Rosas dramatischer Start ins Leben

von Redaktion

OP nur eine Stunde nach der Geburt – Genialer Kraftakt in der Kinderklinik

VON ANDREAS BEEZ

München – Alle Eltern wissen: Die Geburt eines Kindes ist ein Wunder – und für gläubige Christen ein Gottesgeschenk. Aber im Fall der kleinen Rosa Bella waren auch einige Ärzte und Schwestern am Werk, die nahezu Übermenschliches vollbracht haben. So sehen es jedenfalls Rosas Eltern Theresa (36) und Florian E. (37). Während der Schwangerschaft hatte die Mama eine schockierende Diagnose erhalten: Ihr Baby im Bauch litt an einem gewaltigen Tumor, der Herz und Lunge bedrängte. Rosas Leben drohte zu enden, bevor es überhaupt begonnen hatte. Doch Spezialisten der Kinderklinik Dritter Orden retteten sie in einer dramatischen Operation nur eine Stunde nach der Geburt. Heute ist das süße Münchner Kindl pumperlg’sund.

Das Gespräch mit den Ärzten in der 22. Schwangerschaftswoche hat sich tief in Theresas Gedächtnis eingebrannt. „Zunächst fürchtete ich, sie sagen mir: Rosa hat keine Chance zu leben.“ Es fiel der sonst so taffen jungen Frau schwer, das gruselige Gefühlsgemisch aus Angst, Ohnmacht und Verzweiflung auszuhalten. „Ich habe die Lichter an der Decke gezählt, wollte nicht die Fassung verlieren.“ Nach dem realen Albtraum-Gespräch rief sie ihren Mann Florian an. „Es war ein schwerer Abend für uns.“

Tumor bedrängte Herz und Lunge

Mit einer solchen Hiobsbotschaft hatten sie nicht gerechnet. Die Sozialpädagogin und der Ingenieur aus München freuten sich riesig auf ihre zweite Tochter – gemeinsam mit der großen Schwester Lilly Marie, die heute dreieinhalb Jahre alt ist. Zunächst verlief die zweite Schwangerschaft ganz normal. Bis ihre Frauenärztin Dr. Bettina Weber bei einer Routineuntersuchung im Ultraschall eine Unregelmäßigkeit entdeckte. Sie schickte die werdende Mama zu ihrem Kollegen Dr. Karl-Philipp Gloning. Der Gynäkologe zählt zu Deutschlands erfahrensten Pränatalmedizinern und Spezialisten für Risikogeburten. Seine Diagnose war alarmierend: ein Tumor, zwar immerhin gutartig, also kein Krebs, aber trotzdem lebensbedrohlich. Diese Gewebewucherung hatte Rosas linken Lungenflügel schon fast erdrückt, ihr winziges Herz verlagert. Noch dazu kam es durch den Sequester – so der medizinische Fachbegriff – zu Wassereinlagerungen in Rosas Brustkorb. Er musste mehrfach punktiert werden. Dabei saugten die Ärzte unter Ultraschallkontrolle mit einer dünnen Nadel Flüssigkeit ab, um den Brustkorb zu entlasten. Die Eingriffe waren riskant, aber lebensnotwendig.

Gleichzeitig lief ein kühner Plan für Rosas Rettung an. Ersonnen hatte ihn Dr. Gloning gemeinsam mit Professor Stephan Kellnar. Der Ärztliche Direktor des Klinikums Dritter Orden gehört wiederum zu Deutschlands erfahrensten Kinderchirurgen. Die beiden Mediziner und ihre Ärzteteams arbeiten bereits seit Jahrzehnten eng zusammen.

Um Rosa zu retten, mussten die Ärzte ihr ganzes Know-how aufbieten. Ein weiterer Schlüssel war die außergewöhnliche Logistik in der Kinderklinik Dritten Orden. Sie besitzt ein Perinatalzentrum der Maximalversorgung. Hinter dem sperrigen Begriff verbirgt sich ein medizinisches Hochleistungszentrum: Unter einem Dach stehen alle entscheidenden Spezialeinheiten zur Verfügung – von der Risiko-Geburtshilfe über die Neonatologie mit Intensivstation bis hin zu den kinderchirurgischen Operationssälen.

Der Clou: Die Räume sind durch einen vollkommen erschütterungsfreien Lift miteinander verbunden. Dadurch können selbst winzige und schwerstkranke Frühchen sicher transportiert werden. „Ihnen drohen schon bei kleinsten Erschütterungen dramatische Komplikationen wie Hirnblutungen“, erklärt Kellnar.

