München – Im Institut für Schlaganfall- und Demenzforschung (ISD) des LMU-Klinikums in Großhadern arbeiten Wissenschaftler, Neurologen und Therapeuten gezielt zusammen mit Alzheimer-Patienten und deren Angehörigen wie dem Ehepaar Christa und Dr. Wolf Brückner (siehe unten). Auf diese Weise werden alle gemeinsam gestützt und vorbereitet auf die Zeit, in der die Erkrankung fortschreiten und der geliebte Mensch sich ständig verändern wird. Zum Welt-Alzheimer-Tag am 21. September können Interessierte vor Ort das Gespräch mit Fachärzten und Forschern suchen (siehe Kasten) und sich erklären lassen, warum es in puncto Prävention zum Beispiel wichtig ist, Hörverluste oder depressive Verstimmungen frühzeitig behandeln zu lassen.
Die Psychiaterin und Oberärztin, Privatdozentin Dr. Katharina Bürger, leitet die Ambulanz zur Früherkennung und Differenzialdiagnose von Hirnleistungsstörungen im ISD. 70 Prozent der hilfesuchenden Patienten hier haben die Alzheimer-Erkrankung. Selten wird diese Krankheit vererbt. Meist handelt es sich um die altersbedingte Alzheimer-Erkrankung. In beiden Fällen beschäftigt jedoch viele Angehörige die Frage: Bekomme ich das auch? Und wenn ja – will ich es wirklich wissen?
Die Früherkennung: Ein erstes Gespräch mit dem Hausarzt oder Neurologen klärt, ob Bedarf für eine Überweisung ins ISD besteht. „Unsere Möglichkeiten der Früherkennung sind ein Mosaik aus Untersuchungen. Leider bietet noch keine der Methoden die Basis für ein breit angelegtes Screening wie z. B. die Mammografie“, bedauert Dr. Bürger. Am Anfang stehen stets der Gedächtnis- und Hirnleistungstest sowie das Arztgespräch. Ist beides unauffällig, ist die Untersuchung beendet. Denn: „Die volle Diagnostik machen wir nur bei Menschen, die bereits Hirnleistungsstörungen zeigen“, so Dr. Bürger. „Wir wissen, dass die Alzheimer-Krankheit einen Vorlauf von 20 bis 30 Jahren bis zu ersten Symptomen hat. Eine Routine-Diagnostik in diesem langen Zeitraum ohne Symptome ist aus ethischen Gründen nicht möglich, weil wir noch keine Therapie anbieten können.“
Patienten mit sehr leichten Auffälligkeiten in den Gedächtnistests können an Studien für die Früh-Diagnostik der Alzheimer-Erkrankung teilnehmen – „eine Chance, sich Klarheit zu verschaffen sowie Zugang zu in der Erprobung befindlichen Medikamenten und Therapie-Konzepten zu bekommen.“ In Kürze startet z. B. eine Studie mit einem zugelassenen Diabetes-Präparat, das einen positiven Einfluss auf Alzheimer zu nehmen scheint. Vielleicht ein Durchbruch? „In etwa zwei Jahren wissen wir mehr.“Heute gibt es mehrere Möglichkeiten, Alzheimer auf biologischer Ebene mittels sogenannter Biomarker zu bestimmen. Diese Biomarker-Diagnostik ist Patienten mit sehr leichter und leichter Ausprägung der Symptome vorbehalten.
Amyloid und TAU: Diese körpereigenen, krankhaft veränderten Eiweiße werden im Übermaß im Gehirn abgelagert und dienen als Biomarker. Heute können veränderte Konzentrationen mittels PET (Positronen Emissions Tomografie) oder einer Untersuchung des Nervenwassers (Lumbalpunktion) nachgewiesen werden – eine neurologische Routineuntersuchung. Dem Patienten werden dabei im Bereich der Lendenwirbelsäule (dort ist kein Rückenmark!) wenige Milliliter Nervenwasser aus dem Wirbelkanal entnommen. In wissenschaftlichen Studien können Amyloid und TAU mittlerweile im Blut nachgewiesen werden. Bis diese Verfahren jedoch in den klinischen Alltag einziehen, wird es noch einige Jahre dauern.
PET: Die Positronen Emissions Tomografie ist ein bildgebendes Verfahren – ähnlich dem MRT, nur ohne Krach. Dem Patienten wird ein gering radioaktiv strahlender Markierungsstoff (Tracer) gespritzt. Die PET-Bilder zeigen dann Amyloid- oder TAU-Ablagerungen im Gehirn an.
Die Prävention: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Diabetes, Übergewicht, mangelnde Bewegung, Rauchen, Alkohol und Einsamkeit scheinen die Entwicklung der Symptomatik im Frühstadium zu beschleunigen, ebenso wie unbehandelter Hörverlust und Depressionen. „Eine bewusste Reduzierung dieser Risikofaktoren ab dem mittleren Lebensalter kann das Demenzrisiko drastisch um bis zu 35 Prozent reduzieren“, so Dr. Bürger. Diese Erkenntnis ist ein wichtiger Punkt im Präventionsangebot des ISD
Wesentlich sind auch soziale Kontakte sowie geistige und körperliche Aktivität. Patientin Christa Brückner (siehe unten) achtet deshalb stets auf ihre Blutdruck- und Zuckerwerte, treibt Gymnastik und rudert 30 Minuten täglich. Der Trick dabei: „Das Training muss die Patienten interessieren. Sie schließen so neue soziale Kontakte und pflegen gemeinsam Interessen wie Musik, Malerei oder Tanz.“ Auch die Begleitperson wird dabei stets miteinbezogen. In den Kursen wird viel gelacht und die Patienten gehen fröhlich heim. Balsam für die Seele und das gestresste Gehirn.