von Redaktion

VON SUSANNE STOCKMANN

„Die größte Überraschung war“, lächelt Landwirt Roland Koböck (34) verschmitzt, „dass die Naturschützer gute Freunde geworden sind.“ Seine Lebensgefährtin Annika Friedl ergänzt: „Uns motiviert, wie viele Menschen bereit sind, unser Projekt als Blühpaten zu unterstützen.“ Vor vier Jahren begann das Paar, das in Unterbrunn bei Gauting einen Bauernhof mit aktuell 15 Rindern betreibt, fünf Hektar ihrer 72 Hektar Acker- und Grünlandflächen naturnah zu gestalten. Zeit für eine erste Bilanz!

Im Zuge des Volksbegehrens für mehr Artenvielfalt hatte Koböck sich als Bauer einerseits häufig an den Pranger gestellt gefühlt, wollte andererseits aber einen persönlichen Beitrag zum Naturschutz leisten. „Doch wir wollten es richtig machen“, erklärt Koböck und so überwand er seine Berührungsängste und suchte den Kontakt zum Bund Naturschutz. Denn das hatte eine erste Recherche schon ergeben: Um eine Oase für Wildbienen, Feldvögel und andere Tiere zu schaffen, ist es nicht damit getan, einfach Sonnenblumen zu säen. Das blühende, summende und brummende Ergebnis der Zusammenarbeit mit den neuen Freunden lässt sich an der Weilheimer Straße in der Nähe des Hofes der Familie besichtigen: Auf 25 000 Quadratmetern gedeiht eine einheimische Saatgutmischung, die speziell auf den Boden und die Region abgestimmt ist. „Sonnenblumen wären vermutlich hübscher“, so Annika Friedl mit Blick auf die Wiese, die aktuell vom Blauen Natternkopf dominiert wird: „Aber die wird vielleicht von der Honigbiene besucht, nutzt aber Wildbienen gar nicht.“

Pflanzen für Insekten

Von diesen rund 560 Wildbienen-Arten sind ein Drittel auf bestimmte Pflanzen angewiesen und saugen nur ausgewählten Pollen. Die Natternkopf-Mauerbiene fliegt ausschließlich den Blauen Natternkopf an. Ihren Nachwuchs verschließt sie in der Brutzelle mit einem Pollen-Proviant, der nur von dieser Blüte stammt. Die Blaue Kornblume macht gleich acht Wildbienenarten satt, z. B. die Gelbbindige Furchenbiene oder die Große Keulhornbiene. Die Ackerwinde, eine bei Gärtnern wenig beliebte Pflanze, hat die einzige Blüte, auf die die Flachzahn-Spiralhornbiene fliegt. Sind diese Pflanzen nicht vorhanden, verschwinden die auf sie spezialisierten Sechsbeiner.

Weitere 25 000 Quadratmeter Fläche wurden auf Wunsch des Bund Naturschutz so bestellt, dass sich Ackerwildkräuter wohlfühlen. Das Getreide, aktuell Buchweizen, wird in weiten Reihen gesät, sodass Feldrittersporn, Sommer-Adonisröschen oder Echte Kamille Raum und Sonne zum Wachsen haben. „Wir düngen nicht mineralisch und verwenden natürlich keine Unkrautvernichter“, so Koböck. Unerwünschte Pflanzen wie Disteln oder das wuchernde Kletterlabkraut werden von Hand entfernt – gemeinsam mit Unterstützern oder beim Spaziergang zum Sonnenuntergang. Die letzte Kartierung ergab, dass sich 30 verschiedene Wildkräuter unter dem Buchweizen ausgebreitet haben, beim Dinkel waren es sogar 40 wilde Kräuter! Annika Friedl bückt sich und zeigt auf kleine, sehr hübsche, leuchtend violette Blüten: „Das ist der sehr seltene Venus-Frauenspiegel, ein Glockenblumengewächs.“

Nützliche Wildkräuter

Ackerwildkräuter gibt es nur in Partnerschaft mit Nutzpflanzen, sie sind eng an die Bearbeitung des Ackers und die angebauten Feldfrüchte gebunden. Bis in die 50er-Jahre leuchteten Felder noch bunt. Für Koböck war es eine Überraschung, welche Samen im Boden schlummerten: „Das heute verwendete Saatgut ist anders als früher so gut gereinigt, dass es keine Wildkräuter mehr enthält. Dabei schaden diese dem Getreide gar nicht.“ Heute gelten zwei Drittel der in Bayern vorkommenden Wildkräuterarten als gefährdet oder ausgestorben. Was beide verblüfft: In jedem Jahr wachsen andere Pflanzen auf den Flächen. Je nachdem ob Buchweizen, Emmer oder Hafer gesät wurde, siedelten sich andere Wildkräuter an. Bei den Blumenwiesen dominierten im ersten Jahr Klatschmohn und Kornblume, dann kamen die Margeriten und heuer der Natternkopf: „Abhängig vom Wetter, die Trockenheit machte einigen Arten zu schaffen“, so Koböck. Er und Annika haben viel gelernt, begeistert erzählen sie von der Vielfalt der Wildbienen, die sie mittlerweile an der Form der Mundwerkzeuge, an ihrer Behaarung und unterschiedlich geformten Körpern auseinanderhalten können. Annika Friedl ist oft mit dem Fotoapparat unterwegs und bestimmt die porträtierten Bienen und Falter.

Die Samen der Blumen und Kräuter sind Nahrung nicht nur für Insekten, sondern auch für Feldvögel: „Wir haben Wachtelnester im Feld und sehen regelmäßig die Feldlerchen fliegen“, freut sich Annika Friedl. Eine Ricke bringt ihre Kitze in dem Feld zur Welt. Kleine Löcher im Boden deuten auf Mäuse hin: „Über einen Feldhamster würden wir uns richtig freuen“, so Koböck, der überzeugt die Frage verneint, ob er nicht manchmal lieber Geld mit den Feldern verdienen würde: „Ich freue mich einfach sehr über die Artenvielfalt, die hier entstanden ist.“ Sein Blick geht in die entgegengesetzte Richtung, wo am Flughafen Oberpfaffenhofen gerade ein Flugzeug startet: „Dort drüben werden neue Gewerbegebiete geplant mit 40 und mit 16 Hektar. Diese Flächen gehen der Natur verloren.“ Der Schwund der Arten hat viele Ursachen, aber alle sind menschengemacht. Roland Koböck findet: „Jeder von uns sollte einen Teil dazu beitragen, dass es der Natur wieder besser geht!“

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