Großes Kino für die Organspende

von Redaktion

VON SUSANNE SASSE

München – Sie war jung und fit und niemand ahnte, dass Tamara Schwab schon quasi seit Geburt schwer herzkrank war. Sie leidet an arrhythmogener Kardiomyopathie (ACM). Bei dieser Herzmuskelerkrankung treten völlig unerwartet Herzrhythmusstörungen auf. „Die betroffenen fallen plötzlich tot um, und das Tückische ist, es gibt keine Warnzeichen vorab“, sagt Prof. Christian Hagl, Chef der Herzchirurgie des Klinikums der Ludwig-Maximilians-Universität München. Der engagierte Herzchirurg geht mit seinem Klinikum einen neuen Weg. um für die Organspende zu werben: Gestern präsentierteer zusammen mit Andreas Steeger im Filmtheater am Sendlinger Tor kurze aufrüttelnde Filme zum Thema. Unter den Zuschauern saß auch Tamara Schwab – und niemand hätte ihr angesehen, dass sie erst im Sommer ein neues Herz bekam.

Seit 1. August schlägt in ihrer Brust ein Spenderherz. Schon fünf Wochen nach der Transplantation saß Tamara Schwab (29) in der Reha wieder auf einem Ergometer Fahrrad. „Seitdem geht es Schlag auf Schlag, im November war ich zuhause, inzwischen arbeite ich auch wieder in der Bank und mache Sport“, sagt die 29-Jährige. Kaum zu glauben, denn zuvor hatte sie striktes Sportverbot. Ihre tückische Herzerkrankung wurde vor allem dann zur Gefahr, wenn sie ihr Herz zu Höchstleistungen antrieb.

„Die Erkrankung wird häufig mit einer Herzmuskelentzündung oder anderen Formen von Herzrhytmusstörungen verwechselt, aber anders als bei dieser bekommt man sie mit Verödungen nicht in den Griff“, sagt Prof. Hagl. Denn bei arrhythmogener Kardiomyopathie wird ein Protein im Herzen nicht richtig gebildet, weshalb Lücken im Bindegewebe entstehen und das Herz so immer mehr vernarbt, erklärt Prof. Hagl. Die Krankheit ist genetisch bedingt und weltweit unterschiedlich stark verbreitet. Während sie in den USA sehr selten ist – auf 100 000 Menschen kommt dort ein Erkrankter – ist sie in Europa weit häufiger: Zumeist ist einer von 10 000 Menschen betroffen, in manchen Gegenden Norditaliens und Griechenlands kann sogar einer von 1000 Menschen erkranken. „Meist sind schon junge Menschen betroffen, in Italien wird diese Kardiomyopathie als häufigste Ursache für den plötzlichen Herztod bei jungen Sportlern vermutet“, sagt Prof. Hagl.

Zweimal erlitt Tamara Schwab einen Herzstillstand – beide Male hatte sie das enorme Glück, dass sie professionell reanimiert wurde. Mitten im Fitnessstudio war Tamara Schwab 2018 plötzlich mit einem Herzstillstand von einem Fitnessfahrrad gefallen. Eine Dreiviertelstunde wurde sie danach reanimiert, durch Zufall von einem angehenden Mediziner. Dann wurde sie in für einen Tag in ein künstliches Koma versetzt und bekam einen Defibrillator eingesetzt. Dass der ihr Leben im Ernstfall gar nicht hätte retten können, war da noch nicht klar. Kurze Zeit später erlitt sie im Urlaub auf Ibiza einen zweiten Herzstillstand – wieder hatte sie das Glück, gleich reanimiert zu werden und keine bleibenden Schäden zu erleiden. Seitdem aber lebte sie in Angst vor den plötzlich auftauchenden Herzstillständen und litt außerdem sehr unter den Schocks, die ihr der Defibrillator immer wieder verpasste. 2021 ergab ein Gentest, dass sie an der Erbkrankheit leidet – und dass ihr nur eine Herztransplantation helfen kann.

„Ein Kunstherz kann da nicht helfen. Eine Transplantation ist die einzige Chance“, sagt Prof. Hagl. Tamara Schwab bekam am 1. August ein Spenderherz implantiert. „Seitdem geht es Schlag auf Schlag bergauf – ich arbeite wieder und darf auch wieder Sport machen“, freut sich die 29-Jährige. Für die Organspende zu werben, ist für sie Ehrensache. „Dank dem Spenderherz kann ich mich noch auf viele Jahre freuen, der Organspenderin verdanke ich mein Leben.“

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