So werden Sie Krampfadern los

von Redaktion

Gefäß-Spezialist erklärt die unterschätzte Volkskrankheit – Alarmsignale und OP-Techniken

VON ANDREAS BEEZ

München – Wenn es um die Behandlung von Krampfadern geht, müssen Spezialisten viel Aufklärungsarbeit leisten. Denn noch immer hält sich hartnäckig der Irrglaube, dass Varizen – so der medizinische Fachbegriff – in erster Linie ein kosmetisches Problem sind. Doch ganz so einfach ist die Sache nicht, wie zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen: Krampfadern können dramatische Folgen haben – vor allem dann, wenn sie über viele Jahre ignoriert werden. „Sie erhöhen das Risiko für Thrombosen, Lungenembolien oder ein offenes Bein“, warnt Dr. Michael Hille, Chefarzt in der Artemed Fachklinik München. Der medizinische Hintergrund: „Krampfadern können über Verbindungsvenen die tiefen Beinvenen schädigen, die am Knochen sitzen. Dabei handelt es sich oft um einen jahrelangen, schleichenden Prozess. Wenn die tiefen Beinvenen kaputtgehen, lassen sie sich nicht mehr ohne Weiteres in einer OP reparieren. Den Patienten drohen bleibende Schäden. Daher ist es sehr wichtig, dass man mit Krampfadern früh zum Arzt geht und diese professionell therapieren lässt.“ Darauf hat sich Dr. Hille mit seinem erfahrenen Ärzte-Team spezialisiert. In sechs Operationssälen befreien die Gefäß-Experten jährlich etwa 4500 Patienten von ihren Krampfadern, nutzen dazu verschiedene OP-Techniken. Damit gehört die Klinik an der Münchner Theresienwiese zu den größten Behandlungszentren in Deutschland. Hier beantwortet Dr. Hille die wichtigsten Fragen zur unterschätzten Volkskrankheit.

Was sind Krampfadern eigentlich genau?

Im Kern sind Krampfadern erweiterte oberflächliche Venen – oft unregelmäßig geschlängelt und mitunter knotig verändert. Sie bilden sich meist an den Beinen. Die kleinste Vorstufe sind sogenannte Besenreiser, die ihren Namen von den feinen Verästelungen haben, die bläulich oder violett durch die Haut schimmern. Doch nicht immer sind Krampfadern mit bloßem Auge sichtbar. Diese Tatsache verleitete manche Ärzte früher zu einer falschen These: „Wenn man nichts sieht und nichts spürt, dann muss man auch nichts dagegen unternehmen.“ Doch diese Behauptung stimmt leider nicht. Stattdessen lernen heute bereits Medizinstudenten, dass man Krampfadern nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte. „Sie bilden sich nicht von alleine zurück – im Gegenteil: Oft verschlimmern sie sich mit der Zeit. Zwar ist nicht jede Krampfader gefährlich, aber man sollte sie frühzeitig von einem Gefäß-Spezialisten beurteilen lassen“, rät Dr. Hille.

Wie entstehen Krampfadern?

„Dahinter steckt eine Bindegewebsschwäche“, erklärt Dr. Hille. „Die Venenwände leiern aus, und die damit verwachsenen Venenklappen funktionieren nicht mehr. Damit gehen praktisch die Rückschlagventile verloren. Das Blut sackt ins Bein zurück und fließt nicht mehr zielgerichtet zum Herzen zurück. Dadurch erweitern sich dann die betroffenen Venenabschnitte im Bein.“

Woran merkt man, dass sich Krampfadern gebildet haben?

Viele Patienten bekommen am Abend immer öfter müde und schwere Beine, haben Schmerzen im Ruhezustand. Auch Juckreiz und ein unangenehmes Spannungsgefühl in den Beinen können Alarmsignale sein. „Feine Besenreiser können erste Anzeichen für größere defekte Venen sein“, erläutert Dr. Hille.

Welche Menschen sind besonders gefährdet?

Etwa jeder fünfte Erwachsene leidet an Krampfadern – und wenn man die Besenreiser mitberücksichtigt, sind noch viel mehr Menschen betroffen: ältere öfter als jüngere. Ähnlich viele Frauen wie Männer, sagt die Bonner Venen-Studie. „Allerdings sind Krampfadern nicht nur ein Problem der Generation 60 plus“, erläutert Dr. Hille. „Zumeist werden Varizen im Alter von 30 bis 40 Jahren entdeckt.“ In vielen Fällen ist die Veranlagung für Krampfadern angeboren. Als weitere Risikofaktoren gelten neben zunehmendem Alter Bewegungsmangel und hormonelle Einflüsse. Auch sind Menschen, die in ihrem Beruf lange stehen müssen, stärker gefährdet.

