Für Noah (10) gehören Herzkatheteruntersuchungen zum Alltag

von Redaktion

Wilhelmshaven – Als Noah (10) geboren wurde, wurde er quasi sofort operiert, denn sein Herz hat eine schwere Fehlbildung und hätte ihn nicht am Leben halten können. „Sein Herzfehler nennt sich Hypoplastisches Linksherzsyndrom (HLHS). Vereinfacht gesagt hat er nur ein halbes Herz und statt zwei nur eine funktionierende Herzkammer“, erklärt sein Vater Sebastian Kahnt. Untersuchungen des Herzens per Katheter (siehe Text oben) sind für die Familie Routine. Anders als bei Erwachsenen, bei denen der Herzkatheter über den Arm eingeführt werden kann, ist dies bei Kindern nur über die Leiste möglich. Unter Vollnarkose – klar. „Sonst würden es die Kinder körperlich und auch psychisch gar nicht packen“, sagt Vater Sebastian Kahnt.

Insofern kann er den Plan von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, solche Untersuchungen bei Kindern künftig nur noch ambulant durchzuführen, gar nicht fassen. Er sieht dadurch die Leben von Kindern mit angeborenen Herzfehlern unnötig gefährdet. Der 50-Jährige, der seit Kurzem Geschäftsführer des Bundesverbands Herzkranker Kinder ist, erklärt, wie die Untersuchungen per Herzkatheter bei seinem Sohn bisher abgelaufen sind: „Wir wohnen rund 350 Kilometer vom Kinderherzzentrum am Uniklinikum Kiel entfernt.“ Bislang kam die Familie immer am Vortag. Nach der Herzkatheteruntersuchung musste sich Noah immer flach ins Bett legen. Damit die Leistenarterie sich nicht nochmals öffnen kann, wurde ein Druckverband angelegt und die Öffnung in der Arterie, durch die der Herzkatheter eingeführt wurde, mit einem Sandsack beschwert.

„Das Problem ist, dass in den Blutgefäßen in der Leiste auch der höchste Druck herrscht“, sagt der Vater. Unvorstellbar, dass er seinen Sohn direkt nach der Punktion nach den neuen Ambulatisierungsregeln dann gleich ins Auto packen müsste und mit dem Auto 350 Kilometer nach Hause fahren. „Im Auto kann er gar nicht flach liegen und schon gar nicht kann die Punktierungsnarbe mit einem Sandsack beschwert werden“, sorgt sich der Vater. Das Risiko, dass etwas schiefgeht und sich beispielsweise das Loch in der Arterie wieder öffnet, liegt in der Nacht nach der Punktion bei drei Prozent. Es sei zudem während einer Autofahrt ungleich höher als beim Liegen – und das bei einem eh schon besonders gefährdeten Kind. Ebenso scheint es Sebastian Kahnt absurd, dass er erst am Tag der Herzkatheteruntersuchung anreisen soll. „Kinder wie Noah können nicht in jedem Krankenhaus untersucht werden und haben meist einen längeren Anreiseweg zu einem Kinderherzzentrum. Für uns hieße die Neuregelung konkret, dass wir nachts um vier Uhr mit einem nüchternen Kind die weite Fahrt antreten müssten. Und dann müssten wir noch am selben Tag wieder zurückfahren, mit einem Kind, das dann eine Vollnarkose und eine Punktion der Schlagader in der Leiste hinter sich hat und bei dem wir nicht wissen, ob sich die Punktionsstelle wieder öffnet.“ Passiert das, verblutet das Kind binnen weniger Minuten.

Meistens wird zwar bei Noah im Rahmen der Herzkatheteruntersuchung auch noch mehr gemacht, beispielsweise kleine Reparaturen an den Gefäßen rings um das Herz. Wenn nun die Ärzte mit dieser Begründung eine stationäre Aufnahme für die Untersuchung beantragen, dann würde die Krankenkasse diese wahrscheinlich auch bezahlen. „Aber genau das – nämlich das Schreiben des Antrags mit der Begründung – kostet wertvolle Zeit, die den Kinderkardiologen dann für die Behandlung kranker Kinder fehlt. Insofern führt der Plan der Kosteneinsparung zu Mehrkosten“, betont Sebastian Kahnt.

Der 50-Jährige ist froh, dass sich sein Sohn trotz seines Herzfehlers so gut entwickelt – und ist den Kinderherzspezialisten unendlich dankbar. Seit dem dritten Lebenjahr von Noah widmet er all seine Kraft den Interessen von Kindern mit angeborenem Herzfehler. Der medizinische Fortschritt ermöglicht vielen von ihnen ein weitgehend normales Leben.

Bei Noah haben die Kinderherzspezialisten im Uniklinikum in Kiel die fehlende Pumpleistung der linken Herzkammer durch Operationen ersetzt. Da die linke Herzkammer fehlt, wird die Pumpfunktion des Herzens passiv durch die Atembewegungen der Lunge unterstützt. So muss sich Noah besonders vor Atemwegsinfekten schützen. Und ist auch ein Leben lang auf Kontrolluntersuchungen angewiesen. Dass diese jetzt nicht durch Sparmaßnahmen zu einem Risiko werden, ist Vater Sebastian Kahnt ein Herzensanliegen. SUSANNE SASSE

Das Risiko, dass etwas schiefgeht, liegt in der ersten Nacht bei 3 Prozent

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