Die Grafik zeigt die verschiedenen Schweregrade der Herzschwäche. © AWMF
Schlafschwierigkeiten wegen Atemnot gehören zu den Beschwerden, die Herzschwäche verursachen können. © Yuri Arcurs
Aachen/München – Zucker ist schädlich, Zucker macht krank. Wer Zucker (Diabetes) hat, gilt als chronisch krank. Über neun Millionen Bundesbürger leiden daran. Und die Zahl der Zuckerkranken steigt von Jahr zu Jahr. Denn Diabetes bleibt lange im Verborgenen und richtet großen Schaden an – mit verheerenden Folgen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Nierenversagen, Amputation oder Erblindung.
Eine der größten Schwachstellen bei Diabetes ist das Herz. Auf der einen Seite schreitet die Verstopfung der Blutgefäße, die das Herz versorgen, voran. Andererseits wird der Herzmuskel geschwächt – ein schleichender Prozess, der sich erst spät bemerkbar macht. Tückisch, denn die Pumpkraft des Herzens lässt nach. Dann kann nicht mehr genug Blut, Sauerstoff und Nährstoffe in lebenswichtige Organe wie Gehirn, Nieren und Muskeln transportiert werden. Schätzungsweise zwei bis drei Millionen Patienten mit Herzschwäche – von Fachleuten Herzinsuffizienz genannt – gibt es in Deutschland. Meist zu spät entdeckt kann die Herzschwäche fatal enden: Jeder Fünfte überlebt nach der ersten Klinikeinweisung keine zwölf Monate. Aber es gibt auch gute Nachrichten: Wird die Diagnose rechtzeitig gestellt, ist die Herzinsuffizienz behandelbar – auch bei Menschen mit Diabetes, die zwei- bis fünfmal häufiger als Stoffwechselgesunde betroffen sind. Eine Kardiologin und ein Diabetologe erklären hier, worauf es ankommt und wie man sich vor Gefahren schützen kann.
Studien zeigen: Bis zu 30 Prozent der Diabetiker haben eine Herzschwäche. Die Dunkelziffer liegt höher. Denn bemerkbar machen sich körperliche Beschwerden im Alltag erst dann, wenn die Herzschwäche schon fortgeschritten ist. Müdigkeit, Erschöpfung, Leistungsabfall, geschwollene Beine und Kurzatmigkeit werden oft auf das Älterwerden geschoben. „Herzschwäche bei Diabetes wird unterschätzt“, warnt Privatdozentin Katharina Schütt, Kardiologin im Universitätsklinikum Aachen. Das Risiko, daran zu versterben, liegt um ein Vielfaches höher als ohne Diabetes. Von 50 bis 90 Prozent höherer Sterblichkeit ist sogar die Rede.
Doch es gibt Möglichkeiten,das Herz zu schützen. „Entscheidend ist in jedem Fall das rechtzeitige Screening“, sagt Kardiologin Schütt. „Wer Diabetes hat, sollte regelmäßig ärztlich untersucht werden, um eine Herzinsuffizienz auszuschließen.“ Im Verdachtsfall wird die Bestimmung eines speziellen Biomarkers im Blut empfohlen, der vermehrt freigesetzt wird, wenn das Herz überlastet ist. Auch eine Ultraschalluntersuchung – die Echokardiografie – kommt zum Einsatz, um die Herzfunktion zu beurteilen und zu erkennen, welche Bereiche im Herzmuskel geschädigt sind. Das Elektrokardiogramm (EKG) liefert Hinweise, ob bereitsein Herzinfarkt stattgefunden hat. „Bei einem Infarkt in der Vorgeschichte oder einer koronaren Herzkrankheit gilt erhöhte Aufmerksamkeit“, betont der Internist Professor Diethelm Tschöpe von der Stiftung Diabetes Herz Gefäße (DHG). Denn mit einem Herzinfarkt stirbt auch Gewebe im Herzmuskel ab.
