„Nervenschmerzen wie Folter“

von Redaktion

Gürtelrose-Experten: Schmerzmediziner PD Dr. Michael Überall und Ergotherapeutin Stephanie Leitold. © Foto: Marcus Schlaf

Gefährliche Krankheitserreger, die die meisten Menschen in sich tragen: Varizella-Zoster-Viren können Gürtelrose mit heftigen Symptomen hervorrufen. © Foto: Panther Media

München – Auf die immense Wucht der Schmerzen war Petra R. nicht vorbereitet. „Es war wie die schlimmste Folter! Unerträglich! Gegen diese Nervenschmerzen ist eine Geburt ein Klacks“, erinnert sich die 69-Jährige. Von heute auf morgen war die Leipzigerin ein Pflegefall. „Nachts lag ich vor Schmerzen schreiend in meinem Bett und konnte nicht mehr schlafen. Jede Berührung fühlte sich an wie ein Messerstich. Ich konnte meine Wohnung nicht mehr verlassen, war auf die Hilfe anderer angewiesen.“ Sie litt unter chronischen Nervenschmerzen als Folge einer Gürtelrose. Es dauerte viele Monate, bis Petra R. wieder auf ihren Beinen stehen und den Alltag normal bewältigen konnte.

Leider wird die Volkskrankheit Gürtelrose noch immer häufig unterschätzt. Viele denken bei Gürtelrose lediglich an den typischen Ausschlag mit den juckenden oder brennenden Pusteln. ‚Das heilt von selber!‘ oder ‚Zinksalbe drauf, dann wird das schon!‘ lauten die weit verbreiteten Ansichten und Ratschläge. Dabei sind Komplikationen und Langzeitfolgen nicht selten. Das Risiko, dass die Nervenerkrankung ausbricht oder gar zu chronischen Nervenschmerzen führt, ist hoch.

Fakt ist: Fast jeder Erwachsene in Deutschland hatte Windpocken und trägt dadurch das Varizella-Zoster-Virus – den Auslöser der Gürtelrose – in sich. Das Fatale daran: Die Windpocken heilen nach der Erkrankung zwar ab, doch das Virus selbst nistet sich in den Nervenwurzeln des Rückenmarks ein. Ist das Immunsystem geschwächt, zum Beispiel durch zunehmendes Alter oder eine chronische Krankheit, können die Viren reaktiviert werden, wandern dann entlang der Nervenbahnen nach außen an die Haut. Dort bilden sich Bläschen, die oft gürtelförmig angeordnet sind – daher auch der Name Gürtelrose. Dabei können alle Körperregionen, das Gesicht aber auch Organe wie zum Beispiel die Augen, die Ohren oder das Gehirn betroffen sein.

„Immerhin jeder Dritte erkrankt im Laufe seines Lebens an Gürtelrose“, weiß Privatdozent Dr. Michael Überall, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) und Präsident der Deutschen Schmerzliga (DSL). „Bei wem sie sich lediglich mit einem Hautausschlag und leichten Schmerzen zeigt, der hat Glück.“

Die roten Gürtelrose-Bläschen sind dabei das geringste Problem. „Die Gürtelrose ist keine einfache Hauterkrankung, sondern eine Entzündung der Nerven“, erklärt Dr. Überall. „Daher tritt eine Überempfindlichkeit der Haut meist schon auf, bevor sich der typische Ausschlag zeigt. Die häufigste Komplikation der akuten Gürtelrose ist definitiv der Schmerz, der oftmals einschießend und durchdringend ist – wie ein Nadel- oder Messerstich. Diese Nervenschmerzen sind nur schwer behandelbar und teilweise so stark, dass schon das Tragen von Kleidung auf der Haut schmerzt oder sogar das Anlehnen an eine Stuhllehne unerträglich sein kann.“

Während die Bläschen meist binnen zwei bis vier Wochen abheilen, können die Nervenschmerzen monate- bis jahrelang bestehen bleiben. Dauern sie länger als drei Monate an, spricht man von einer Post-Zoster-Neuralgie.

Um Komplikationen zu verhindern, ist es wichtig, möglichst schnell zu reagieren und unmittelbar nach Symptombeginn mit einer antiviralen Behandlung zu beginnen. „Das Zeitfenster beträgt da gerade mal 48 bis 72 Stunden“, so der Experte. „Denn sind Nervenschmerzen erst einmal da, sind sie oft hartnäckig und schwer zu behandeln. In erster Linie werden dann Virostatika, also virenhemmende Medikamente eingesetzt und bei Bedarf Schmerzmittel.“

Um von einer Gürtelrose und ihren Folgen verschont zu bleiben, empfiehlt die Ständige Impfkommision (STIKO) Menschen ab 60 Jahren eine Impfung. Auch Petra R. hofft, dass sie durch ihre Geschichte andere wachrütteln kann: „Ich habe große Angst, dass das irgendwann noch einmal passieren kann. Das, was ich durchgemacht habe, wünsche ich niemanden!“

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