Bayerns Flüsse sind schon lange keine Wildflüsse mehr, sie werden auch in der Zukunft für die Energiegewinnung gebraucht. Weil aber Querbauwerke Fische am Wandern hindern, werden immer mehr kostspielige Treppen verbaut, die den Tieren einen Aufstieg ermöglichen sollen. Derzeit machen zwei mehrere Millionen Euro teure Großbaustellen am Lech an der Staustufe Dessau und bei Urspring von sich reden. Radler und Wanderer, die auf dem Lechweg unterwegs sind, hört man dann gerne mal schimpfen: „So a Schmarrn, so viel Geld zahlen mir für a Fischtreppe, wegen so a paar Fisch.“
Genau genommen nennt man diese Bauwerke „Fischaufstiegsanlage“ (FAA) und das Geld bezahlt der Energiekonzern Uniper. Der Lech ist Bayerns Energiefluss, Unipers Kraftwerksgruppe Lech betreibt am Lech 22 Laufwasserkraftwerke sowie das Speicherkraftwerk Roßhaupten am Forggensee. Uniper erfüllt eine Rechtsvorschrift, nämlich die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) der EU. Diese wird über das Wasserhaushaltsgesetz in nationales Recht übersetzt. Im schönen Behördendeutsch will man die „flussaufwärtsgerichtete Durchwanderbarkeit“ wiederherstellen. Das Wandern bedeutet Populationsschutz, mehr Fische können sich wieder treffen und fortpflanzen.
„Wenn die Fische zwischen zwei Stufen abgeriegelt sind, verarmen sie natürlich genetisch, Inzucht ist die Folge. Aber auch Fischnährtiere müssen durchschwimmen können“, sagt Johannes Schnell, Leiter im Referat für Fischerei, Gewässer- und Naturschutz beim Landesfischereiverband Bayern. So eine Aufstiegsanlage ist ein diffiziles Konstrukt, es müssen Fische von ganz unterschiedlicher Größe durchpassen. Wie der imposante Huchen, „der im unverbauten Fluss bis zu 100 Kilometer schwimmt“, und die schwimmschwächere Mühlkoppe, die keine hohen Stufen überwinden kann.
Doch es geht um weit mehr. In Zeiten des Klimawandels müssen Fische auch in einen kühleren Seitenbach ausweichen können. „Die Bachforelle macht uns da Sorgen, sie braucht einen Pfad, eine Fluchtmöglichkeit ins kühlere Wasser. Für sie wird es zwischen zwei aufgeheizten Staustufen bedrohlich.“ Das bedeutet eben auch, dass jede FAA für die jeweilige Stelle am Fluss maßgeschneidert ist, „custom made“, wie Theodoros Reumschüssel von Uniper sagt. „Diese Transitstrecke muss Fische in verschiedensten Altersstufen ansprechen, es gibt Stillzonen, Kehrwasser, eine abwechslungsreiche Möblierung, die dem Fisch gefällt.“ Dafür nimmt Uniper viel Geld in die Hand.
Es geht los mit Rodungsarbeiten, zur Abgrenzung des künftigen Baufeldes werden Reptilienschutzzäune aufgestellt, die umschlossenen Flächen werden regelmäßig gemäht, um den Baubereich für heimische Reptilien möglichst unattraktiv zu gestalten. Vorhergegangen sind Untersuchungen der Fischereifachberater, die Untere Naturschutzbehörde ist im Spiel und viele mehr. Grundlage ist immer das Praxishandbuch für FAA des Landesfischereiverbands, ein Standardwerk für das Fischarteninventar. Jede Anlage ist eine Einzelplanung. Und am Ende steht die Frage: Nehmen die Fische die Anlagen auch an? Tun sie, aber nicht sofort. Man kann durch Befischung mit Reusen feststellen, wer wie wandert, es gibt Videoerkennung mit Monitoring, am Lech existiert die FAA bei Kaufering seit zehn Jahren und dort sieht man auch große Huchen im Verbindungsgerinne. Insofern ist garantiert, dass jede FAA hilft, die Artenvielfalt zu erhalten.
„Neben den FAA sind es auch die lokalen Fischereiverbände, die mithelfen. Sie sind der Hege verpflichtet und legen beispielsweise am Lech künstliche Kieslaichplätze an“, stellt Schnell klar. Reumschüssel ergänzt: „Am Ende ist es doch wichtig, die Akzeptanz für unser Tun zu erreichen. Natürlich wollen wir alle mitnehmen, unsere Mitarbeiter sind den Flüssen verbunden, die leben dort, haben eine hohe Sensibilität für die Natur.“ Die Fischaufstiegsanlage am Kraftwerk Urspring wird die Durchgängigkeit mit der Anlage am flussabwärts gelegenen Kraftwerk Dessau auf einen zusammenhängenden Flussabschnitt von rund 24 Kilometer verlängern. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Wiedervernetzung mit der Litzauer Schleife, einem ökologisch besonders wertvollen Lechabschnitt, dem letzten, der unverbaut geblieben ist. Auch die Unterläufe von Seitenzuflüssen, wie der Illach und des Gruberbaches, werden für aufwärts wandernde Fische wieder erreichbar sein. Bis Ende 2027 sollen acht weitere Fischaufstiegsanlagen folgen, dann wären auf 70 Kilometer alle Staustufen für Gewässerlebewesen im Lech passierbar.
Wasserkraft erleben
Informationszentrum Walchenseekraftwerk, Kochel am See. Tel.: (0 88 51) 77 225 22. Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr. Besuch ohne Voranmeldung möglich. Freier Eintritt, Gruppenführungen ab 15 Personen. Informationszentrum am Kraftwerk Roßhaupten, tägl. 10 bis 17 Uhr.