In zwei Dritteln aller Fälle sind auch kranke Herzkranzgefäße die Ursache von Herzschwäche. Das Risiko verstärkt sich, wenn neben Diabetes auch noch Bluthochdruck und Übergewicht ein Thema sind. Allerdings ist es ein Irrtum zu glauben, dass Herzschwäche nur den Typ-2-Diabetes betrifft, bei dem die Wirkung des körpereigenen Hormons Insulin gestört oder vermindert ist. „Beim Typ-1-Diabetes fehlt dem Körper das Hormon gänzlich. Da ist das Risiko fast dreimal so hoch“, erläutert Tschöpe. Ein Diabetiker ist vor allem Gefäßpatient. Hohe Zuckerwerte über einen langen Zeitraum fördern Entzündungsprozesse in den Blutgefäßen. Diese treffen den Körper insgesamt, aber eben oft auch das Herz. Der Herzmuskel nimmt Schaden. Das Herz pumpt noch, kann sich aber nicht mehr ausreichend mit Blut füllen. Daraus kann Herzschwäche entstehen, schlimmstenfalls auch der plötzliche Herztod.
So weit muss es aber nicht kommen, wenn man die Alarmsignale seines Körpers ernst nimmt. Wichtiger Tipp der Experten: Unbedingt auf Symptome wie Müdigkeit, Erschöpfung, Atemnot, Herzstolpern, schneller Ruhepuls, Wassereinlagerungen achten und den Arzt informieren. Frühzeitig entdeckt, kann die Herzschwäche mit Medikamenten behandelt werden. Die Funktion der Nieren und Leber muss dabei berücksichtigt werden. Medikamente wie Betablocker (z.B. Metoprolol, Bisoprolol), ACE-Hemmer (z.B. Perindopril, Ramipril), Blutdrucksenker, die auch Herz und Niere schützen (Sacubitril/ Valsartan), herzentlastende Medikamente (z.B. Spironolacton, Eplerenon) und entwässernde Diuretika (z.B. Torasemid, Indapamid) können Beschwerden lindern. Vor allem müssen aber die Grunderkrankung wie ungünstige Blutzucker-, Blutdruck- und Blutfettwerte gut eingestellt werden, um der Herzschwäche den Boden zu entziehen. Dazu gehört natürlich auch eine gesunde Lebensweise. Also: Selten Alkohol, kein Nikotin und Übergewicht vermeiden. Das Herz liebt zudem die Mittelmeerkost mit wenig Fleisch, mehr Fisch, Gemüse und Hülsenfrüchten.
Bei Diabetes dürfen blutzuckersenkende Medikamente (wie Glitazone und Gliptine) nicht eingesetzt werden, wenn die Herzinsuffizienz schon fortgeschritten ist. „Es gibt aber neue Präparate wie die Antidiabetika Empagliflozin oder Dapagliflozin, die heute zur Standardtherapie der Herzschwäche mit und ohne Diabetes gehören“, sagt Privatdozentin Katharina Schütt. „Die größte Herausforderung ist aber noch immer, dass der Patient bei Verdacht auf ein Herzproblem rechtzeitig zum Kardiologen überwiesen wird“, ergänzt Prof. Tschöpe. Das gilt im Übrigen auch umgekehrt. In dem Wissen, dass Herzpatienten oft zuckerkrank sind, sollte Diabetes ausgeschlossen werden. Ein Stück weit haben es Betroffene aber auch selbst in der Hand: Sie sollten einfordern, dass sie beim Kardiologen und Diabetologen untersucht werden. Damit es erst gar nicht dazu kommt, dass man mit Herzschwäche auf einer Intensivstation im Krankenhaus landet. Ist das Herz bereits so schwach, dass die Beschwerden bei simplen Aktivitäten und sogar im Liegen auftreten, bleibt als letzte Option meist nur noch, die Herzleistung künstlich zu unterstützen oder ein Herz zu transplantieren. KATRIN HERTRAMPF