München – Was kaum einer weiß: Nahrungsergänzungsmittel gelten rechtlich als Nahrungsmittel und nicht als Medikamente. Somit müssen sie auch nicht getestet sein – schon gar nicht in so aufwendigen und jahrelangen Studien, wie sie bei echten Medikamenten vor der Zulassung nötig sind. Im Unterschied dazu ist bei Nahrungsergänzungsmitteln der Nutzen gar nicht belegt. „Dazu müssten die Hersteller medizinisch fundierte Studien durchführen, aber das vermeiden sie, weil dann höchstwahrscheinlich herauskommen würde, dass ihr Produkt gar nichts bringt“, sagt der Internist, Kardiologe, Sportmediziner und Experte für Stressmedizin Dr. Milan Dinic.
In seiner Praxis sind die Pillen und Pülverchen Dauerthema: „Manchmal bekomme ich einen Schock, wenn die Leute zu mir in die Praxis kommen und erst mal auspacken, was sie so alles einnehmen“, sagt Dr. Dinic. Er sei kein Gegner von Nahrungsergänzungsmitteln und Vitaminpräparaten, stellt er klar: „Aber man sollte sie eben nur dann zuführen, wenn es wirklich sinnvoll ist!“ Ansonsten sei es hinausgeschmissenes Geld. „Ein gesunder Mensch, der sich ausgewogen ernährt, wird ausreichend mit den wichtigsten Vitaminen und Mineralstoffen versorgt“, betont Dr. Dinic. Wer Nahrungsergänzungsmittel einfach ins Blaue hinein nimmt, Gefahr, seine Gesundheit durch eine Überdosierung ernsthaft zu schädigen. Wer sie einnimmt, sollte sich vorher genau untersuchen lassen. Für die Diagnose kommt es ganz auf den Patienten und seine jeweiligen Beschwerden an, erklärt Dr. Dinic. Die Untersuchung wird in der Regel von den Krankenkassen nicht bezahlt – außer, sie ist wegen einer Vorerkrankung notwendig, sagt Dr. Dinic
Komplexpräparate für bestimmte Altersgruppen sind so zusammengestellt, dass sie Menschen, die normal gesund sind und sich normal ernähren, nicht schaden. „Aber der Punkt ist auch, dass sie eben meistens auch gar nichts nutzen. Dann verpulvert man viel Geld, das man besser zum Beispiel für eine hochwertige Ernährung mit Bioprodukten oder Ähnlichem investieren könnte“, sagt Dr. Dinic.
Denn nur ein kleiner Teil der Nährstoffe aus Tabletten oder Pulvern kommt im Körper so an, dass er genutzt werden kann. „Den Rest scheidet der Körper wieder aus“, erklärt Dr. Dinic.
Bei vielen Nahrungsergänzungsmitteln mit dem Vitamin B12 ist beispielsweise die Einmaldosis wesentlich höher als die täglich empfohlene Zufuhrmenge, weil der Darm die Nahrungsergänzungsmittel weniger effektiv aufnehmen kann als das Vitamin B12 aus Lebensmitteln. Dies liege auch daran, dass viele Menschen eine Art chronische Magenschleimhautentzündung hätten und Vitamin B12 so nicht resorbieren können, sondern eine Infusion oder Injektion bräuchten.
Um solche Pannen zu vermeiden, sei es auf lange Sicht kostengünstiger, zunächst eine Diagnose erstellen zu lassen, rät Dr. Dinic. Dann kann man gezielt die Vitamine und Mineralstoffe nehmen, die der Körper braucht.