Seit drei Jahren werden auch die Insekten im Nationalpark Berchtesgaden inventarisiert. Sebastian Königs Lieblinge sind zwar Heuschrecken, aber auch im Bergwald fasziniert den Entomologen die Dynamik auf den größeren Störungsflächen. „Gerade Tiere, die man als Urwaldreliktarten bezeichnet, können in solchen struktur- und totholzreichen Beständen überleben.“ Das aktuelle Monitoring wird für die Zukunft helfen, Bestandstrends und Veränderungen der Vielfalt zu verstehen.
Dabei wurde ganz aktuell auch schon der Augsburger Bär neu nachgewiesen. Der ist nun wahrlich kein Bär! Vielmehr gehört er zu den Bärenspinnern, bei denen man eine pelzartige Behaarung der Raupen sieht. „Schon im 18. Jahrhundert wurde das Insekt nach Verbindungen zu Augsburg benannt, ein Nachtfalter, der sehr groß ist und bis zu acht Zentimeter Spannweite hat. Er ist ein farbenprächtiger Falter und gilt als Kulturflüchter. Er kam bis vor 100 Jahren noch am Lech vor, auch andernorts sind seine Funde in den 1960er- und 1970er-Jahren erloschen.“
Nun gibt es ihn in Mitteleuropa nur noch verinselt an ein paar Stellen in Österreich, am Inn und im Nationalpark. Er braucht warme Mikroklimata, lichten Laubwald und warme Steilhänge in Gewässernähe, die er in Berchtesgaden vorfindet.
Auch neu nachgewiesen ist ein Urwaldrelikt, der Rindenschröter, eine Hirschkäferart. Er braucht rotfaules Totholz von Tannen und Fichten. Und Totholz bleibt in einem Nationalpark eben liegen. Auch der Alpenbock braucht Totholz, er ist auf geschädigte Buchen angewiesen und könnte durch mehr Besonnung profitieren. Hier wird erst die Dauerbeobachtung helfen, Klimawandeleffekte nachzuvollziehen. Im Offenland schieben sich Arten allmählich den Berg hoch, Schmetterlinge und Bienen wandern bergwärts.
Sebastian König: „Ich würde eher von einer Verschiebung reden, Klimagewinner ist ein falsches Wort. Aber Verlierer gibt es, zum Beispiel Tiere auf Berggipfeln wie der Flinkläufer, der am Rande von Schneefeldern in der alpinen Stufe lebt. Er ist flugunfähig, hat also keine Möglichkeit nach oben auszuweichen.“