sind am häufigsten betroffen, das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 37 Jahren. 80 Prozent aller Betroffenen sind zum Zeitpunkt der Diagnose jünger als 50 Jahre. Deshalb ruft auch die Deutsche Gesellschaft für Urologie vor allem jüngere Männer zu einem „regelmäßigen Hodencheck“ einmal im Monat auf.

Ein Hodentumor ist für den Patienten vergleichsweise leicht zu entdecken. „Er lässt sich meist als harte, knotige Veränderung ertasten“, erklärt der Chefurologe des Münchner Isarklinikums, Professor David Schilling. „Während beispielsweise Prostatakarzinome oft erst im Rahmen von urologischen Vorsorgeuntersuchungen ans Licht kommen, wird Hodenkrebs fast immer von den Patienten selbst entdeckt – oder auch von ihren Partnerinnen und Partnern.“

Vor diesem Hintergrund wirbt auch Schilling für eine Selbstuntersuchung: „Sie ist simpel und entscheidend für die Früherkennung von Hodenkrebs.“ Am besten gelinge des Abtasten unter der Dusche oder in der Badewanne, wenn sich der Hoden in einer entspannten Lage befindet.

So funktioniert die Selbstuntersuchung

Der Deutsche Krebsinformationsdienst empfiehlt folgenden Ablauf: „Man betastet den Hodensack und die Hoden in der geöffneten Handfläche von unten und bewegt sie leicht auf und ab. Dann rollt man die Hoden einzeln zwischen Daumen und Zeigefingern hin und her. Im Anschluss erfolgt noch der Blick auf den Hodensack im Spiegel.“ Neben knotigen Veränderungen sollte man darauf achten, ob ein Hoden merklich größer ist als der andere – insbesondere, wenn der Unterschied in letzter Zeit größer geworden ist. Auch ein Ziehen oder Schweregefühl im Hodenbereich kann Anlass bieten, mal zum Urologen zu gehen.

Dieser kann den Verdacht auf Hodenkrebs schnell erhärten oder entkräften – mithilfe einer Ultraschalluntersuchung, in der Fachsprache Sonografie genannt. Sie ist schmerzlos und dauert nur wenige Minuten. Ist mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Tumor vorhanden, liefert eine Blutuntersuchung weitere Hinweise. Dabei zeigt sich unter anderem, ob bestimmte Eiweiße in erhöhter Konzentration vorhanden sind – sogenannte Tumormarker.

Doch auch in solchen Fällen haben die Patienten allen Grund zum Optimismus: „Während Hodenkrebs noch vor einigen Jahrzehnten oft als Todesurteil galt, ist er heute in den allermeisten Fällen gut behandelbar“, betont Urologe Schilling. „Die Patienten haben selbst dann hohe Heilungschancen, wenn sich Metastasen gebildet haben, der Tumor also gestreut hat. Diese positive Entwicklung haben wir auch stark verbesserten Chemotherapien zu verdanken.“ Zudem liefert die Strahlentherapie gute Behandlungsergebnisse.

Die Erfolgsgeschichte im Kampf gegen den Hodenkrebs kristallisiert sich auch in Statistiken heraus. So sind zehn Jahre nach der Diagnose noch 97 Prozent der Patienten am Leben. Die allermeisten Patienten haben nach ihrer Heilung eine normale Lebenserwartung.

In nahezu allen Fällen wird der Tumor entfernt. „Bei der OP ist nur ein kleiner Schnitt in der Leistengegend nötig“, weiß Schilling. Die Sorge vieler Patienten, dass sie nach dem Eingriff keinen Samenerguss mehr bekommen können und unfruchtbar sind, sei unbegründet. „Für die Testosteron- und Spermienproduktion reicht ein Hoden aus.“ Allerdings sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen empfehlenswert – auch deshalb, weil Männer, die bereits an Hodenkrebs oder einer Vorstufe erkrankt waren, ein erhöhtes Risiko haben, dass sich auch im verbliebenen Hoden ein Tumor bildet.

„Ein weiterer Risikofaktor ist ein Hodenhochstand – selbst dann, wenn der Betroffene deshalb im Kindesalter operiert worden ist“, berichtet der Chefurologe des Isarklinikums. Für diese Patienten ist das Risiko, später an einem Hodentumor zu erkranken, nach Erkenntnissen der Deutschen Krebsgesellschaft etwa um das Zehnfache erhöht. Auf der Hut sein sollten auch Männer, in deren Familie es Hodenkrebs-Fälle gibt bzw. gab. Das höchste genetische Risiko besteht, wenn bereits ein Bruder erkrankt ist.

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