von Redaktion

VON MATTHIAS BUSCH

Wer durch Israel reist, wird geflasht von Eindrücken, die gegensätzlicher nicht sein könnten: Junge Leute feiern Party in Tel Aviv, in Jaffa kann man köstlich essen, in Jerusalem huschen orthodoxe Juden durch enge Altstadtgassen zur Klagemauer, darüber thront die Al-Aksa-Moschee, drittwichtigste Moschee des Islam. Überall patrouillieren und kontrollieren bis auf die Zähne bewaffnete israelische Soldaten, halten Spiegel unter Linienbusse, um Bombenanschläge zu verhindern, die dennoch nahezu täglich das Land erschüttern. Mauern und Zäune sollen vor Angriffen aus den Palästinensergebieten schützen. Ein Staat unter Daueralarm, bewohnt von Menschen, die verschiedener nicht sein könnten. Ein politisch und gesellschaftlich gespaltenes Volk, das dennoch geeint ist vom Glauben, auserwählt und angekommen zu sein im gelobten Land, nach Jahrhunderten der Verfolgung und millionenfachem Tod in deutschen Lagern.

Trotz aller Probleme ist Israel seit seiner Gründung vor 75 Jahren Heimat vieler, zuvor in aller Welt verstreuter Juden geworden. Eine Anziehungskraft, die – wie Anneleen Van Offel in ihrem eindrücklichen Roman erzählt – für manche Menschen obsessiv werden kann. Mit dramatischen Folgen für ganze Familien.

Als Lydia Joachim kennenlernt, ist dessen Frau vor Kurzem bei der Geburt ihres gemeinsamen Sohnes Immanuel gestorben. Der aus Polen stammende Jude, der inzwischen in Belgien wohnt, irritiert seine neue Liebe schon bald mit seiner Sehnsucht nach Israel, „ein schlagendes Herz“, das jeder Jude spüren müsse, um ganz zu werden. Bald tragen er und sein Sohn eine Kippa, lernen Hebräisch und schließen Lydia immer mehr aus ihrem Leben aus. Bis Joachim seiner Bestimmung folgt, mit dem Jungen nach Israel zieht und alle Kontakte kappt. Zutiefst verletzt findet Lydia nur schwer zurück in ihren Alltag, als eines Tages Immanuel mailt: „Komm nach Israel, Mama!“. Doch als sie dort landet, ist der junge Mann tot. Völlig verzweifelt spürt sie den Gründen für seinen Selbstmord nach, erfährt von seiner schmerzhaften Militärzeit, seiner unerfüllten Leidenschaft, seiner Zerrissenheit in einem Land, das ihm fremd geblieben ist. Und das ihn mit seinen vielen Widersprüchen zermürbt hat.

Ein intensiver, atmosphärisch dichter Roadtrip durch Israel – schonungslos, hart, von enttäuschter Liebe, zerplatzten Träume und unbewusster Schuld getragen.

Artikel 2 von 11