Diabetes schadet auch den Zähnen

von Redaktion

Zucker-Krankheit verschlimmert Parodontitis – Gefahr auch für Implantate

München – Die Volkskrankheit Diabetes ist auch deshalb so gefürchtet, weil sie überall im Körper schwere Schäden anrichten kann – von Durchblutungsstörungen in den Füßen über Herzinfarkt und Schlaganfall bis hin zu Nierenversagen oder Erblindung. Angesichts solcher dramatischen Folgen gerät oft etwas in den Hintergrund, dass auch die Zähne massiv unter erhöhten Blutzuckerwerten leiden können. „Diese Gefahr wird oft unterschätzt“, weiß der erfahrene Zahnmediziner Professor Hannes Wachtel. „Studien belegen, dass Diabetiker ein etwa dreifach erhöhtes Risiko haben, an Parodontitis zu erkranken. Und umgekehrt gilt: Parodontitis kann auch die Behandlung von Diabetes erschweren.“

Der Hintergrund: Allein in Deutschland erhalten jedes Jahr etwa 500 000 Menschen erstmals die Diagnose Diabetes, darunter viele ältere. Zwei Millionen haben die Zucker-Krankheit bereits, ohne es zu wissen. Noch weitaus mehr Frauen und Männer kämpfen mit Parodontitis, im Seniorenalter sind sogar zwei Drittel davon betroffen. Dementsprechend groß ist besonders in der Generation 65 plus der Kreis jener Patienten, die an beiden Volkskrankheiten leiden.

Beide Erkrankungen lange ohne Symptome

Wie eng diese zusammenhängen, berichtet auch die renommierte Deutsche Gesellschaft für Parodontologie (DG Paro): „Ein schlecht eingestellter Diabetes verschlimmert eine Parodontitis, führt zu mehr Karies, Füllungen und damit letztendlich zu mehr Zahnverlust. Außerdem wirkt er sich langfristig ungünstig auf das Überleben von Implantaten aus. Eine unbehandelte Parodontitis kann die Blutzuckerkontrolle erschweren und einen Diabetes verstärken.“

Beide Erkrankungen haben gemein, dass sie oft erst in fortgeschrittenem Stadium entdeckt bzw. therapiert werden. Zum einen, weil sie zunächst lange keine akuten Beschwerden verursachen. Und zum anderen, weil sich gerade viele Parodontitis-Patienten vorm Zahnarztbesuch drücken – beispielsweise aus Angst vor Schmerzen während der Behandlung. Paradoxerweise haben sie allerdings oft bereits eine lange Leidensgeschichte und einen herben Verlust an Lebensqualität hinter sich, denn Parodontitis schreitet schleichend, aber stetig voran. Der Entzündungsprozess schädigt den gesamten sogenannten Zahn-Halteapparat – also alle Bestandteile, die an der Verankerung des Zahns im Knochen beteiligt sind. Dazu zählen neben dem Knochen selbst vor allem das Zahnfleisch, bestimmte Haltefasern und natürlicher Wurzelzement.

Wenn die chronische Erkrankung weit fortgeschritten ist, erleiden die Patienten praktisch eine Art Gebiss-GAU. „Wir sehen immer wieder Patienten, die fast oder gar keinen eigenen Zahn mehr im Mund haben. Sie können weder vernünftig kauen noch unbeschwert lachen oder sprechen“, berichtet Prof. Wachtel, der gemeinsam mit Dr. Christian Maischberger die Implaneo Dental Clinic in München leitet. Darin versorgen Spezialisten unter anderem Parodontitis-Patienten mit Zahnimplantaten, darunter komplett zahnlose Menschen. In vielen Fällen erhalten sie feste dritte Zähne an einem Tag. „Mithilfe von digitaler Planung und minimalinvasiven OP-Techniken ist dies heutzutage auch in schweren Fällen fast immer möglich“, berichtet Dr. Maischberger.

Eine Gebiss-Sanierung kann auch dazu beitragen, schwere Erkrankungen zu verhindern – insbesondere bei Diabetikern. Denn bei Parodontitis nisten sich gefährliche Bakterien rund um die Zahnwurzeln ein. Von dort aus können die aggressiven Erreger über den Blutkreislauf in den gesamten Körper gelangen und vielerorts Entzündungsprozesse befeuern. „Sowohl für Diabetes als auch für Parodontitis gilt: Je früher sie erkannt und behandelt werden, umso besser lassen sich Folgeschäden begrenzen oder sogar vermeiden“, betont Prof. Wachtel.

Um Parodontitis rechtzeitig zu enttarnen, sind regelmäßige Termine beim Zahnarzt und bei der professionellen Zahnreinigung ratsam. Dabei wird kontrolliert, ob sich sogenannte Zahntaschen gebildet haben – verursacht von Bakterien, die sich darin einnisten und vermehren. Zunächst befallen die Keime nur das Zahnfleisch, verursachen dort chronische Entzündungen. „Im Krankheitsverlauf bildet sich auch der Knochen zurück. Wenn die Taschen zehn bis 15 Millimeter tief werden, haben sie die Wurzelspitze erreicht. Dann wird der Zahn extrem locker und fällt irgendwann aus“, erklärt Dr. Maischberger.

Alarmsignale für Diabetes ernst nehmen

Mit regelmäßiger Vorsorge lassen sich solche fatalen Entwicklungen vermeiden. Das gilt auch mit Blick auf Diabetes. Gut eingestellte Blutzuckerwerte helfen, die negativen Folgen der Erkrankung so gering wie möglich zu halten. Wer sich unsicher ist, ob er möglicherweise an Diabetes erkrankt sein könnte, sollte lieber einmal zu viel als zu wenig zum Hausarzt gehen. Allgemeinmediziner oder Internisten können mit einem Blutzuckertest Klarheit schaffen. Alarmsignale für entgleiste Blutzuckerwerte können unter anderem starker Durst, häufiges Wasserlassen, Müdigkeit, Abgeschlagenheit, trockene Haut und Juckreiz, schlecht heilende Wunden, eine Neigung zu Infektionen oder Sehstörungen sein.

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