Wie Lukas (18) die Chemo-Folgen wegtrainiert

von Redaktion

Sport verbessert den Erfolg einer Krebs-Behandlung – am Besten ist begleitetes Training

München/Pfaffenhofen – Es war am Anfang des zweiten Jahres seiner Maurerlehre, als sich Lukas immer öfter sehr schlapp fühlte. „Als Maurer ist man körperlich sehr gefordert, ich war also eigentlich topfit und muskulös, aber dann hatte ich eben dieses seltsame Fieber“, erzählt der heute 18-Jährige. Dass er nicht mehr so konnte, wie er es gewohnt war, begann im November 2021. Weil er so anders war als sonst, machten sich die Eltern große Sorgen – und veranlassten, dass der Hausarzt ein Blutbild macht.

„Die Zahl der weißen Blutkörperchen war stark erhöht“, erinnert sich Lukas. Bei der weiteren Untersuchung zeigte sich, dass die Leber angeschwollen war – und dann wurde die Leukämie entdeckt. Am 22. Dezember 2021, zwei Tage vor Weihnachten und neun Tage vor dem 17. Geburtstag von Lukas. „Mir fehlte noch eine Fahrstunde, dann hätte ich die Fahrprüfung gemacht“, erzählt er. Aber diese konnte er dann erst ein Jahr später ablegen – heuer Anfang Januar, kurz nach seinem 18. Geburtstag am 1. Januar.

Die Zeit dazwischen war hart. Mit einer Chemotherapie in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität am Standort der München Klinik Schwabing, bekämpft Lukas den Blutkrebs. Er ist froh darüber, dass es dort das Sportteam gibt, das ihn täglich motiviert, Sport zu machen. Natürlich immer im Rahmen dessen, was er schafft. Das ist mal mehr, mal auch nur ganz wenig. Aber niemals nichts, sagt Lukas. „Ohne den Sport wäre ich jetzt sicher total schlapp. Ich habe mir geschworen, niemals im Rollstuhl zu sitzen, und davor bewahrt mich das Training.“

„Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf Bewegung“

Während einer Chemotherapie kann es den Patienten nämlich durchaus passieren, dass sie so schwach sind, dass sie sich kaum selbst auf den Beinen halten können, und übergangsweise auf einen Rollstuhl angewiesen sind. „Das möchte ich unbedingt vermeiden“, sagt Lukas. Er blickt nach vorne und will sich vom Krebs nicht unterkriegen lassen: „Lieber, als hier auf der Station im Bett zu liegen. wäre ich jeden Tag draußen auf dem Bau – bei jedem Wetter“, sagt er.

„Lukas ist unser Musterbeispiel in Sachen Motivation“, lobt ihn die promovierte Sportwissenschaftlerin Dr. Sabine Kesting und lacht. Sie hat einen Haufen Sportgeräte, alle transportabel, und fährt mit diesen in der Kinder-Onkologie von Bett zu Bett und motiviert die Kinder dazu, sich zu bewegen. „In meinen Augen sollte Sport begleitend zu jeder Kinderkrebstherapie stattfinden. Aber er wird derzeit nur auf etwa der Hälfte der kinder-onkologischen Stationen in Deutschland angeboten“, sagt sie. Schade, denn körperliche Bewegung hat gleich mehrere positive Effekte: Zum einen erhöht er die Mobilität, hilft, fit zu bleiben, und wirkt sich positiv auf die Stimmung aus. Weiterhin gibt es mehrere Studien mit erwachsenen Krebspatienten, die zeigen, dass Sport auch gleichzeitig das Risiko dafür senken, dass der Krebs zurückkommt. „Bei Kindern gibt es da noch nicht so viele Studien, diese wären dringend nötig, um solche Effekte genauer auch in der Kinderonkologie untersuchen zu können“, sagt sie.

Weiter befinden sich Kinder in der körperlichen Entwicklung. „Um die Kinder in ihrer körperlichen, geistigen und sozialen Entwicklung zu unterstützen, ist Bewegung besonders wichtig“, sagt Dr. Kersting. Die Chemotherapie ist für alle Beteiligten belastend – da ist es für die Kinder und die Angehörigen schön, zu sehen, wenn der körperliche Zustand wenigstens auf einem Niveau gehalten werden kann.

„Mindestens zweimal die Woche für 15 bis 30 Minuten Sport, das ist das Minimum während der stationären Therapie“, sagt Dr. Kesting. Ergänzt aber gleich: „Für gesunde Kinder und Jugendliche ist das Ziel, während der Therapie und auch in der Nachsorge jeden Tag 60 Minuten lang Sport treiben.“

In der Kinderonkologie des Klinikums rechts der Isar ist man stolz auf das Sportprogramm – den Patienten stehen diverse Sportgeräte zur Verfügung: Von den Boxhandschuhen über eine transportable Tischtennisplatte bis zu allerlei Bällen und Yoga-Würfeln ist alles Mögliche vorhanden. Die ganz kleinen Kinder lieben es auch, mit Luftballons zu spielen oder einfach den Gang entlangzurennen.

„Das ist schon toll, oft hört man dann ein Lachen durch die Station hallen“, sagt Lukas. Privatdozentin Dr. Irene Teichert von Lüttichau, die Leiterin des Schwerpunktes Onkologie, sieht diese positiven Effekte täglich: „Sport steigert die Lebensqualität beachtlich“, sagt sie. Das Sportprogramm sei dennoch drittmittelfinanziert – dabei habe Sport so viele positive Effekte. Allen voran senkt er das Rezidivrisiko, also, dass der Krebs zurückkommt. „Wir brauchen Sporttherapie als festen Bestandteil der Krebsbehandlung“, sagt sie und hofft auf die Politik: „Auch wenn die Wissenschaft noch dabei ist, auf molekularer Eben den Grund zu entschlüsseln, warum Sport in der Krebstherapie so einen positiven Effekt zeigt, sehen wir in unserer täglichen Arbeit, wie gut Bewegung den kleinen und größeren Patienten tut“, sagt sie. Die ganz kleinen Patienten vergessen beim Ballon-Stupsen für einen kurzen Moment, dass sie krank sind. Auch fallen sie in der körperlichen Entwicklung dann nicht so stark zurück – schließlich ist das Kleinkindalter dasjenige, indem so viele wichtige motorische Fähigkeiten gelernt werden müssen.

„In der Kinderrechtscharta der Vereinten Nationen steht, dass Kinder das Recht auf freie Bewegung haben“, sagt PD Irene Teichert von Lüttichau. Das gelte auch für das Krankenhaus. Wie Lukas sind die Kinder mit einer Leukämie meist sehr plötzlich mitten aus einem komplett normalen Leben gerissen und quasi in der Klinik „eingekerkert“, sagt sie. Das sei nicht einfach zu bewältigen.

Lukas stimmt zu: „Ich freue mich sehr, wenn ich zurück auf den Bau kann“, sagt er. Maurer zu sein, kräftig anzupacken und etwas mit eigenen Händen zu schaffen, sei sein Traum: „Ich mag es zu sehen, was man gemacht hat“, sagt er – und weiter: „Ich wünsche mir, dass ich später meinen Kindern zeigen kann, was ich alles gebaut habe.“ Steine selber schneiden, Beton mischen – damit er dafür kräftig genug bleibt, trainiert er gerne viel. Und wenn er während einer Chemotherapie einmal sehr schwach ist, motiviert ihn der Gedanken daran, dass er es immer wieder geschafft hat, wieder fit zu werden.

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