Das Perinatalzentrum hat schon hunderten Münchner Kindern das Leben gerettet. Bereits vor 20 Jahren ließen es die Schwestern des Dritten Orden für viel Geld errichten, ihre mutige Entscheidung gilt bis heute als visionär. Auch im Falle von Rosa waren die perfekten medizinischen Rahmenbedingungen ein wesentlicher Erfolgsfaktor. In der 28. Schwangerschaftswoche holten die Spezialisten das Frühchen per Kaiserschnitt zur Welt. Sie wog ganze 1310 Gramm und war 38 Zentimeter groß. Den richtigen Zeitpunkt zu finden, war eine medizinische Gratwanderung. Einerseits versuchten die Mediziner, Rosa so lange wie möglich im Bauch ihrer Mama heranwachsen zu lassen. Andererseits fraß sich die bedrohliche Gewebewucherung immer weiter in ihren zerbrechlichen Körper.

Die Geburt erfolgte unter Reanimationsbedingungen, wie Mediziner sagen. Dabei musste alles blitzschnell gehen. Rosa wurde sofort intubiert und bekam eine sogenannte Hochfrequenz-Beatmung. Dabei gibt das Sauerstoffgerät etwa 500 Atemstöße pro Minute ab. Der Vorteil: Die Methode ist besonders schonend. Der Nachteil: Der kleine Körper vibriert permanent – auch bei der OP.

Eine Stunde lang wurde Rosa auf der Intensivstation stabilisiert, dann begann Kellnar mit dem heiklen Eingriff. Dieser verlangte dem Kinderchirurgen alles ab. Zum einen ist das Gewebe von Frühchen wie Rosa ähnlich verletzlich wie Pergamentpapier, auch eine nur minimal falsche Handbewegung, ein um wenige Millimeter zu langer Schnitt während der OP hätte fatale Folgen haben können. Zum anderen musste Kellnar die Vibrationen des kleinen Körpers durch die Hochfrequenz-Beatmung berücksichtigen und seinen eigenen Bewegungsrhythmus entsprechend anpassen.

Wie sich die Eltern vor der Tür des Operationssaales gefühlt haben müssen, lässt sich nur erahnen. „In der Phase vor dem Eingriff habe ich einfach nur das Beste gehofft und so gut es ging versucht, mich nicht zusätzlich in meine Angst hineinzusteigern. Als die OP dann losging, habe ich gar nicht mehr denken können, alles in mir reduzierte sich darauf, irgendwie zu funktionieren.“

Eine Tür weiter hat auch Kellnar funktioniert. Es gelang ihm, die Gewebewucherung vollständig zu entfernen, ohne Rosas kleinem Körper bleibende Schäden zufügen zu müssen. Der Ausnahme-Operateur, der schon einige tausend Kinder operierte, war erleichtert. Aber die ganze Last der Verantwortung hat er erst später abgeworfen – genauer gesagt bei einem Gleitschirmflug über den Bergen. Das ist seine Art, solche Ausnahmesituationen zu verarbeiten. „Beim Fliegen kann ich abschalten, alles um mich herum vergessen.“ Auch die quälenden Erlebnisse, die er in vielen Jahrzehnten notgedrungen sammelte. „Wenn man den Eltern sagen muss, dass man ihr Kind nicht retten konnte, obwohl man alles gegeben hat, dann vergisst man das nie. Keines dieser Gespräche, keinen einzigen Namen“, erzählt Kellnar. „Umso glücklicher bin ich, dass bei Rosa alles so gut geklappt hat. Sie lachen zu sehen und zu wissen, dass sie heute die besten Voraussetzungen für ein ganz normales, gesundes Leben hat, dafür mache ich diesen Job.“

Das Glück ist zurück bei der Münchner Familie

Drei Monate blieb Rosa in der Kinderklinik, wurde von Ärzten und Schwestern liebevoll aufgepäppelt. Inzwischen ist sie daheim bei ihrer Familie. Das Glück ist zurück bei der Münchner Familie. Was bleibt, ist tiefe Verbundenheit. „Der Dritte Orden und vor allem die Menschen dort sind jetzt ein Teil von Rosas Leben“, sagt ihre Mama Theresa. Sie empfindet Dankbarkeit – auch für unser oft gescholtenes Gesundheitssystem. „Dass wir in Deutschland eine so gute medizinische Versorgung und gerade hier bei uns in München solche Top-Kliniken haben, ist nicht selbstverständlich. Das ist Gold wert.“ Ihr Goldstück mit dem hübschen Namen Rosa Bella wiegt inzwischen stolze 4000 Gramm, berichtet die Mama: „Sie ist ein gesundes Kind. Es gibt nichts Wichtigeres im Leben.“

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