München – Etwa die Hälfte der Weltbevölkerung und jeder dritte Deutsche ist mit Helicobacter pylori infiziert, schätzt die Wissenschaft.
So passiert die Infektion
„Meistens holt man sich die Infektion in der frühen Kindheit in der Familie“, erklärt Prof. Markus Gerhard, Arzt und Wissenschaftler vom Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München (TUM). Ganz typisch passiere das im engsten Familienkreis. Also etwa dann, wenn die Eltern oder Großeltern den Schnuller abschlecken, bevor sie ihn dem Säugling wieder in den Mund stecken – und ihn so unwissentlich mit Helicobacter infiziert. „Bei Kindern ist das im Normalfall eine Infektionskrankheit von vielen. Aber es gibt eben den Unterschied, dass der Keim, hat er sich einmal im Magen eingenistet, dann dort bleibt“, erklärt Prof. Gerhard.
Deshalb verursacht Helicobacter Krebs
In 90 Prozent der Fälle passiert gar nichts. Aber Vorsicht: Auch wenn die Infektion bei den meisten Betroffenen kaum merklich passiert, ist das Bakterium umgekehrt die Hauptursache für Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre und auch für die Entstehung von Magenkrebs, sagt Prof. Gerhard und hält fest: „Helicobacter pylori ist weltweit für 90 Prozent aller Magenkarzinome verantwortlich.“ Im vergangenen Jahr überstieg die Zahl der Magenkarzinome weltweit die Millionengrenze. Im Klartext: eine Million Magenkarzinome weltweit, von denen 90 Prozent auf Helicobacter pylori zurückzuführen sind. Das Bakterium verursacht Entzündungen der Magenschleimhaut (Gastritis) – und fordert so das Immunsystem heraus, lässt Geschwüre entstehen und diese können bösartig werden. Hinzu kommt, dass das Helicobacter pylori massiv das Mikrobiom im Darm verändert – das sind die vielen Mikroorganismen, die im Darm leben und wichtig sind für die Verdauung und viele Stoffwechselvorgänge. Das erhöht auch das Risiko für Darmkrebs.
Wer ist betroffen oder Risikopatient?
Was dem Forscher nahe geht: „In den meisten Fällen wissen die Betroffenen nichts von ihrer Infektion, sie wird zufällig entdeckt, wenn sich der Betroffene etwa bei einer Vorsorgeuntersuchung den Magen spiegeln lässt.“
Während das Helicobacter pylori meist keine Beschwerden hervorruft, können die davon hervorgerufenen Magengeschwüre Schmerzen bereiten oder bluten, was sofort behandelt werden muss. Auch das Magenkarzinom mache am Anfang meist keine Beschwerden. „Das ist der Grund, warum wir das oft auch erst ganz spät feststellen, wenn es dann oftmals auch nicht mehr behandelbar ist oder operiert werden kann“, bedauert Gerhard. Ein Grund, warum das Magenkarzinom zu den Krebsarten mit den schlechtesten Prognosen gehört. „Leider finden wir es in den seltensten Fällen in einem Frühstadium.“
Wie wird man den Keim wieder los?
Impfstoffe gibt es gegen Helicobacter pylori bislang keine. An solchen arbeitet Prof. Gerhard zwar auch im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung. Ob es gelinge, einen zuverlässigen Impfstoff gegen das Bakterium u entwickeln, sei noch nicht klar. Aber wenn, dann werde das noch Jahre in Anspruch nehmen, sagt Prof. Gerhard.Unbefriedigend – schon alleine wegen des Magenkrebs-Risikos muss Helicobacter pylori bekämpft werden. Das funktioniert mit einer gezielten Antibiotikatherapie, erklärt Prof. Gerhard: „Durch eine Kombination aus zwei Antibiotika und einem Säureblocker kann man in der Mehrheit der Fälle den Keim beseitigen.“
Das Problem mit den Resistenzen
Helicobacter pylori entwickelt immer mehr Resistenzen gegen Antibiotika. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist alarmiert. „Helicobacter pylori ist inzwischen auf der Liste der Weltgesundheitsorganisation der zehn wichtigsten Infektionserreger mit besorgniserregenden Resistenzen gelandet“, sagt Prof. Gerhard.
Der Grund: Die Antibiotika, mit denen Helicobacter pylori bekämpft wird, werden auch gegen andere Beschwerden verschrieben, beispielsweise bei Mittelohrentzündungen, Atemwegsinfektionen oder Durchfall. Das Problem: Gegen Helicobacter pylori wirken Antibiotika nur im Doppelpack und zusammen mit Magensäureblockern. Nimmt man nur ein Antibiotikum, das zum Beispiel gegen Mittelohrentzündung gut wirkt, dann werden die Helicobacter pylori im Magen gegen dieses Antibiotikum resistent.
Wer also von seiner Infektion mit Helicobacter pylori nichts weiß und öfters Antibiotika nimmt, erreicht so immer mehr Resistenzen der Bakterien in seinem Magen. Das kann sogar so weit gehen, dass irgendwann eine Antibiotika-Therapie gegen Helicobacter pylori bei ihnen nicht mehr wirkt, erklärt Prof. Gerhard. Verschärft wird das Problem, wenn Antibiotika gegen Helicobacter pylori gegeben werden, ohne vorher zu testen, ob im Einzelfall bereits Resistenzen bestehen. So entwickeln sich immer mehr Resistenzen, sorgt sich Prof. Gerhard.
Deshalb ist die Studie so wichtig
Um diese ungute Entwicklung zu stoppen, sollte man frühzeitig testen, wer von Helicobacter pylori befallen ist. „Wünschenswert wäre zudem auch ein Test auf Resistenzen“, sagt Gerhard. In diesem Zusammenhang läuft unter anderem am Klinikum rechts der Isar eine Studie. „Uns geht es darum, wirklich effektive Therapien anzubieten, um die Patienten richtig zu behandeln und gleichzeitig zu verhindern, dass sie weitere Resistenzen entwickeln“, sagt der Forscher.
Ein Problem ist, dass es bislang zu wenig untersucht ist, wer mit Helicobacter pylori infiziert ist. „Wir haben jahrzehntealte Studien, die zeigen, dass 30 bis 40 Prozent betroffen sind, aber wir gehen davon aus, dass die Zahlen inzwischen gesunken sind“, sagt Prof. Gerhard. Aber genau weiß das keiner. Deshalb läuft jetzt die Helicobacter pylori-Studie.
Wer teilnimmt, hat zwei Vorteile: Erstens wissen die Probanden nach dem Blut- und Atemtest, ob sie mit Helicobacter pylori infiziert sind. Und wer befallen ist, kann dann eine Magenspiegelung erhalten, auf Resistenzen untersucht und entsprechend behandelt werden.
Die Studie
In München wird die Studie an beiden Unikliniken durchgeführt. Interessenten ab 18 Jahren können sich bei beiden Häusern melden: Studienteam München – TUM; E-Mail: helicobacterstudie. med@tum.de Studienteam München – LMU; E-Mail: helicobacter@med. uni-muenchen.de
Oder direkt auf der Studienwebseite einen Termin vereinbaren: https://helicobacter-testen.de/