München – Die Leber entgiftet den Körper, baut Alkohol, Medikamente oder Giftstoffe ab. Aber das ist längst nicht alles. Denn die Leber ist auch das Kraftwerk, das Stoffwechsel und Hormonhaushalt steuert. Ohne die Leber ist Leben nicht möglich. Zum Glück aber hat sie die Fähigkeit, Völlerei und Belastungen in gewissem Umfang zu verzeihen und sich zu regenerieren. Aber Vorsicht, hier geistert viel Falsches herum und einige Entgiftungs-Tipps, neudeutsch Detox genannt, sind sogar schädlich. Wie wir für die Lebergesundheit sorgen können, erklärt Prof. Brigitte Mayinger, Gastrologie-Chefärztin am Helios Klinikum München West. Sie erklärt, wie das körpereigene Kraftwerk gesund bleibt, und entlarvt neun Leber-Lügen.
Ein Leberschaden macht sich bemerkbar
Früher dachten die Menschen, dass die Leber der Sitz der Gefühle ist. Deshalb sagte man „Es ist ihm eine Laus über die Leber gelaufen“, wenn jemand schlecht gelaunt war. Nun ist es leider aber nicht so einfach, da die Leber sich eben genau nicht meldet, wenn etwas mit ihr nicht stimmt. Die Leber selbst ist nicht mit Schmerzrezeptoren ausgestattet, erklärt Prof. Brigitte Mayinger. „Nur die Leberkapsel, also das die Leber umgebende Bindegewebe, kann Schmerzen ans Gehirn melden – und die entstehen meist bei großem Druck. Ein großer Druck ist dann gegeben, wenn die Leber stark vergrößert ist. Dann handelt es sich oft bereits um eine fortgeschrittene Erkrankung“, warnt die Fachärztin für Innere Medizin, Gastroenterologie, Endokrinologie und Stoffwechsel. Ebenso ist ein Leberschaden schon weit fortgeschritten, wenn er sich durch gelbliche Haut oder Augäpfel zeigt.
Hauptaufgabe der Leber ist die Entgiftung
Irrtum, das ist viel zu kurz gedacht. Die Leber hat viele Aufgaben. Sie funktioniert als unser persönliches Kraftwerk und treibt den Stoffwechsel an. Zudem reguliert die Leber den Eiweiß-, Fett- und Zuckerstoffwechsel sowie den Vitamin- und Mineralstoffhaushalt. Sie bildet Traubenzucker und Eiweiße, aber auch die Gallenflüssigkeit. Zudem speichert sie in ihren Zellen Zucker, Fett, Eiweißbausteine (Aminosäuren), Mineralien und Vitamine, wenn sie nicht unmittelbar benötigt werden. Weiterhin ist die Leber ein Ausscheidungsorgan – sie baut zum Beispiel Alkohol oder Medikamente in ungiftige Stoffe um und sorgt für deren Ausscheidung über die Galle in den Darm. Weiterhin ist die Leber wichtig für die Blutgerinnung und für das körpereigene Immunsystem.
Eine Fettleber ist ganz einfach festzustellen
Nein, meist ergibt sich dieser Befund durch Zufall. Die Leberwerte jedenfalls geben nicht immer einen klaren Hinweis auf eine Fettleber. „Sie sind in Bezug auf die Leberwerte oft unspezifisch, verschiedene Werte können erhöht sein, aber in aller Regel nicht sehr ausgeprägt“, sagt Prof. Mayinger. Menschen mit einem erhöhten Risiko für eine Fettleber – also insbesondere stark übergewichtige Personen mit Diabetesrisiko – sollten sich gezielt testen lassen, rät Prof. Mayinger. Standardmäßig wird per Ultraschall untersucht. Eine Fettleber erscheint deutlich heller auf dem Bild, weil das Gewebe dichter ist. Auch eine Magnetresonanztomographie (MRT) kann sinnvoll sein, um das Stadium einer Fettleber zu beurteilen.
Eine Fettleber ist automatisch entzündet
„Nein, man unterscheidet hier ganz genau“, erklärt Prof. Mayinger. Eine nicht alkoholische Fettleber, die nicht entzündet ist, haben zehn bis 30 Prozent der Bevölkerung. Daraus kann sich eine Entzündung entwickeln. Und zwar zwischen den Leberzellen an den Berührungspunkten, wo Bindegewebe eingelagert werden kann. „Etwa zehn bis 30 Prozent der Menschen mit einer nicht alkoholischen Fettleber rutschen dann in eine Entzündung hinein, in der Fachsprache Hepatitis genannt“, erklärt Prof. Mayinger. Wenn sich eine Entzündung entwickelt, fürchtet man besonders die sogenannte Fibrosierung, also dass sich in der Entzündung Stränge aus Bindegewebe bilden. Rund zehn bis 20 Prozent der Menschen mit einer entzündeten Fettleber entwickelt so eine Fibrose, und diese erhöht leider das Sterblichkeitsrisiko, erklärt Prof. Mayinger. Und in fünf Prozent der Fälle entwickelt sich die Fibrose zu einer Zirrhose. Bei dieser geht das funktionsfähige Lebergewebe zugrunde und wird durch Bindegewebe ersetzt – umgangssprachlich sagt man, die Leber vernarbt. Eine Leberzirrhose, im fortgeschrittenen Stadium auch Schrumpfleber genannt, ist unheilbar.
