Paris/München – Sie sind grundverschieden und haben doch etwas gemeinsam: Eisbär Knut, Krake Paul, Koala Ember, Orca Keiko oder Bartgeier Wally haben sich in unser Herz geschlichen. Ihr Schicksal berührt und weist auf Probleme im Tier- und Artenschutz hin. Im besten Fall helfen solche tierischen Ikonen, dass sich etwas ändert!
Dieses Phänomen wurde nun erstmals wissenschaftlich untersucht: Häufig seien solche Tiere „mit eigenwilligen Merkmalen, hohem Kontakt zu Menschen und bemerkenswerten Lebensgeschichten oder Schicksalen verbunden“, schreibt ein internationales Forscherteam um den Umweltbiologen Ivan Jaric von der Universität Paris-Saclay kürzlich in der Fachzeitschrift Frontiers in Ecology and the Environment.
Koala-Weibchen Ember wurde zum Sinnbild der schrecklichen Buschfeuer und des Verschwindens der Koalas in Australien 2019. Sie überlebte mit schweren Brandwunden, wurde gesund gepflegt und ausgewildert. Heuer gute Nachrichten: Ember hat Nachwuchs bekommen und die Schutzzonen für Koalas in Australien wurden stark ausgeweitet.
2010 wurde Paul, der hellsehende Krake, in Deutschland zum Helden, als er den Ausgang aller sieben Spiele der deutschen Mannschaft bei der Fußballweltmeisterschaft richtig voraussagte. Er tippte sogar den Sieger des Endspiels Spanien gegen Niederlande richtig. Viele TV-Zuschauer, die Oktopusse bisher nur als frittierte Tintenfischringe kannte, beobachteten begeistert, wie er geschickt die Muscheln aus den Behältern angelte und lernten, dass Kraken neugierig und intelligent sind.
Das Schicksal der Schwertwale Keiko und Tilikum führte dazu, dass die Orca-Zucht und die Shows in den USA abgeschafft wurden. Keiko war der Star der Filme Free Willy und wurde als erster gefangener Wal in seiner Heimat Island in eine Bucht entlassen. Allerdings blieb er den Menschen verbunden und starb schließlich 2003 in der Taknesbucht in Island. Tilikum tötete in SeaWorld im Jahr 2010 seine Trainerin, indem er sie ins Becken zog. Noch leben weltweit 55 Orcas in Gefangenschaft.
Eine Knutmania verursachte der knuffige Eisbär, der von seiner Mutter nicht angenommen worden war, im Jahr 2006 im Berliner Zoo. Der damalige Bundesumweltminister Sigmar Gabriel schlug ihn als Maskottchen für die Artenschutzkonferenz in Bonn im Jahr 2008 vor. Er sollte als Botschafter für den Schutz der Arktis stehen. Knut starb im März 2011 an einer Gehirnentzündung. Für den Deutschen Tierschutzbund zeigt das Beispiel Knut, wie es nicht laufen sollte, so eine Sprecherin: „ Eisbären zählen zu den exotischen Tieren mit großem Schauwert, deren Haltung häufig damit gerechtfertigt wird, dass sie als Botschafter ihrer Art die Menschen für den Artenschutz und den Schutz des Lebensraums sensibilisieren sollen. Es darf allerdings stark bezweifelt werden, ob dieser Weg Erfolg versprechend ist. Kaum jemand wird durch einen Zoobesuch nachhaltig das eigene Konsumverhalten verändern, Energie sparen oder sich verstärkt für Artenschutz einsetzen. Dennoch kann das (mediale) Aufgreifen tierischer Einzelschicksale dazu beitragen, dass zumindest ein Teil der Gesellschaft sein Verhalten überdenkt. Außerdem trägt es dazu bei, dass kontroverse Diskussionen geführt werden, was der Sache und damit dem Tierschutz zuträglich sein könnte.“
Pro Wildlife kämpft gegen die Trophäenjagd. Wie skrupellos Jäger sein können, zeigte sich am Beispiel des Löwenmännchens Cecil. Ein US-Zahnarzt hatte das prächtige 13 Jahre alte Tier in Simbabwe aus einem Schutzgebiet gelockt, um es mit einer Armbrust zu erlegen. Da der Zahnarzt alle nötigen Papiere hatte, kam er straffrei davon. Die Trophäenjagd ist weiter erlaubt.
Als vor zwei Jahren erstmals Bartgeier im Nationalpark Berchtesgaden ausgewildert wurden, bekamen sie die Namen Bavaria und Wally. Im Internet ist es möglich, ihre Flugrouten zu verfolgen. Als Persönlichkeiten sollen sie für eine Art werben, die ausgerottet wurde, weil die reinen Aasfresser, die hauptsächlich Knochen knabbern, fälschlicherweise als Lämmer- und Kinderräuber galten. Die eindrucksvollen Tiere überlebten den ersten Winter, doch im Frühjahr 2022 starb Wally bei einem Steinschlag. Vier weitere Bartgeier sind mittlerweile freigelassen – das Projekt gilt als sehr erfolgreich. Oder wie die Autoren der Pariser Studie erklären: „Ist das Konzept gut durchdacht, können tierische Botschafter einen wirklichen Beitrag zur Lösung von Problemen leisten!“