Neumodisch heißt es „From Nose to Tail“. „Mir sagen halt schlicht von vorn nach hinten.“ Und das nicht erst, seit es im Zuge der Nachhaltigkeitsdebatte wieder in Mode gekommen ist, das ganze Tier zu verwerten. Josef Nagler ist seit 30 Jahren Küchenchef im Schneider Bräuhaus im Tal und verarbeitet „vom Schwanz bis zur Schnauze“ wirklich alles.
Hier wird Wirtshauskultur gelebt und seit 1872 die Münchner Kronfleischküche gekocht. Kronfleisch bezeichnet im engeren Sinne den Bereich zwischen Bauch und Brust des Rindes. „Man verwendet den Begriff aber auch für alle möglichen Innereien von Kälbern, Rindern und Schweinen“, erklärt Nagler.
Dass man das ganze Tier verwertet, hat also Tradition. Aus gutem Grund: „Unsere Vorfahren konnten es sich nicht leisten, nur die teuren Stücke wie Filet und Lende zu essen.“ So war man gezwungen, wirklich alles zu verwenden. „Selbst Ohren, Schnauze und der Schwanz kommen bei der Münchner Kronfleischküche in den Topf“, berichtet Nagler.
Schon als er ein kleiner Bub war, stand für Josef Nagler fest, dass er Koch werden wollte – „mich hat nichts anderes so fasziniert“. Die Mutter ist eine „fantastische Köchin“, die für die Familie Hausmannskost zubereitete. Diese Leidenschaft hat sie an ihren Sohn weitergegeben.
Josef Nagler begann seine Ausbildung im September 1977 wenige hundert Meter von seiner jetzigen Wirkungsstätte: beim Spöckmeier. Sein Chef damals: der legendäre Wirte-Napoleon Richard Süßmeier. „Ein toller Mann, von dem ich viel mitgenommen habe.“ Nagler erlernte die altbayerische Küche und blieb dabei. 1993 fing er schließlich im Bräuhaus an, 2004 wurde er zum Küchenchef ernannt.
Sätze wie „Das nehme ich nicht her“ oder „Das ist doch ein Abfallprodukt“ kennt der gebürtige Straubinger nicht. „Wir verwenden wirklich alles.“
Das Münchner Voressen ist ein typisches Gericht aus der Kronfleischküche. Die Speise sollte einst als Grundlage für den sonntäglichen Frühschoppen dienen. Nagler berichtet: „Vor dem Gottesdienst durfte man nichts essen. Danach sind die Männer direkt ins Wirtshaus, während die Frauen zu Hause den Sonntagsbraten vorbereiteten.“
Das „Münchner Voressen“ ist ein üppiges Ragout aus Kalbs- und Schweinslunge, Kutteln und Kalbsbries. Dabei wurde kräftig mit Schmalz gearbeitet – das Voressen sollte schließlich „eine gescheite Grundlage vor einem Gelage sein“ und vor dem Sonntagsrausch schützen.
Das Münchner Voressen gibt es noch heute im Bräuhaus. „Viele unserer Gäste kommen extra wegen der Traditionsgerichte zu uns.“
Josef Nagler kocht nicht mehr ganz so deftig wie einst. „Da gehen wir mit der Zeit“, die Münchner Kronfleischküche sei etwas leichter geworden.
Nagler hält nicht verbissen an Traditionen fest, manchmal bricht er sie auch ganz bewusst: „Als ich irgendwann gemerkt habe, dass das Kalbfleisch für das Wiener Schnitzel nicht aus Bayern, sondern ausschließlich aus Holland kam, habe ich die Reißleine gezogen. Zu Joseffi, am 19. März, vor ein paar Jahren hat er deshalb zum ersten Mal das Münchner Schnitzel auf die Karte geschrieben. Ein Schweineschnitzel, das mit Senf und Meerrettich bestrichen und in eine Panade aus Breznbrösel und geriebenem Bergkäse getaucht wird. Mittlerweile hat das Schnitzel im Bräuhaus Kult-Status und hat in und um München viele Nachahmer gefunden. Das freut Nagler natürlich, dem die Erhaltung der Bayerischen Wirtshauskultur ein großes Anliegen ist. (Schneider Bräuhaus im Tal 7, Telefon +49 89 290138-0. Täglich geöffnet von 8 bis 0.30 Uhr.)