Schmerzen und Juckreiz: Die Schuppenflechte wie hier am Ellenbogen ist lästig und raubt vielen Patienten ein großes Stück Lebensqualität. © Foto: Your Photo
Wie eine Erlösung: Jens Kruse (rechts) hat bereits seit fünf Jahren keine Probleme mehr mit der Schuppenflechte. Er wird von Hautarzt und Psoriasis-Spezialist Dr. Dirk Trögele in der Praxis Dermazent mit Biologika-Spritzen behandelt. © Foto: Marcus Schlaf
München – Keine Schmerzen, kein Kratzen, kein lästiges Eincremen und auch keine verschmutzte Kleidung mehr – und das alles nur durch einen kleinen Pieks in die Bauchdecke: Für viele Patienten, die oft ein Leben lang mit Psoriasis zu kämpfen haben, klingt dieser Fortschritt fast zu schön, um wahr zu sein. „Als ich von der Therapie erfahren habe, war ich anfangs sehr skeptisch. Aber sie hilft wirklich. Meine Schuppenflechte ist tatsächlich weg – und zwar schon seit fünf Jahren“, sagt Jens Kruse überglücklich. Seine zurückgewonnene Lebensqualität verdankt er Medikamenten aus der Gruppe der sogenannten Biologika. „Das sind biotechnologisch hergestellte Arzneistoffe, die gezielt in den Entzündungsprozess bei Schuppenflechte eingreifen. Sie werden zunehmend auch bei anderen Autoimmunerkrankungen wie Neurodermitis oder Akne inversa eingesetzt“, erklärt Dr. Dirk Trögele von der Praxis Dermazent in der Münchner Hackenstraße. Das Hautarzt-Zentrum um den Ärztlichen Leiter und Uni-Dozenten Dr. Christoph Liebich hat sich unter anderem auf moderne Therapieverfahren bei entzündlichen Hauterkrankungen sowie auf ästhetische und operative Dermatologie spezialisiert.
Die Mittel der neuen Biologika-Generation stehen seit etwa zehn Jahren zur Verfügung und werden per Spritze verabreicht. „Sie wirken viel gezielter als die bis zu diesem Zeitpunkt verfügbaren konventionellen systemischen Therapien, die zum Teil schon seit den 1980-er Jahren verwendet werden. Biologika kann man sich vorstellen wie feine, präzise Instrumente, die an einem ganz bestimmten Punkt in die Entzündungskaskade eingreifen und diese unterbrechen. Unter einer Entzündungskaskade versteht man eine Serie von biochemischen Abläufen im Körper, die die Hautentzündungen auslöst“, erläutert Trögele. Mithilfe der Biologika wird der Entzündungsprozess unterdrückt.
Bei Jens Kruse wirkten die Medikamente bereits nach einer Woche. „Man sah, dass die Rötungen verblassten und es bildeten sich weniger Schuppen. Auch der Juckreiz ließ nach.“ Nach etwa vier Wochen waren die ersten entzündeten Stellen an seinem Körper verschwunden. „Ich war total überrascht, das war bereits eine Riesenerleichterung im Alltag. Ich musste mich nicht mehr ständig eincremen, nicht mehr so stark darauf achten, welche Kleidung ich trage. Es gab erstmals Tage, an denen ich mir über meine Schuppenflechte überhaupt keine Gedanken mehr gemacht habe. Und nach der zweiten Spritze sind alle Stellen weggegangen – sogar die extrem ausgeprägten auf dem Kopf“, erzählt der 58-Jährige, der als kaufmännischer Angestellter bei einer Unternehmensberatung arbeitet.
Die Spritze bekommt Kruse alle drei Monate im Münchner Dermazent direkt verabreicht, reist dafür extra aus seiner neuen Wahlheimat Nürnberg an. „Der Aufwand ist ein Klacks verglichen mit dem gewaltigen Ärger, den ich früher wegen meiner Schuppenflechte hatte.“ Sein Arzt Trögele kontrolliert und protokolliert bei jedem Termin die Wirkung der Biologika. Das ist auch eine wichtige Grundvoraussetzung dafür, dass seine gesetzliche Krankenkasse die Kosten übernimmt. Die Medikamente sind sehr teuer. Eine Jahrestherapie schlägt mit etwa 15 000 bis 20 000 Euro zu Buche. Aus Furcht vor Regressforderungen der Krankenkassen verzichten noch immer viele Hautärzte darauf, ihre Psoriasis-Patienten mit Biologika zu behandeln.
