Herzkrankheit: Die Psyche leidet mit

von Redaktion

Aufgewühlt: Ein Herzpatientin beim Blutdruckmessen. © Science Photo Library / Microgen

München – Das Herz! Manchmal werden sogar scheinbar kerngesunde Menschen wie aus dem Nichts mit einem lebensbedrohlichen Problem im menschlichen Maschinenraum konfrontiert – so wie Karo S. Die aktive und gesundheitsbewusste Frau war morgens gerade aufgestanden, als sie plötzlich einen starken stechenden Schmerz tief in ihrer Brust spürte. Sie wählte den Notruf, kurz darauf flog sie ein Rettungshubschrauber ins Krankenhaus. Dort kristallisierte sich ein schwerer Herzinfarkt heraus, die linke Koronararterie war auf einer Länge von vier Zentimetern verschlossen.

Ursache des fatalen Infarkts war ein Riss in der Wand des wichtigen Blutgefäßes, Mediziner sprechen von einer spontanen Koronardissektion (SCAD). Diese seltene Erkrankung kann Menschen aller Altersgruppen treffen, meist sind es jedoch gesunde, jüngere bis mittelalte Frauen. „Ich konnte es auch Tage später noch gar nicht glauben, dass ich einen Herzinfarkt erlitten hatte, denn ich bin Anfang 60 und war bislang kerngesund und hatte keinerlei Risikofaktoren. Ich bin sportlich und ernähre mich vegetarisch und sehr gesund“, berichtet Karo S. auf einer Informationsseite der Deutschen Herzstiftung (www.herzstiftung.de).

So wie Karo S. ergeht es vielen Patienten, ihr Fall zeigt: „Eine Herzkrankheit setzt vielen Betroffenen nicht nur körperlich, sondern auch seelisch zu“, weiß Professor Bernhard Voss, leitender Oberarzt der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie im Deutschen Herzzentrum München. Dort behandeln Herzspezialisten täglich Menschen mit lebensbedrohlichen Herzerkrankungen. Sie führen etwa 2600 Operationen im Jahr durch, darunter 1500 mit der Herz-Lungen-Maschine.

„Die psychologische Belastung einer Herzkrankheit ist oft genauso erdrückend wie die physische. Wir erleben immer wieder, dass sich die Patienten von der unerwarteten Diagnose und ihrer Situation überfordert fühlen“, erzählt Voss. Viele sind ängstlich, traurig oder sogar wütend, wenn sie erfahren, dass sie schwer am Herzen erkrankt sind. Oft machen sich die Patienten Sorgen, dass ihre Krankheit auch das Leben ihrer Familie auf den Kopf stellen könnte. Nach Experten-Schätzungen gilt jeder dritte Herzpatient als psychisch belastet.

Vor diesem Hintergrund liegt Voss eine Botschaft besonders am Herzen: „Es gibt professionelle Hilfe – und es ist kein Zeichen von Schwäche, diese auch anzunehmen. Psychologen, Therapeuten oder Sozialarbeiter können dabei helfen, mit den emotionalen Herausforderungen umzugehen, die mit der Diagnose einhergehen. Sie bieten Unterstützung, helfen dabei, die Gedanken zu sortieren und Bewältigungsstrategien zu entwickeln.“ Eine Liste sogenannter psychokardiologischer Experten gibt es auf der Website www.psychokardiologie.de. Oft hat auch der Hausarzt einen guten Tipp.

Sich der Herausforderung zu stellen, ist eine Investition in die Gesundheit. Umgekehrt warnt der Experte des Herzzentrums vor einer Verdrängungsstrategie: „Grundsätzlich ist es wichtig, sich mit der Diagnose auseinanderzusetzen. Denn bei einer Herzerkrankung kann es entscheidend sein, dass sie frühzeitig behandelt wird.“ Das hat sich beispielsweise in einer großen Studie über Patienten mit Herzschwäche bestätigt: Diejenigen, die ihre Erkrankung verdrängen oder verharmlosen, sterben statistisch gesehen früher.

