Grün ist nicht gleich gesund: Kritik am Nutri-Score

von Redaktion

Berlin – Essiggurken mit dunkelgrünem A, Müsli mit gelbem C und Schlagsahne mit orangenem D: Seit zwei Jahren soll das Ampelsystem auf verpackten Lebensmitteln im Supermarkt auf den ersten Blick Auskunft über den Nährwert eines Lebensmittels geben. Aber Experten bezweifeln, dass alle Verbraucher richtig mit dem System umgehen können. Denn wer nur grün ausgezeichnete Produkte isst, ernährt sich deshalb noch lange nicht gesund.

Der Nutri-Score von dunkelgrünem A bis rotem E ist eine fünfstufige Ampel. Nach einer festen Formel wird errechnet, in welche Kategorie ein Produkt fällt. Sie ist für die allermeisten Lebensmittel gleich. Zucker, Salz, gesättigte Fettsäuren und viele Kalorien wirken sich dabei ungünstig aus. Ein hoher Anteil unter anderem an Obst, Gemüse, Nüssen, Ballaststoffen und Eiweißen bringt Pluspunkte. Seit November 2020 kann der Score hierzulande auf freiwilliger Basis auf verpackte Lebensmittel gedruckt werden.

Der Nutri-Score soll Verbrauchern die Auswahl innerhalb einer Produktgruppe – also zum Beispiel innerhalb der Kategorie Brot oder der Kategorie Milchgetränke – erleichtern, erläutert Benedikt Merz vom Max Rubner-Institut, dem Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel. Also beispielsweise: Heute möchte ich Pizza essen, für welche soll ich mich entscheiden?

„Die Realität ist, dass Verbraucher die Farben oft intuitiv bewerten. Grün gekennzeichnete Produkte werden als grundsätzlich unbedenklich wahrgenommen, ein rotes E hingegen als Stopp-Signal“, sagt Merz, der auch im Wissenschaftlichen Gremium des Nutri-Scores sitzt, das die Regeln für das Ampelsystem weiterentwickelt. „Die größte Schwäche des Nutri-Scores ist, dass das System aufgrund seines einfachen Aufbaus falsch gelesen werden kann.“ Merz zufolge wäre eine riesige Informationskampagne, wie der Nutri-Score richtig anzuwenden ist, „äußerst sinnvoll“.

Auch Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg hält den Score für erklärungsbedürftig. „Wer ausschließlich Produkte mit grünem Nutri-Score-Label kauft, tut seiner Gesundheit noch lange nichts Gutes.“ Denn zum einen spiele bei gesunder Ernährung sowohl Vielfalt als auch Menge eine Rolle – beides bilde der Nutri-Score aber nicht ab. Zum anderen sei das Ampelsystem nur auf abgepackten Lebensmitteln zu finden, nicht aber auf frischem Obst und Gemüse, die ein Grundpfeiler ausgewogener Ernährung sind.

Die Regeln, nach denen verpackte Lebensmittel in die Kategorien A bis E eingruppiert werden, werden bald aktualisiert. Das dürfte auch einige Produkte betreffen, die derzeit noch sehr gut wegkommen: So kann man im Supermarkt unter anderem Frühstückscerealien mit Schoko, Spaghetti, Tiefkühl-Spinatpizza und Tortilla-Chips mit dunkelgrünem A finden. Hier könnte sich demnächst einiges ändern.

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