von Redaktion

VON NICOLA FÖRG

Im Trauermonat November gedenken die Menschen der Verstorbenen, erinnern sich an diejenigen, die sie geliebt und betrauert haben. Eine Anteilnahme und Empathie, die Tieren gemeinhin abgesprochen wird. Während sich Forscher da noch uneins sind und dazu viele Studien durchführen, würden die meisten Tierbesitzer aber klar bezeugen, dass ihre Lieblinge trauern können. Und er- zählen zig Geschichten wie die vom Wallach Vigor.

Das aus Polen stammende und missbrauchte Pferd hatte sich nach seiner Rettung dem alten, erfahrenen Wallach Max angeschlossen. Doch der starb dann im hohen Alter von 27 Jahren. Danach erlitt Vigor eine Kolik nach der anderen, bis er in Isländer Rubi einen neuen Freund fand, der aber leider ebenfalls bald starb. Der sensible Vigor reagierte wieder mit Koliken, schloss sich dann dem Norweger Falco an. Wieder ein alter Herr, der immerhin 29 wurde und den jungen Vigor wieder allein ließ. Diesmal wieherte Vigor wochenlang seinem Freund nach – und reagierte erneut mit Koliken. Ist das nun Trauer?

Katze Bianchi und ihre Tochter Prosecca waren ein Herz und eine Seele. Bis Prosecca überfahren wurde. Danach saß Bianchi wochenlang auf einem Pfahl und sah in die Richtung, aus der Prosecca aus der Wiese zu kommen pflegte. Irgendwann gab Bianchi auf, doch die bisher pumperlgesunde Katze erkrankte immer wieder. Hat sie um ihre Gefährtin getrauert?

Spitz Knödel hatte Krebs. Kaum zwei Monate lagen zwischen ersten Symptomen und dem Einschläfern. Sein Bruder war rund um die Uhr mit ihm zusammen. Knödel war der Chef, der andere hatte sich an ihm orientiert. Mit dem Tod des Bruders war der Hund völlig verstört. Der vorher ruhige Hund fiepte stundenlang und schlief nicht mehr. Kleintierärztin Dagmar Moder aus Steingaden setzte ihn eine Woche lang auf ein Antidepressivum: „Es ging darum, dem Hund wieder Schlaf zu ermöglichen und diese Spirale der Trauer zu unterbrechen.“ Danach bekam er eine Weile ein homöopathisches Produkt. Natürlich hat er noch ein menschliches Rudel, aber der Hund hat sich nachhaltig verändert.

„Wir können annehmen, dass Tiere wissen, wenn ihre Gefährten sterben, wenn es ein Tod ist, der durch eine sich verschlimmernde Krankheit eintritt“, ist Moder überzeugt. „Außerdem spüren die viel sensibleren Tiere die Verhaltensänderungen ihrer Besitzer, die emotional angefasst sind. Bei einem jähen Unfalltod ist das übrig gebliebene Tier in eine völlig neue Situation geworfen. Es kann helfen, dem überlebenden Haustier zu ermöglichen, an dem toten Freund zu schnüffeln. Oder ihn zu ignorieren. Es gibt keine Vorhersage, wie die Reaktion sein wird“, sagt Moder. Das Tier wisse nun, dass der Freund aus dem Leben verschwunden ist. Trauer ist davon aber unabhängig. „Ich kenne Hundegeschwister, da ist der Zurückgebliebene eher sogar aufgeblüht, bei anderen war kaum eine Veränderung spürbar, andere reagieren stark.“ Auch Tiere scheinen unterschiedlich zu trauern. Ein Verlust kann bei ihnen Wut oder Depression auslösen. „Und körperliche Symptome“, sagt Moder. „Auch Haustiere durchlaufen einen Prozess bis zur Akzeptanz der Situation – bei einigen Tieren dauert dies allerdings länger als bei anderen.“

Der Tod eines Bezugstieres bedeutet in der Regel einen Verlust von Sicherheit. Man weiß bei Elefantenherden, dass die ganze Herde auseinanderbrechen kann, wenn ein Leittier stirbt. Bei Wildgänsen ist bekannt, dass eine Gans ihre Position im Schwarm nicht mehr halten kann, wenn der Partner stirbt. Manche Forscher nennen diese tierischen Reaktionen „nur“ Verlustangst, nicht explizit Trauer. Doch lassen sich Stress und Verwirrung in der Hormonausschüttung nachweisen. Auch besitzen alle Wirbeltiere ein spezialisiertes Netzwerk im Gehirn, welches das Sozialverhalten steuert. Säugetiere wie auch Vögel verarbeiten so den Verlust von Bindungspartnern. Beim Menschen heißt das Trauer. Doch kann man Tieren, nur weil man sie nicht nach ihren Gefühlen befragen kann, Trauer absprechen?

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„Mamas letzte Umarmung. Die Emotionen der Tiere und was sie über uns aussagen“. Von Frans de Waal. Verlag Klett-Cotta, 430 S., 26 Euro.

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