von Redaktion

VON NICOLA FÖRG

Eine Kuh ist ein Säugetier. Daher gibt sie nur dann Milch, wenn sie ein Kalb geboren hat. Eine Binsenweisheit, die aber weitreichende Folgen hat: Wohin mit der Nachzucht, vor allem mit den Bullenkälbern? Eine elementare Frage, die Bio-Betriebe noch mehr umtreibt.

Boromir schreitet gelassen über die Wiese. Bei einem solchen Namen muss er das auch: Boromir bedeutet „Treues Juwel“ und ist eine Figur aus „Der Herr der Ringe“. Bei Familie Stürzer aus Wall (Lkr. Miesbach) ist die Namensgebung „eine Sache des Familienrats“, wie Albert Stürzer lachend erzählt. „Wir haben eine Adelheid, eine Vreni. Und weil Kälber ja immer Namen mit dem Anfangsbuchstaben der Mama tragen, heißt die Tochter von Fanni eben Frau Holle.“

Frau Holle schleckt gerade eine Kollegin ab und beide lassen sich dann Bauch an Bauch nieder. Keine seltene Beobachtung, denn Rinder schließen enge Freundschaften. 35 Milchkühe und 15 Kälber hat die Familie. Und damit sind „wir schon so was wie Exoten“, betont Stürzer. Denn es sind bisher nur wenige Betriebe, die auf kuhgebundene Kälberaufzucht setzen. Stürzers Milchkühe bekommen ein Kalb, das bleibt eine Woche mit der Mutter in der Kälberbox. Ab der zweiten Woche geht es mit hinaus in die Herde. Zu den Melkzeiten kommen alle rein, die Mamas werden gemolken, die Kälber sind in einer Gruppenbox. „Das ist wie ein Kindergarten, die größeren leiten die kleineren an“, schmunzelt Stürzer. Auf der Weide treffen die Kälber dann wieder auf ihre Mütter. Der Hof hat von April bis Oktober Vollweidehaltung. Den Winter verbringen die Tiere in einem Laufstall mit Außenlaufhof. Dann werden die Kälber Ammenkühen zugeteilt: Eine Amme versorgt drei Kälber. Das funktioniert, die Tiere begreifen schnell. Der Weg der Stürzers ist insofern ungewöhnlich, als Kälber sonst nur die immunstabilisierende Biestmilch trinken dürfen und nach wenigen Stunden von der Mutter getrennt werden. Noch immer glauben viele, es sei ja nicht rentabel, wenn das Kalb quasi die Milch wegtrinkt. Aber ein Kalb braucht nur acht Liter am Tag, die Kuh gibt bis 30 Liter. Genug für Familie Stürzer, deren Hof auch Bio-Heumilch-Betrieb ist und deren Kühe Hörner tragen.

Doch eine Frage bleibt: Wohin mit den Kälbern, Bullenkälber und Färsen? Im Großen gibt es keine Bio-Mastbetriebe, die Bio-Kälber weitermästen. Die Kälber verlassen also den Bio-Kreislauf. „Mit Glück landen die nur in Norddeutschland, mit weniger Glück stehen strapaziöse Transporte bis Spanien oder – noch schlimmer – in Länder außerhalb der EU an. Gemästet wird da, wo es am billigsten ist, gerne auch in Hafennähe, wo Futtermittel ankommen. Gemästet wird mit billigstem Milchaustauscher, geschlachtet dann in Großschlachtereien.“ Das ist der Weg des Rindfleisches!

Es sei denn, man geht einen alternativen Weg. Seit vier Jahren gibt es die Initiative „Biokalb Oberland“, bei der zehn Betriebe mitmachen. Es sind acht Milcherzeuger und zwei Mastbetriebe, der eine arbeitet mit Ammenkühen, der andere kauft die Absetzer, die 100 Tage alt sind, und mästet sie auf der Weide weiter. Kein Tier fällt so aus dem Bio-Kreislauf heraus, es ist ein nachhaltiger Weg, weiß Stürzer. Aber es braucht einen aufgeschlossenen Verbraucher. „Doch statt hochwertigem Bio-Rindfleisch aus der Region landet leider immer noch viel billiges Schwein und Geflügel auf dem Grill. Wir haben kürzlich die Bewirtung in einem Festzelt übernommen, die Leute waren vom Bio-Rindfleisch begeistert. Das muss sich weiter durchsetzen.“ Die Aufzucht von Bio-Kälbern ist teuer, weil sie mit Bio-Milch statt mit günstigem Milchaustauscher aufwachsen. Doch Stürzer geht es nicht nur um bessere Milch und besseres Fleisch, er kämpft auch für den Erhalt der Bio-Diversität. „Und das geht nur mit Weidetieren!“ >> Interessante Links www.biokalb-oberland.de www.hairerhof.de

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