München – „Stell dich nicht so an“ oder „So schlimm kann es doch nicht sein“ – solche Sätze hören Endometriose-Patientinnen immer wieder. Dabei leiden die betroffenen Frauen unter stärksten Unterleibsschmerzen und können ihren Alltag oftmals nur mithilfe von Schmerzmitteln bewältigen. Weil aber offensichtlich immer noch zu wenig Medizinier über die chronische Erkrankung Bescheid wissen, vergehen oft Jahre, bis Patientinnen eine gesicherte Diagnose bekommen.
„Bis Endometriose diagnostiziert wird, vergehen im Durchschnitt zehn Jahre“, bedauert Prof. Dr. Tobias Weißenbacher. Der Gynäkologe praktiziert am MIC-Zentrum München, einem zertifizierten Endometriose-Zentrum. Bis zu 15 Prozent aller Frauen im gebärfähigen Alter sind von diesem großen Problem betroffen. Deutschlandweit sind das den Schätzungen nach über zwei Millionen Frauen. „Wir gehen aber von einer hohen Dunkelziffer aus“, sagt Weißenbacher.
Bei der chronisch-entzündlichen Erkrankung siedelt sich gebärmutterähnliche Schleimhaut im Bauchraum an, so beispielsweise an Darm, Blase oder Bauchdecke. Diese sogenannten Herde verursachen Schmerzen und können zu Verwachsungen und Verklebungen führen. „Obwohl wir hier über eine gutartige Erkrankung reden, kann es notwendig werden, Organe oder Teile von Organen entfernen zu müssen“, sagt der Arzt. In seltenen Fällen finden sich Endometriose-Herde sogar in der Lunge oder im Gehirn.
Je nachdem, wo sich die Herde bilden, können die Beschwerden ganz unterschiedlicher Art sein – was die Diagnose umso schwieriger macht. „Die Krankheit ist ein symptomatisches Chamäleon“, sagt Gynäkologe Weißenbacher. Das häufigste Symptom ist ein sehr starker Periodenschmerz. Aber auch Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, Beschwerden beim Wasserlassen oder Stuhlunregelmäßigkeiten können auf die Erkrankung hindeuten. „Viele Patientinnen leiden auch unter einem Blähbauch, dem sogenannten Endo-Belly“, sagt der Experte. Nicht selten erhalten Betroffene von Gastroenterologen die Diagnose Reizdarm.
Ein unerfüllter Kinderwunsch kann ebenfalls an Endometriose liegen. Die betroffenen Frauen haben Schwierigkeiten, schwanger zu werden, denn die Erkrankung hat einen negativen Einfluss auf den Eizellentransport. „Aber es ist nicht unmöglich, Kinder zu bekommen“, betont der Gynäkologe.
In den Wechseljahren nehmen die Beschwerden in der Regel ab, weil es zu einem Abfall des Östrogenspiegels kommt. „Wir wissen, dass das Hormon die Endometriose triggert“, sagt Weißenbacher. Die Herde trocknen während der Menopause ein, die Schmerzen verschwinden – jedoch leider nicht bei allen Frauen. „Bis zu zwei Prozent der Endometriose-Patientinnen haben laut Studien auch nach den Wechseljahren weiterhin Beschwerden.“
Behandelt wird eine Endometriose immer individuell und mit verschiedenen Ansätzen. So lindert eine Hormontherapie meist die Beschwerden. Größere Herde oder Verwachsungen können im Rahmen einer Bauchspiegelung abgetragen oder gelöst werden. Die OP dient auch als sicherster Nachweis für die Erkrankung, denn nicht alle Verklebungen sind im Ultraschall sichtbar. Ein kürzlich auf den Markt gekommener Speicheltest ist laut Weißenbacher für die Diagnose noch zu ungenau.
Auch bei der Ernährung können Patientinnen einiges tun. „Wir empfehlen, anti-entzündlich zu essen.“ Zeitweise vegan zu leben, auf Gluten und zu viel Zucker zu verzichten und sich histaminarm zu ernähren, kann sich ebenfalls positiv auf die Schmerzen auswirken – wie auch Bewegung, Physiotherapie und Osteopathie.
Zwar wurde Endometriose erstmals vor über 350 Jahren beschrieben – über das Krankheitsbild weiß man aber trotzdem noch nicht recht viel. „Endometriose ist eine lange sehr stiefmütterlich behandelte Erkrankung“, sagt Weißenbacher. Wie die Herde außerhalb der Gebärmutter entstehen, ist noch nicht restlos geklärt, es gibt dazu auch ganz unterschiedliche Theorien. „Aber keine ist ausreichend zufriedenstellend.“
So weiß man bisher nicht, warum Endometriose in sehr seltenen Fällen auch bei Männern auftritt oder wie das gebärmutterähnliche Gewebe in Lunge oder Gehirn gelangt. „Es scheint aber eine erbliche Komponente zu geben“, sagt der Gynäkologe.