So halten Kunstgelenke länger

von Redaktion

Verminderte körperliche Aktivität – ein Grund für Implantat-Wechseloperationen

Bewegungsmangel und Gewichtszunahme wie während der Corona-Pandemie können die Haltbarkeit von Hüft- und Knieprothesen beeinträchtigen. Denn ein geschwächter Muskel-, Band- und Sehnenapparat erhöht die Sturzneigung. Auch die Gefahr einer Luxation, der Auskugelung des Kunstgelenks, steigt, wenn kraftlose Muskeln das Implantat nicht mehr am Platz halten können. Zudem tragen Fehl- und Überbelastung des Implantats zu einem schnelleren Verschleiß bei.

Die AE – Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik e. V. rät Menschen mit Kunstgelenk daher zu einem möglichst täglichen gezielten Training von Kraft, Beweglichkeit, Koordination und Ausdauer sowie zu einer Gewichtskontrolle verbunden mit eiweißreicher Ernährung. Diese seien wesentliche Voraussetzung für die lange Haltbarkeit der Prothese. Die früher vermittelte Sorge einer Überlastung des Kunstgelenks durch maßvolle tägliche Bewegung sei überholt – die Materialien sind heute wesentlich halt- und belastbarer.

Laut einer Lancet-Studie aus dem Jahr 2019 halten heute sechs von zehn Hüftprothesen mindestens 25 Jahre. Dazu beigetragen haben die Verbesserung von Implantat-Materialien und -modellen sowie die Entwicklung schonender OP-Methoden. Sie sind jedoch nur ein Teil des Erfolgs.

Lebenslange Pflege des Implantats ist wichtig

„Ein Implantat erfordert auch nach der OP lebenslange Pflege und Aufmerksamkeit“, sagt Professor Dr. Carsten Perka, Generalsekretär der AE und Ärztlicher Direktor des Centrums für Muskuloskeletale Chirurgie (CMSC) an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Ärzte würden zwar das neue Gelenk einsetzen, doch die Patienten leisteten einen ebenso großen – wenn nicht sogar größeren – Beitrag: „Die Lebensweise der Patienten bestimmt mit, ob frühzeitig eine Folgeoperation notwendig wird.“ Der Orthopäde und Unfallchirurg führt aus: „Während wir früher Wechseloperationen wegen Überlastung der Endoprothesen durchgeführt haben, ist heute immer mehr eine verminderte körperliche Aktivität der Grund.“ Diese könne wiederholte Luxationen des Hüftgelenkes, Instabilitäten des Kniegelenks und Stürze durch Gleichgewichts- und Koordinationsschwierigkeiten zur Folge haben.

Eventuell sei auch noch das alte Credo von der Schonung des künstlichen Gelenks zu stark in den Köpfen verankert. Der natürliche Alterungsvorgang verstärkt das Problem: Ab etwa dem 30. Lebensjahr baut der Körper Muskeln zu Fettgewebe um. Tut man nichts gegen den physiologischen Rückgang der Muskelmasse, der Sarkopenie, verliert der Körper zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr etwa 50 Prozent seiner Muskelmasse. „Frauen sind davon noch stärker betroffen als Männer – sie müssen besonders aufpassen“, sagt Perka. Besonders in Kombination mit brüchigen Knochen, der Osteoporose, steigt bei Stürzen das Risiko, komplizierte Frakturen und Verletzungen zu erleiden. Es gelte deshalb, alle vier Grundpfeiler der Fitness – Kraft, Beweglichkeit, Koordination und Ausdauer – gezielt zu erhalten und möglichst täglich zu trainieren. „Auch kurze Bewegungseinheiten sind nützlich“, sagt Perka. Ebenso wichtig sei jedoch auch die Gewichtskontrolle: „Es sind vor allem die Gelenke, die das Plus an Körpergewicht tragen müssen und damit natürlich auch die Prothesen.“

Dieses Mehrgewicht erschwere im wahrsten Sinne des Wortes die Mobilität. Laut einer aktuell veröffentlichten Umfrage der Else Kröner-Fresenius-Stiftung haben in der Corona-Pandemie viele Patienten zugenommen. Wer zugelegt hat, bringt im Durchschnitt etwa 6,5 Kilogramm mehr auf die Waage als in der Zeit vor der Pandemie im Jahr 2020. Zudem werden viele Menschen ab der Lebensmitte schwerer. Häufige Ursachen sind Veränderungen im Hormonhaushalt und die Abnahme der körperlichen Aktivität. Deshalb sei eine abwechslungsreiche, mediterrane und eiweißreiche Kost ideal. Ältere Menschen benötigen zum Muskelaufbau mehr Eiweiß als die Jungen. „Um es besser aufnehmen zu können, sollte man es über den Tag verteilt aufnehmen“, so Perka.

Patienten können sich auf die OP vorbereiten

Die Patienten könnten sich selbst helfen, indem sie sich auf die Operation vorbereiteten, sagte einst der Pionier der Hüftendoprothetik, der britische Chirurg und Orthopäde Sir John Charnley. Dies gilt auch für ein Leben mit Ersatzgelenk, findet Privatdozent Dr. Stephan Kirschner, Präsident der AE und Direktor der Klinik für Orthopädie, ViDia Christliche Kliniken Karlsruhe: „Nicht nur eine optimale OP-Vorbereitung, etwa mit Rauchstopp und Gehstützentraining ab sechs Wochen vor OP, sondern auch eine lebenslange Fürsorge für das eigene Implantat hilft Patientinnen und Patienten, möglichst lange mit dem ersten – und bestenfalls letzten – Ersatzgelenk aktiv zu leben.“

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