München – Erst einmal vorweg der wichtigste Rat, den alle Experten geben: Gehen Sie an ein zertifiziertes Krebszentrum; und zwar an ein solches, das viel Erfahrung in der Behandlung der Krebsart hat, an der Sie erkrankt sind. Denn neben der ausgewiesenen Expertise bieten solche Zentren auch ein breites Spektrum an Diagnostik- und Therapiemodalitäten. In diesen Zentren werden alle Fälle in sogenannten Tumorboards diskutiert.
Jeder Patient sollte sich darüber erkundigen, ob sein Fall in einem Tumorboard besprochen wurde. Denn darin beraten Experten der verschiedenen maßgeblichen Fachrichtungen über individuelle Diagnostik- und Therapiekonzepte. So kommt dann die Erfahrung von Chirurgen, Strahlentherapeuten, Onkologen und weiteren Spezialisten zusammen. Das gewährleistet, dass eine interdisziplinäre Empfehlung herausgegeben wird. In München haben sich die zwei Universitätskliniken zum Krebszentrum München, dem sogenannten Comprehensive Cancer Center (CCC), zusammengeschlossen. In unserer Zeitung geben heute Experten der Technischen Universität München (TUM) und der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) Ratschläge zum Umgang mit einer Krebsdiagnose:
Prof. Hana Algül, Direktor des CCC am Klinikum rechts der Isar (TUM): „Ich rate den Patienten, nicht alles zu glauben, was im Internet steht. Dort findet man neben richtigen Informationen auch sehr viele falsche und irreführende Dinge. Es ist auch richtige Scharlatanerie dabei! Auf manchen Internetseiten geht es auch darum, Menschen zu verängstigen. Wir Ärzte haben im Erstgespräch mit Patienten dann oft mit Negativinformationen zu kämpfen – was die Prognose betrifft oder die Nebenwirkung von Medikamenten. Mein Rat: Nehmen Sie von den im Internet in Hülle und Fülle verfügbaren Informationen nicht alles für bare Münze. Sprechen Sie mit Fachleuten! Es ist eine Fehlinformation, wenn es heißt, dass wir Krebsmediziner uns einem Diktat der Pharmaindustrie beugen und den Patienten beispielsweise günstige Therapien oder Naturheilmittel vorenthalten. Im Gegenteil! Wir haben in Deutschland ein sehr gutes Gesundheitssystem. Wir Ärzte in Deutschland sind unabhängig und können – anders als in vielen Staaten, wie in den USA – allen Patienten alle als wirksam nachgewiesenen Therapien anbieten.“
Prof. Volker Heinemann, Direktor des CCC an der LMU: „Die Empfehlung, ein zertifiziertes Krebszentrum zu Rate zu ziehen, soll keineswegs die heimatnahe Versorgung der Patienten in Frage stellen. Das Ziel der Zweitmeinungsanfrage ist ja gerade, die hochspezialisierte Kompetenz der Zentren mit der Versorgung in der Region zu verbinden. Eine guter Prozess im Zusammenhang mit einer Zweitmeinung wird daher immer den behandelnden Onkologen vor Ort miteinbeziehen.“
Prof. Wolfgang Weber, Chef der Nuklearmedizin am Klinikum rechts der Isar der TUM: „Krebs an sich gibt es nicht. Hier gibt es ein sehr breites Spektrum und Therapien sowie Prognosen sind wirklich sehr unterschiedlich. Deshalb ist es wichtig, zu wissen, was bedeutet meine ganz individuelle Diagnose ganz speziell für mich. Krebs kann in schlimmen Fällen tatsächlich eine ganz lebensverändernde Erkrankung sein, aber in vielen Fällen ist sie inzwischen sehr gut behandelbar. Die Diagnose Krebs kann ganz viele unterschiedliche Dinge bedeuten, und deshalb ist es eben so wichtig, sich gut beraten und therapieren zu lassen.“
Prof. Peter Bartenstein, Chef der Nuklearmedizin des LMU-Klinikums: „Das Allerwichtigste ist, nicht in eine Art Schockstarre zu fallen und zu denken, jetzt ist alles zu Ende. Es gibt kein Erkrankungsfeld, bei dem es in den vergangenen zehn Jahren so einen Fortschritt gab, wie das bei der Krebstherapie der Fall ist. So leben bei einigen Krebserkrankungen, an denen Menschen vor 20 Jahren meist nach zwei Jahren starben, die Betroffenen heute oft noch 20 Jahre und länger. Wichtig ist es, sich richtig behandeln zu lassen. Ich rate den Betroffenen, sich einen Arzt zu suchen, der ein renommierter Spezialist auf dem Gebiet ihrer Erkrankung ist. Und diesen zu bitten, dass er Sie in der Zeit der Behandlung betreut.“
Dr. Benedikt Westphalen, CCC München (LMU): „In der Kommunikation mit meinen Patientinnen und Patienten sind für mich insbesondere Offenheit und Wertschätzung besonders wichtig. Sie sind einer Vielzahl von Informationen und Fehlinformationen ausgesetzt, die zum Teil unrealistische Hoffnungen schüren oder, im schlimmsten Fall, zur Durchführung von unwirksamen oder gar schädlichen Behandlungen außerhalb der Schulmedizin führen.
