Ein Weinschwärmer auf einer Pflanze. © Böker/dpa
Mottenforschung: Eine Doktorandin in Konstanz. © Böker/dpa
Konstanz – Motten fliegen auf Licht, aber warum und wie genau? Das untersuchen Forscherinnen der Universität Konstanz in einer weltweit einmaligen Studie. Im größten Labor der Universität, dem Imaging Hangar, wird der Flug von Nachtfaltern seit Wochen studiert. Die Experimente sollen Erkenntnisse liefern, wie sogenannte Weinschwärmer ihre Sinneswahrnehmung unter schwierigeren Lichtbedingungen optimieren, erklärt Studienleiterin Anna Stöckl. Dafür wurden dutzende der kleinen Tiere mit Mini-Markern versehen. Sie werden von 40 Kameras beobachtet. Scheinwerfer und Strahler sorgen für das passende Licht. „Wir wollen verstehen, wie die Falter ihren Flug ändern, wenn sie mit künstlichem Licht konfrontiert sind“, schildert die Biologin. Die Studie laufe seit April, mehr als hundert Motten seien beobachtet worden.
Es gebe mehrere Theorien, wieso Motten vom Licht angezogen werden: „Es wird sehr heiß diskutiert, warum die das eigentlich machen.“ Eine Theorie besage, dass ihr visuelles System sich an die Helligkeit gewöhne und sie deshalb bleiben. Eine andere, dass sie das Licht für den Himmel hielten und deshalb darunter hängen bleiben würden. Sobald die Tiere an einer Straßenlaterne vorbeifliegen, hätten sie es mit einer bis zu tausendfach stärkeren Lichtintensität zu tun. „Wir kennen das, wenn ein Autoscheinwerfer uns nachts blendet.“ Die Forscherinnen wollen herausfinden, ob Motten Strategien haben, um sich aktiv an das künstliche Licht anzupassen. „Wenn der Scheinwerfer uns anleuchtet, kneifen wir die Augen zu und drehen den Kopf weg – wir versuchen irgendwie diesen Lichtreiz abzuwenden“, sagte Stöckl.
Die Motte sei deutlich besser als ihr Ruf. „Oft stellen wir unsere Klischee-Motten als hilflose Tiere dar, die Lampen völlig ausgeliefert sind.“ Lichtverschmutzung sei ein großes Problem für nachtaktive Tiere, aber die Studie solle zeigen, ob Motten in einem gewissen Rahmen damit umgehen können. „Und ob wir daraus etwas für unsere Beleuchtung ableiten können, damit es für die Tiere leichter wird.“
Kleine Insekten zu verfolgen, sei in der freien Natur fast unmöglich. Experimente mit Käfigen würden nicht das Verhaltensrepertoire der Tiere in der freien Natur abbilden können. Daher sei der Hangar „so toll“. Im Freiland bekomme man keine Bilder und Daten mit so guter Auflösung wie im Labor. „Und im Labor bekommt man nie die Größe der Natur – im Hangar haben wir so ein Zwischending, in dem die Tiere viel mehr von ihrem Repertoire abrufen können.“
Wenn man an Motten denke, denke man oft an Schädlinge, „die Klamotten anknabbern oder Zucker fressen“, erklärte die Biologin. „Doch nicht einmal ein Prozent aller Nachtfalterarten treten als Haushaltsschädlinge auf.“ Die allermeisten könne man sich vorstellen wie Schmetterlinge, die nachtaktiv seien. „Die trinken Nektar und bestäuben Pflanzen – und sind ökologisch sehr wichtig.“ Motten hätten nicht den Stellenwert von Hummeln oder Bienen für landwirtschaftlich genutzte Pflanzen, so Stöckl. Aber für viele andere Pflanzenarten seien sie essenziell. „Wenn Nachtfalter verschwinden, könnte es durchaus Folgeeffekte geben, wenn das Ökosystem, in dem Landwirtschaft betrieben wird, durcheinandergerät.“