■ Darauf kommt es bei der Arztsuche an

Die Arztsuche ist in erster Linie Vertrauenssache. Es ist wichtig, dass Sie sich bei dem Mediziner oder der Medizinerin in guten Händen und ernst genommen fühlen, dass Sie auch Ängste und Bedenken offen ansprechen können. „Wer nicht restlos von einer geplanten Behandlung überzeugt ist, kann sich auch eine Zweitmeinung einholen“, rät Voss. Ein souveräner Mediziner wird kein Problem damit haben, wenn sein Patient auch einen Kollegen um dessen Einschätzung bittet. Neben einem guten Kardiologen kann auch ein Psychologe wertvolle Hilfestellung leisten. Ein wichtiger Ansprechpartner ist zudem der Hausarzt. So hat eine wissenschaftliche Studie gezeigt, dass viele Menschen nach der Erstdiagnose einer koronaren Herzkrankheit (KHK) das Bedürfnis haben, mit ihrem Hausarzt zu sprechen. Nach einem solchen Gespräch fühlen sich die meisten Patienten nachweislich besser.

■ Schöpfen Sie Kraft aus Familie und Freunden

„In der Ausnahmesituation einer schweren Herzerkrankung kann Unterstützung aus dem Familien- und Freundeskreis von unschätzbarem Wert sein. Zu wissen, dass man nicht alleine ist mit seinem Problem, kann beruhigend sein“, weiß Voss. Sein Rat: „Sprechen Sie mit Ihren Nächsten über Ihre Gefühle und Sorgen, lassen Sie vertraute Menschen wissen, wie Sie Ihnen konkret helfen können.“ Hintergrund: Manche Patienten wollen andere Menschen nicht mit ihren Problemen belasten. „Das ist der falsche Weg. Lassen Sie Ihre Angehörigen nicht ratlos zurück, beziehen Sie sie ein“, rät der erfahrene Herzchirurg.

■ Wertvoller Austausch in einer Selbsthilfegruppe

Nach der Schockdiagnose einer Herzerkrankung müssen viele Patienten lernen, wieder ihrem eigenen Körper und ihrem Herzen zu vertrauen. Hierbei kann der Austausch mit anderen Betroffenen wertvolle Unterstützung bieten. Adressen bietet unter anderem die Deutsche Herzstiftung. In München ist beispielsweise ein Verein für psychisch belastete Herzpatienten beheimatet. Mehr Infos gibt es im Internet unter www.herz-ohne-Stress.de. Telefon: 089/20 33 12 24.

■ Ergreifen Sie auch selbst die Initiative

Nicht aufgeben – auch wenn die Diagnose erst mal niederschmetternd klingt. Besorgen Sie sich Informationen über ihre Erkrankung, beim Arzt oder auch im Internet auf seriösen Seiten wie jener der Deutschen Herzstiftung. Die renommierte Patienten-Organisation bietet eine Fülle von Hintergründen zu allen Herzerkrankungen an – und zwar so, dass man kein Medizinstudium absolviert haben muss, um alles zu verstehen. Die Recherche kann Ihnen helfen, den eigenen Lebensstil zu hinterfragen und zu justieren: Was kann ich ändern? An welchen Stellschrauben kann ich drehen – von der Ernährung über Bewegung bis zum Gewicht? Wie kann ich Stress vermeiden oder zumindest verringern?

■ Stress und Kummer sind Gift fürs Herz

Apropos Stress: „Die negativen Auswirkungen werden nach wie vor oft unterschätzt“, mahnt Voss. Der Hintergrund: Stress aktiviert das sympathische Nervensystem. Dadurch verengen sich die Gefäße, Blutdruck und Puls steigen an, der Körper schüttet Stresshormone aus. Die Folgen von Dauerstress können unter anderem Herzschwäche, Bluthochdruck oder eine koronare Herzkrankheit sein – mit einem Herzinfarkt als GAU. Wie die groß angelegte Interheart-Studie zeigte, kann zum Beispiel Stress im Familien- oder im Berufsleben die Entstehung eines Herzinfarkts begünstigen. „Gerade wenn man bereits von seiner Herzkrankheit weiß, sollte man die Stressbelastung so gering wie möglich halten“, erläutert Voss.

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