Leberprobleme sieht man am Blutbild
Nein, auch das stimmt nicht. Beim Blutbild wird nur die Zusammensetzung der roten und weißen Blutkörperchen geprüft. „Wenn man einen Risikocheck in Bezug auf die Leber haben will, muss man die Leberwerte kontrollieren, die Blutfette, das Cholesterin gesamt, die Triglyceride und das LDL-Cholesterin“, rät Prof. Mayinger. Zudem würde sie den Blutzucker-Langzeitwert testen, den sogenannten HbA1c-Wert. Dieser liegt bei gesunden Menschen in der Regeln zwischen etwa vier und sechs Prozent (20 und 40 mmol/mol). Auch zu viel Blutzucker erhöht das Fettleber-Risiko, sagt Prof. Mayinger.
Viel Obst und Gemüse tun der Leber gut
Hier muss man differenzieren, sagt Prof. Mayinger. Denn Obst enthält viel Zucker – und den abzubauen ist Aufgabe der Leber. Gemüse hat weniger Zuckergehalt und ist deshalb dem Obst vorzuziehen. Mehr als zwei Portionen Obst pro Tag sollten Risikopatienten nicht essen. Zudem sollte man immer das vollständige Obst verzehren und nicht einen Fruchtsaft oder Smoothie trinken. „Dank den Ballaststoffen in Fruchtfleisch, Fasern und Schale hat dann auch der Darm etwas zu tun“, erklärt Prof. Mayinger. Trinkt man dagegen Saft oder Smoothie, „schickt man die ganze Fruktose und Glukose sofort über die Pfortader direkt in die Leber und löst dort quasi einen Zuckerschock aus“. Insbesondere Fruktose ist schädlich. Auch bei fertigem Gemüse heißt es aufpassen: „Ich wundere mich immer wieder, wie viel Zucker beispielsweise Blaukraut im Glas zugesetzt ist“, sagt Prof. Mayinger. Sie rät: Kochen Sie selbst, dann nehmen Sie nicht unnötig viel Zucker zu sich.“ Übrigens: Auch fertig zubereiteter Krautsalat enthält oft viel zugesetzten Zucker.
Die Leber lässt sich kinderleicht entgiften
Kein Alkohol oder Nikotin, ausreichend Schlaf und regelmäßige Bewegung – ein gesunder Lebensstil ist das beste Entgiftungsprogramm, erklärt Prof. Mayinger. Von den diversen Entgiftungskuren, die im Internet und auch in sozialen Medien angepriesen werden, rät sie ab – vor allem, wenn zur Einnahme von Medikamenten oder Nahrungsergänzungsmitteln geraten wird. Im schlimmsten Fall sind sie sogar schädlich: So kann beispielsweise ein Übermaß an Kurkuma, auch Gelbwurz genannt, in seltenen Fällen Leberschäden verursachen. Und dies, obwohl das Gewürz eigentlich als heilsam gilt und in der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) etwa bei Verdauungsbeschwerden empfohlen wird.
Ist die Leber verfettet, bleibt sie das auch
Die Leber ist eine Regenerationskünstlerin. Sie kann sich, sofern sie nicht schwerst geschädigt ist, wieder erholen. Für ein Überleben reichen 30 Prozent gesunde Leberzellen aus. Eine Fettleber ohne Entzündung oder Fibrose kann sich meist wieder zurückbilden, sobald die Ursache des Schadens wegfällt – etwa der viele Alkohol oder übermäßig viel Zucker. Wie lange es dauert, bis sich die Fettleber zurückbildet, hängt davon ab, wie stark sie betroffen ist und ob tatsächlich alle schädigenden Ursachen beseitigt werden. Es ist möglich, dass sich das Organ schon nach drei bis vier Wochen vollständig erholt hat, teilweise dauert es auch mehrere Monate.
Lieber Wasser statt Kaffee trinken
Kaffee ist gesund für die Leber, sagt Prof. Mayinger. Sie erklärt: „Kaffee enthält sehr viele, zum Teil noch unbekannte Inhaltsstoffe. Die meisten davon schützen die Leberzellen.“ Wissenschaftlich sei nachgewiesen, dass Kaffeekonsum zu einem Rückgang der Serumkonzentration verschiedener Leberenzyme führt, so die Chefärztin. „Indirekt zeigt das, dass Kaffee vor einer Schädigung der Leberzellen schützen kann.“ Dieser Effekt habe allerdings auch seine Grenzen, meint Prof. Mayinger. „Kaffee eine therapeutische Rolle für Lebererkrankungen zuzuschreiben, wäre dann doch zu weit gegriffen.“ Sie macht aber deutlich: „Kaffee kann definitiv als Bestandteil einer gesunden Ernährung angesehen werden.“
Je mehr Kaffee, desto besser? Bezüglich der Menge seien die Forschungsergebnisse bislang nicht eindeutig, sagt Prof. Mayinger. „Einige Studien haben gezeigt, dass vier bis sechs Tassen Kaffee täglich die allgemeine Sterblichkeit zwischen zehn und fünfzehn Prozent senken konnte.“ Das sei aber keine Konsumempfehlung, erklärt die Expertin – und fügt an: „Ich trinke gerne Kaffee. Wahrscheinlich komme ich täglich sogar auf vier bis sechs Tassen.“
Auch bei der Fettleber kann Kaffee helfen, Allerdings scheint er weniger die Leberverfettung selbst zu beeinflussen, sondern die Entwicklung des Folgeschadens, nämlich der Leberfibrose.