Schlehdorf – Viele Menschen schätzen Massagen: Verspannungen werden gelöst, Schmerzen gelindert. Auch Tieren kann das Kneten von Muskeln und Gewebe guttun. Das Internet ist voll von „Do-it-yourself“-Anleitungen, geradezu inflationär findet man: „Fünf einfache Massagetechniken“, „Sieben Griffe zum Nachmachen“, „Wie du dein Pferd oder Hund richtig massierst“, dazu YouTube-Videos. Mit bemerkenswerter Leichtgläubigkeit werfen sich die Massage-Eleven dann aufs Tier. Damit kann man viel falsch machen!
„Wenn ein Pferd Verspannungen anzeigt, Schmerzen zeigt oder lahm geht, braucht es zuerst einen Befund vom Tierarzt. Erst wenn eine Diagnose vorhanden ist, kann ein Physiotherapeut aus seinem Werkzeugkasten die passende Therapie finden. Massagetechniken sind ein Teil der Physiotherapie, die sich um Muskeln, Faszien oder Gelenke kümmert. Der Therapeut entscheidet, wann manuelle Techniken sinnvoll sind. Sind Muskeln verspannt, zum Beispiel bei klassischen Rückenproblemen, macht es sicher Sinn, diese Muskelgruppe zu massieren. Es bleiben aber die Fragen nach dem Wann, Wie oft und Wie intensiv? Auch der ständige Kontrollblick muss sein, was das Pferd signalisiert“, sagt Corinna Wagner aus Schlehdorf.
Vor rund 40 Jahren hat sie eine Ausbildung zur Physiotherapeutin gemacht und sich vor 20 Jahren auf Pferde verlegt. Damals waren Physiotherapie und Osteopathie am Tier ein junges Feld, von vielen skeptisch beäugt. Heute wissen viele Pferdebesitzer und -besitzerinnen, dass auch Pferde Blockaden haben, und holen eine Fachfrau wie Wagner, die Hippotherapeutin und Pferdephysiotherapeutin/Osteopathin ist.
Corinna Wagner steht gerade in Prem neben einem Pferd, das hinten links unklar geht. Kasper ist auf einem glatten Boden ausgerutscht und hat sich die Adduktoren gezerrt. Da ist Massage ein Mittel der Wahl. „Ich kann die Technik der Besitzerin erklären, aber weiter oben, Richtung Bauch, kommen schon die Leistenlymphknoten, wo Massage fatal wäre. Unter Anleitung und mit Übung können Pferdebesitzer gewisse Areale massieren. Ich male zum Beispiel an der Kruppe gegen den Strich Linien in das Fell und kann genau zeigen, wo massiert werden soll. Denn unsachgemäße Massagen können richtig schaden.“ Kenntnis der Pferdeanatomie ist notwendig, wenn man selbst Hand anlegen will – und auch nur bei einem Tier, das gesund ist.
Grundsätzlich muss man den Muskelverlauf kennen: „Ich lese im Internet eine Empfehlung, wo Handkantenvibration als Massagetechnik empfohlen wird. Da wird vor das Buggelenk gehauen oder auf die Drosselrinne, unter der ein großes Blutgefäß liegt.“ Noch fataler kann es werden, wenn Massagegeräte zum Einsatz kommen. Corinna Wagner war nahe dran, vom Glauben abzufallen, als sie in einem Stall folgende „Therapie“ beobachtete. Ein Gerät, das wie ein großer Eiersollbruchstellenerzeuger funktionierte. Quasi wie beim Ei, wo eine Kugel herunterrauscht, und das Ei köpft, sauste hier eine Kugel auf die Halswirbelsäule. Das wurde als „Stoßwellentherapie“, die lockert, angepriesen. „Da liegen Blutgefäße, das ist die Arterie, die zum Kopf führt, so etwas kann Knochenecken weghauen!“
Corinna Wagner ist frustriert: Im Bereich der Tiere gibt es keine Kontrolle, keine geschützten Berufsbezeichnungen. „Massagegeräte sind wirklich ein Hype, die Empfehlung lautet ja oft das Pferd gut anzuschauen, ob es das gut findet. Das ist eine so schwammige Größe! Pferde sind oft duldsam, so höflich. Da werden Schmerzreaktionen unter Umständen nicht erkannt.“
Wie findet man einen guten Therapeuten? An den Ausbildungswegen kann man nicht unbedingt die Qualität erkennen. Wer ein Staatsexamen für Menschen hat, dem kann man gewisse Kenntnisse zutrauen. Therapeuten der DIPO (www.osteopathiezentrum.de) müssen grundsätzlich Veterinäre, Physiotherapeuten oder Humanärzte sein.
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