Kann man vorbeugen?

Kaum. Es hilft zwar, Übergewicht zu vermeiden und regelmäßig Sport zu treiben. Aber auch trainierte Athleten sind nicht vor Krampfadern gefeit.

Welche Formen von Krampfadern gibt es?

Am häufigsten treten sogenannte Stammvenen- und Seitenast-Varizen auf. „Sie betreffen die mittelgroßen und großen Beinvenen, bilden sich meist an den Innenseiten von Ober- und Unterschenkeln oder im Wadenbereich“, berichtet der Artemed-Chefarzt. Mitunter müssen auch sogenannte Perforans-Varizen therapiert werden. Dabei handelt es sich um erweiterte Verbindungsvenen zwischen den oberflächlichen und den tiefen Beinvenen.

Wie werden Krampfadern diagnostiziert?

Ein Arzt nimmt das betroffene Bein genau in Augenschein, tastet es ab. Gewissheit und genauere Informationen liefert eine Ultraschalluntersuchung. „Sie ist schmerzfrei und kommt ohne Strahlung aus“, erklärt Dr. Hille. In seltenen Fällen müssen die Patienten zur näheren Abklärung „in die Röhre“ – genauer gesagt werden dann eine Magnetresonanz- (MRT) oder Computertomografie (CT) vorgenommen.

Wie werden Krampfadern entfernt?

Dazu setzen Spezialisten verschiedene OP-Techniken ein. Zur Entfernung einer bis zu 60 Zentimeter langen Stammvene – der Mensch hat pro Bein zwei davon – wird in der Regel das sogenannte Stripping angewendet. Der Operateur setzt in der Leiste einen zwei bis drei Zentimeter langen Hautschnitt, schiebt einen Draht in die betroffene Vene, die quasi zusammengerafft und herausgezogen wird. Die Patienten bevorzugen für diesen Eingriff entweder eine sanfte Vollnarkose oder eine lokale Betäubung.

Gibt es als Alternative zur klassischen OP auch minimalinvasive Behandlungstechniken?

Ja, etwa eine Therapie mit Radiofrequenztechnik. Dabei werden die betroffenen Venenabschnitte mit einer Hitzesonde verödet. Durch einen kleinen Hautschnitt, meist am Unterschenkel, wird ein Katheter mit einer langen Elektrode an der Spitze zum Einsatzort geschoben. Er erzeugt eine Temperatur von 120 Grad und schmilzt den betroffenen Abschnitt praktisch zu einem Überbleibsel zusammen. „Dieser Venenrest wird vom Körper auf Dauer zu Bindegewebe umgebaut“, erklärt Dr. Hille. „Der gewünschte Effekt tritt allerdings sofort ein.“ Das heißt: Die behandelte Krampfader macht nach dem Eingriff keine Beschwerden mehr. In manchen Fällen setzen die Venen-Experten auch ein spezielles Klebeverfahren ein. Der große Vorteil: Es ist nahezu schmerzfrei, der Patient benötigt nicht einmal eine örtliche Betäubung. Zunächst schiebt der Arzt mithilfe eines kleinen Nadelstichs ein dünnes Kunststoffschläuchlein in die betroffene Vene. Dann leitet er einen speziellen Kleber ein. „Der Kleber ist ursprünglich zum Verschließen von erweiterten Gefäßen im Gehirn entwickelt und für die Behandlung von Krampfadern etwas abgewandelt worden. Und zwar derart, dass er etwas zähflüssiger ist und nicht versehentlich in die tiefen Beinvenen gelangen kann“, erläutert der Gefäß-Spezialist. „Durch das millimetergenaue Freisetzen des Klebers wird die Krampfader sofort verschlossen.“ Auch bei dieser Technik ist das Problemaugenblicklich gelöst.

Ist eine Krampfader-Entfernung gefährlich?

Unabhängig von der OP-Methode ist das Komplikationsrisiko vergleichsweise gering. In seltenen Fällen können bei dem Eingriff Wundinfektionen oder Nervenschädigungen passieren. „Gefährdet sind aber nur oberflächliche Hautnerven. Und diese besitzen die Fähigkeit, sich wieder zu erholen“, erläutert Hille.

Wie lange muss man wegen einer Krampfader-Operation in der Klinik bleiben?

Der Eingriff ist ambulant ohne Weiteres möglich, die meisten Patienten entscheiden sich aber dafür, eine Nacht in der Klinik zu verbringen, um sich zu erholen. In der Regel ist man nach der OP eine Woche krankgeschrieben. „Allerdings ist in dieser Zeit moderate Bewegung ausdrücklich erwünscht“, sagt Dr. Hille. „Denn Bewegung ist der beste Schutz gegen Thrombose.“

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