Heidelberg – Ein Forscherteam des Hopp-Kindertumorzentrums Heidelberg (KiTZ), des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) hat ein neues Verfahren zur Prüfung von Medikamenten im Labor etabliert, das auf der Analyse von Mini-Tumoren basiert. Damit sollen die wirksamsten Therapeutika für junge Krebspatienten so rasch wie möglich identifiziert werden. Bei 72 Prozent der untersuchten Mini-Tumoren fand das Team Medikamente, auf die die Krebszellen ansprachen. Die neu etablierte und bislang umfänglichste Prüfung von Medikamenten an Proben von krebskranken Kindern eröffnet neue Behandlungschancen.
Die Forscher hegen große Hoffnungen. Denn das Verfahren ließe sich zudem für unterschiedliche Krebserkrankungen anwenden – wie etwa bei Knochen- und Weichteiltumoren, sowie Hirntumoren und andere Tumorarten. Außerdem funktioniert die Methode auch bei kleineren Gewebeproben. In manchen Fällen sei sogar eine Feinnadelbiopsie möglich – dabei wird mit einer dünnen Nadel Tumorgewebe aus dem Körper entnommen.
Medikamente an Mini-Tumoren zu prüfen, statt wie bislang an einfachen Zellkulturen oder Mäusen, auf die Tumoren der Patienten übertragen wurden, sei ein großer Fortschritt, erklärt Ina Oehme vom Forscherteam des Programms INFORM des Hopp-Kindertumorzentrums Heidelberg (KiTZ).: Um die Tumoren in Miniorganen mit mehreren Gewebeschichten oder in Mäusen wachsen zu lassen, seien normalerweise mehrere Monate notwendig. „Durch das neue Verfahren konnten wir die Zeit vom Probeneingang bis zum Ergebnis für die Patienten auf drei Wochen verkürzen“, sagt Oehme. Die Wissenschaftlerin erklärt: „Unsere ersten klinischen Beobachtungen bei Kindern weisen darauf hin, dass die Tests im Labor Resistenzbildungen bei den jungen Patienten vorhersagen können“, sagt Olaf Witt, Direktor am Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg (KiTZ). „Wir hoffen, dass die jetzt geplanten klinischen Untersuchungen die Zuverlässigkeit des Verfahrens bestätigen. Ist das der Fall, so könnten wir anhand der Labortests sehr viel mehr Kindern eine neue Behandlungschance eröffnen.“
Das Programm ist so wichtig, da Resistenzen gegenüber Krebsmedikamenten in der Kinderonkologie zu den drängendsten Problemen gehören . Ein Fünftel aller an Krebs erkrankten Kinder erleidet nach einer zunächst erfolgreichen Behandlung einen Rückfall und die Standardtherapien schlagen nicht mehr an.
„Ärztinnen und Ärzten bleibt dann meist nur wenig Zeit, um den Krebs erneut zu bekämpfen. Im Durchschnitt sind das nur wenige Monate“, erläutert Olaf Witt, Direktor am Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg (KiTZ). Das am KiTZ geleitete Programm INFORM will krebskranken Kindern weltweit so rasch wie möglich neue Behandlungschancen eröffnen, wenn der Krebs zurückkehrt oder es keine etablierten Therapien gibt. Seit dem Jahr 2015 wurden mehr als 2500 junge Patienten von 100 Zentren aus 13 Ländern in die Registerstudie aufgenommen.
Die Heidelberger Ärzte entschlüsseln das Genom des Tumors, um nach molekularen Schwachstellen zu suchen, die medikamentös angreifbar sind. Eine kleine Probe des Tumors wird außerdem am Leben erhalten, um die Wirksamkeit möglichst vieler Medikamente im Labor testen zu können. Die Studie zeigt, dass diese Mini-Tumoren im Labor zuverlässig eingesetzt werden können, um die Wirksamkeit von Medikamenten zu testen.
Aus den Krebs-Gewebeproben von den Patienten kultivierte das Ärzte- und Wissenschaftlerteam um Olaf Witt Mini-Tumoren. Bis zu 78 Medikamente, unter ihnen auch welche, die sich derzeit in der klinischen Erprobung befinden, konnten sie an den Proben parallel testen.
Darüber hinaus fand das Team für 80 Prozent der Proben, bei denen im Tumorgenom keine therapeutisch relevante molekulare Schwachstelle gefunden wurde, wirksame Medikamente. „Das heißt, die Medikamentenprüfung ist zusätzlich zur Tumor-erbgut-Entschlüsselung eine weitere Möglichkeit, um alternative Behandlungsmöglichkeiten für die Patienten zu identifizieren“, betont Olaf Witt. SUSANNE SASSE