Bei der Auswahl der Patientin müssen die Mediziner strenge Kriterien einhalten, um eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen sicherzustellen. Die Betroffenen müssen an mittelschwerer bis schwerer Psoriasis leiden und meist auch schon andere systemische Vortherapien wie Tabletten oder Spritzen erhalten haben. Bei leichteren Formen der Schuppenflechte können auch Cremes oder Salben helfen sowie Salzwasserbäder in Verbindung mit UV-Behandlungen und moderne Lasertechniken. In vielen Fällen erzielen solche Behandlungen eine gute Wirkung.
Jahrzehntelange Leidensgeschichte
Auch Jens Kruse hat im Laufe seines Lebens viele verschiedene Therapien ausprobiert, aber für ihn persönlich entpuppten sich erst die Biologika als Gamechanger, wie es neudeutsch heißt. „Sie machten für mich den Unterschied aus., es war wie eine Erlösung. Ich hatte bereits seit der Pubertät Probleme mit der Psoriasis, erst nur im Kopfbereich, an den Haaren und an der Stirn. Später kamen zusätzliche Entzündungsherde am ganzen Körper hinzu, zuletzt auch noch an den Beinen, am Ellenbogen und sogar in den Ohrmuscheln. Ich musste mich täglich eincremen, das hat jedes Mal eine gefühlte Ewigkeit gedauert. Und um die Bettwäsche nicht jeden Morgen wechseln zu müssen, habe ich selbst bei Hitze nur noch in langen Klamotten geschlafen.“
Wie viele Leidensgenossen hat Kruse die sogenannte Plaque-Psoriasis. „Das ist die am häufigsten auftretende Form der Schuppenflechte. Charakteristisch sind rote Hautläsionen, bedeckt mit hartnäckigen Schuppen und zumeist Juckreiz“, weiß Dermatologe Trögele. Es gibt allerdings auch die Psoriasis-Arthritis, die etwa 20 bis 30 Prozent der Patienten mit Schuppenflechte betrifft. Dabei entzündet sich nicht nur die Haut, sondern auch die Gelenke. „Auch für diese Form sind die allermeisten Biologika der neuen Generation zugelassen. Die Patienten können durch die Behandlung unter anderem wieder mehr Sport treiben.“ Unterm Strich, so der Dermatologe weiter, gelinge es mit den neuen Medikamenten, etwa 50 bis 60 Prozent der Patienten sämtliche Beschwerden an der Haut zu nehmen. Dazu müssen sie allerdings regelmäßig Spritze verabreicht bekommen. Wie oft, hängt vom jeweiligen Wirkstoff ab – es stehen inzwischen etwa ein Dutzend verschiedene zur Verfügung. Manche werden wöchentlich gespritzt, andere wie im Fall von Jens Kruse alle drei Monate. Würde er sich nicht mehr spritzen lassen, kämen seine Hautentzündungen höchstwahrscheinlich zurück. „Mit den Biologika können wir unsere Patienten zwar beschwerdefrei machen, aber leider nicht heilen“, betont Trögele.
Die Nebenwirkungen der Biologika sind laut dem Dermatologen äußerst überschaubar. „Manche Patienten bekommen häufiger leichte Erkältungen mit Schnupfen, die aber meistens milde verlaufen. Auch ein Pilz auf der Zunge kann vorkommen.“
Jens Kruse hätte wahrscheinlich sogar einige Nebenwirkungen in Kauf genommen. „Man hat irgendwann einfach keine Lust mehr auf die ständigen Einschränkungen – und auch nicht auf die komischen Blicke von Passanten. Wenn man auffällig Psoriasis hat, schauen einen die Leute einfach zwangsläufig manchmal komisch an“, erzählt der gelernte Bankkaufmann. „Aber ich habe durch die Spritzen noch nicht mal eine einzige Einschränkung, noch nicht mal Rötung oder gar eine allergische Reaktion an der Einstichstelle gehabt. Die Biologika waren ein Glücksfall für mich. Sie haben mir Freiheit und Lebensqualität zurückgebracht – in der Arbeit und in der Freizeit.“