Ingolstadt – Es kann sehr schnell gehen. Rund vier Wochen hat Dr. Rainer Schmottermeyer auf der Intensivstation im Klinikum Ingolstadt zugebracht. Ein Autofahrer hatte ihm zwischen Treuchtlingen und Gunzenhausen die Vorfahrt genommen. Schmottermeyer versuchte, mit seinem Motorrad noch auszuweichen, und kollidierte bei Tempo 90 mit dem Wagen, wie er nachträglich aus dem Unfallgutachten erfuhr. Seine Verletzungen waren damals so schwer, dass erst in den letzten Tagen seines Aufenthalts im Klinikum die Erinnerung wieder einsetzt.
Mit einer Schädelfraktur, zertrümmertem Becken, verdrehten Füßen, Brüchen aller Rippen und starken, nur schwer stillbaren Blutungen brachte der Rettungsdienst den Verletzten ins Überregionale Traumazentrum des Klinikums. Polytrauma nennen die Mediziner Verletzungen, die bereits für sich oder in der Kombination lebensbedrohlich sind – wie bei Schmottermeyer. „Im Klinikum Ingolstadt sitzen meine Lebensretter. Die Versorgung dort ist optimal gelaufen“, blickt er heute zurück. Als Arzt muss er es wissen: Der 59-Jährige ist niedergelassener Neurologe in Ansbach.
Erst vor Kurzem wurde das Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie unter Leitung von Prof. Michael Wenzl wieder für drei Jahre zertifiziert. „Die Versorgung von schwerstverletzten Unfallopfern ist eine unserer anspruchsvollsten Aufgaben. Traumazentren der höchsten Versorgungsstufe wie bei uns bieten mit strukturierter Notfallversorgung die besten Überlebenschancen für Patienten“, erklärt der ärztliche Direktor Dr. Andreas Tiete. Neben dem Universitätsklinikum rechts der Isar in München ist Ingolstadt im Traumanetzwerk für das nördliche Oberbayern zuständig.
Für die Behandlung schwerverletzter Patienten müssen im Schockraum viele Fachdisziplinen eng zusammenarbeiten und die Abläufe der Erstbehandlung und Diagnostik im Schockraum der Notaufnahme eingespielt sein. Das Schockraumteam besteht aus acht bis zehn Personen: mindestens je ein Facharzt für die verschiedenen Disziplinen Unfallchirurgie, Anästhesie, Radiologie, Neurochirugie und Bauchchirurgie sowie Pflegekräften und medizinisch-technischen Radiologieassistenten.
Kommt der Patient, muss es schnell gehen. In Ingolstadt ermöglichen ein spezieller Computertomograf und ein eigens entwickeltes Transportsystem innerhalb von Minuten Bilder des gesamten Körpers (sogenannte Polytraumaspirale). Das System garantiert, dass ein Patient von der Rettungsliege aus dem Notarztwagen nur noch einmal auf eine spezielle Carbonplatte umgelagert werden muss. Der Zeitraum vom Eintreffen im Klinikum über die komplette Diagnostik und Erstbehandlung bis zur Verlegung beträgt durchschnittlich nur 37 Minuten.
Bei der Behandlung steigert jede gesparte Minute die Überlebenschancen: Nach der ersten Phase – in der Regel eine operative Stabilisierung – schließt sich die entscheidende Behandlungsphase auf der anästhesiologischen Intensivstation an. Dort arbeiten die Anästhesie und Unfallchirurgie intensiv zusammen.
Der Weg zurück in die Normalität dauert lange. Für Dr. Rainer Schmottermeyer ist er auch nach anderthalb Jahren noch nicht zu Ende. „Ich lag ein halbes Jahr nur im Bett“, berichtet er, „und habe es mir so gewünscht, wenigstens in der Wohnung umherzulaufen und wieder selbstständig auf die Toilette gehen zu können. Schon jetzt habe ich mehr erreicht, als ich mir damals in den kühnsten Träumen vorgestellt habe.“
Geholfen haben ihm dabei mehrere Monate in einer Spezialklinik für Querschnittsgelähmte. Vier Monate lang hatte er kein Gefühl im rechten Bein. Erst langsam wird es besser. Schmerzen im Sitzen sind ihm geblieben. Der Arzt geht heute ohne Krücken ins Fitnessstudio und läuft mit Walkingstöcken durch die Stadt. Er trainiert fünf Mal die Woche, schwimmt regelmäßig. Er hofft: „Nerven können sich bis zu zwei Jahre nach dem Unfall noch regenerieren, der Muskelaufbau ist sogar noch länger möglich.“ svs