Im Dialog kann man dann gemeinsam ein wenig Ordnung in die große Fülle an verfügbaren Informationen bringen, um die Patienten und Patientinnen optimal beraten zu können.“
Prof. Stephanie Combs, Strahlentherapie-Chefin der TU: „Ich würde einem betroffenen Freund raten, nicht zu sehr Angst zu haben vor der jeweiligen Therapie, die von einem wirklichen Experten angeraten wird. Wir arbeiten über die verschiedenen Fachrichtungen hinweg zusammen, um das Beste für den Patienten zu erreichen. Wenn man sich trotzdem unwohl fühlt, zum Beispiel weil man mit einem Arzt menschlich nicht so gut zurechtkommt, dann kann und sollte man sich bei einem anderen Experten eine zweite Meinung einholen.“
Prof. Claus Belka, Strahlentherapie-Chef der LMU: „Gehen Sie dahin, wo man große Erfahrung mit der Erkrankung hat und gehen Sie nicht dahin, wo Ihnen der Nachbar sagt, dort seien sie ,nett‘gewesen. Man kann es nicht oft genug betonen: Patienten an zertifizierten Zentren haben weit größere Überlebenschancen. Zudem rate ich Betroffenen, Ruhe zu bewahren und die Anzahl der gutmeinenden Einflüsterer im Umfeld kleinzuhalten. Sie sollen sich wenige Vertraute suchen und nicht mit jedem alles besprechen. Wenn sie es mit hundert Leuten besprechen, haben sie 120 Meinungen und sind danach komplett fertig. Sätze wie mein Bekannter kennt aber einen berühmten Spezialisten in Irgendwo‘ nützen nicht – gèrade in München sind die Wege zu weltweit bekannten Experten kurz. Beide Universitäten belegen unter vielen 1000 Universitäten weltweit Spitzenplätze (Platz 30 und 33) und damit die Top-Positionen in Deutschland. Spitzenpositionen belegen somit auch die Universitätsklinika mit dem gemeinsamen Krebszentrum (CCC-M).
Außerdem rate ich; Wer Gesprächspartner zur Therapie sucht, der ist in einer Selbsthilfegruppe besser aufgehoben als beispielsweise am Stammtisch.“
Prof. Florian Bassermann, Direktor der Klinik für Innere Medizin III am Klinikum rechts der Isar (TUM): „Das Thema Krebs ist heute in der Bevölkerung noch immer sehr stigmatisiert. Leider wird die Erkrankung noch oft gleichgesetzt mit dem Tod. Aber das ist überholt, und das müssen wir klarmachen. Einer der wichtigsten Ratschläge ist, die Hoffnung zu behalten. Immer weniger Tumorerkrankungen enden tödlich. Mein zweiter Ratschlag ist, das gesamte Konzept der personalisierten Onkologie auszunutzen. Wenn wir einen Tumor molekular charakterisieren, können wir sehr viel gezielter die neuen Therapiemöglichkeiten einsetzen und auch Heilung erzielen. Der Austausch mit anderen Betroffenen in Selbsthilfegruppen kann ebenfalls hilfreich sein. Ich rate zudem, offen mit der Erkrankung umzugehen und nicht in eine Isolation zu flüchten. Eine gute Einbindung des Patienten in ein unterstützendes soziales Umfeld beeinflusst den Erfolg der Behandlung entscheidend mit.“
Prof. Frederick Klauschen, Direktor der LMU-Pathologie: „Ich rate jedem Betroffenen, erst einmal tief durchzuatmen! Krebs ist nicht gleich Krebs. Wichtig ist es, zu fragen, in welchem Stadium sich die Erkrankung befindet und was ist es für ein Krebs. Diese Fragen entscheiden darüber, ob es eine schwere aber beherrschbare Erkrankung ist oder ob ein fortgeschrittenes Stadium gegeben ist. Zudem würde ich mich in einem Krebszentrum vorstellen. Das heißt nicht, dass– man seinen Arzt aufgeben muss.
Man kann sich lokal betreuen und in einem Zentrum nach neustem Stand beraten lassen.“
Prof. Helmut Friess, Chirurgie-Direktor am Klinikum rechts der Isar (TUM): „In der Behandlung von Krebserkrankungen haben wir ungemeine Fortschritte gemacht. Wir sind auf einem guten Weg, dass wir viele Tumoren heilen, bzw. die Prognose wesentlich verbessern können. Ich rate dazu, sich in einem Zentrum mit einem hohen Qualitätsstandard und viel Erfahrung behandeln zu lassen. Neben einer kompetenten Behandlung ist im Zentrum auch eine 24-stündige Versorgung von Komplikationen auf hohem Niveau möglich. Hier kann durch die hohen Fallzahlen auf eine große Expertise von unterschiedlichen Fachdisziplinen zurückgriffen werden. Nicht nur die ärztliche Kompetenzen, sondern auch die der Pflege sind maßgeblich für eine vollumfängliche optimale Versorgung.“
Prof. Jens Werner, Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral-, und Transplantationschirurgie am LMU-Klinikum: „Man sollte Respekt vor Operationen haben, aber keine Angst. Wenn einem Patienten ein komplizierter Eingriff bevorsteht, ist er sicher gut beraten, ihn in einem Zentrum vornehmen zu lassen, an dem viel Erfahrung besteht. Generell gilt für alle manuellen Tätigkeiten, dass man rund 10 000 Stunden Übung braucht, um sie bis ins Detail zu beherrschen. Das gilt für Musiker ebenso wie für Chirurgen. Wenn jemand weniger Erfahrung hat, ist es gut, wenn ihm ein erfahrener Kollege mit Rat und Tat zur Seite steht – und das ist eben an einem Zentrum immer gegeben.“